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Kommentar von Hans r. Amrein

Wo steht die Schweizer Hotellerie? Was erwartet uns 2023?

Ein deutscher Hotelier und Publizist hat mich kürzlich angefragt, ob ich ein paar Fragen zur aktuellen Lage in der Schweizer Hotellerie beantworten könne. Ich habe spontan zugesagt und seine Fragen ebenso spontan beantwortet. Hier ein Auszug aus dem Bericht, der Anfang Dezember in Deutschland veröffentlicht wurde:

Der akute Fachkräftemangel beschäftigt die Hotellerie bereits seit einigen Jahren. Die Corona- Pandemie hat die Situation nicht gerade verbessert – im Gegenteil: Die Situation ist zumindest in Deutschland dramatisch. Die Schweiz scheint hier erfolgreicher zu sein. Würden Sie das ebenfalls so sehen und wenn ja, was machen die Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz anders?

Grundsätzlich sind die Schweizer Hoteliers nicht besser! Was uns auszeichnet, ist das duale Bildungssystem. Dafür werden wir weltweit bewundert. Das sogenannte Fachkräfteproblem betrifft übrigens nicht nur das Gastgewerbe, also Hotels und Restaurants, sondern auch ganz andere Branchen, zum Beispiel den Pflegebereich, Spitäler, Informatik oder Detailhandel.

Wo liegen die eigentlichen Gründe, was den Fachkräftemangel betrifft?

Es sind zwei Faktoren: Erstens hat man es in den letzten 20 Jahren unterlassen, junge Menschen für die Branche zu motivieren. Man hat – jedenfalls in der Schweiz – fast nichts gemacht, weder Werbung noch direkte Information und Kommunikation in den Schulen. Zweitens: Viele Hoteliers und Gastronomen haben ihre Mitarbeitenden nicht gefördert. Wertschätzung und Weiterbildung waren in vielen Betrieben Fremdworte. Und der dritte Grund (aktuell): die Pandemie. Während fast zwei Jahren sprach man in Bezug auf den Tourismus und die Hospitality-Branche von „Krisenbranche“, von „Konkurswelle“ und „Massenarbeitslosigkeit“. Die Medien, aber auch die Verbände haben laufend von „Krise“ gesprochen und geschrieben. Ja, natürlich steckten Teile der Branche wie beispielsweise Stadt- und Businesshotels in einer Krise! Aber den Ferien- und Resorthotels ging es in der Schweiz mehrheitlich hervorragend. Viele erzielten in den Jahren 2020 und 2021 sogar Rekordzahlen! Dabei stellt sich die Frage, welcher junge Mensch entscheidet sich für eine berufliche Laufbahn in einer Branche, die bald kollabieren könnte und keine Zukunft mehr hat?

Energie und Lebensmittel entwickeln sich zu einem Luxusgut. Konsumentinnen und Konsumenten leiden vermehrt darunter. Das hat spürbare Auswirkungen auf die Gastronomie und Hotellerie. Wie sieht die Situation derzeit in der Hotellerie in der Schweiz aus?

Die wirtschaftliche oder konjunkturelle Situation in der Schweiz ist aktuell nach wie vor stabil. Der Konsum ging nicht zurück, die Inflation liegt bei 3,0 Prozent. Der starke Franken spielt keine grosse Rolle. Die Schweizerinnen und Schweizer buchen Ferien, steigen in Hotels und Restaurants ab – sie konsumieren, als ob Inflation, höhere Zinsen und hohe Energiekosten kein Thema wären. Ob das in den nächsten Monaten so bleibt, ist eine andere Frage. Doch die Konjunkturforscher in der Schweiz sind eher optimistisch und prognostizieren für die Schweiz keine Rezession, sondern ein schwächeres Wachstum bei plus 0,8 Prozent. Auch die Mobilität in der Schweizer Bevölkerung ist in den letzten Wochen – trotz Inflation und hohen Energiepreisen – nicht spürbar zurückgegangen. Die Zahlen der ETH Zürich belegen diese Aussage. Grundsätzlich sind wir also optimistisch. Und Energieexperten – zum Beispiel Energiepool Schweiz – gehen davon aus, dass wir bereits im Frühjahr 2023 wieder normale Energiepreise haben werden. Dass sich die Situation markant entspannen wird. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass der Planet Erde nicht kollabiert und dass der Krieg in der Ukraine nicht unberechenbar wird.

Optimistisch oder pessimistisch: Ihr persönlicher Blick in die Zukunft. Wie könnte sich das Gastgewerbe entwickeln und welche Herausforderungen werden die Branche in der DACH-Region erwarten?

Ich bin grundsätzlich optimistisch, denn Pessimismus, Angst und Verunsicherung sind alles andere als ein Lösungsansatz. Natürlich ist es derzeit schwierig, eine genaue Prognose abzugeben, was Tourismus, Hotellerie und Gastronomie betrifft. Trotz Krieg in der Ukraine, Energiepreisen, Inflation, Klimaerwärmung, höheren Zinsen und einer gewissen Abkühlung im Immobilienmarkt werden die Menschen in der westlichen Welt (Europa, USA) reisen, Ferien verbringen und folglich auch in Hotels absteigen. Klar, das Reiseverhalten wird sich verändern – und hat sich bereits verändert. Die Menschen buchen ihre Reisen oder Ferien immer kurzfristiger. Sie tun dies in der Regel über digitale Kanäle. Ausserdem ist das Thema „nachhaltig reisen“ längst ein sehr präsentes Thema und wird auch in Zukunft wichtig sein. Wobei aufgepasst – wenn es um sogenannte Nachhaltigkeit geht: Derzeit schreiben sich fast alle Hotels „Nachhaltigkeit“ auf ihre Fahnen. Es ist richtig und wichtig, dass wir nachhaltiger arbeiten, reisen und geniessen. Aber eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit! Kommt hinzu, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine ökologische Frage ist, sondern auch eine soziale und eine wirtschaftliche.

Nachhaltiges Handeln bedeutet auch, eine nachhaltige Mitarbeiterpolitik zu haben, nachhaltig Projekte zu lancieren oder nachhaltig Geld zu verdienen… Dass Menschen ein Hotel buchen, weil es besonders nachhaltig ist – vor allem im ökologischen Sinne – das glaube ich nicht. Mehrere Umfragen und auch Studien belegen diese Aussage. Der Gast setzt in Zukunft das, was wir Nachhaltigkeit nennen, voraus! Aber er bucht sein Zimmer im Hotel nach wie vor aus anderen Gründen. Zum Beispiel Lage, einzigartige Angebote, Infrastruktur, Gästebewertungen, Preis usw. Meine Kernthese: Nur klar positionierte, einzigartige Hotels, die Erlebnisse bieten und die Erwartungen der Gäste übertreffen, werden eine gute Zukunft haben und demzufolge auch wirtschaftlichen Erfolg haben. Vor allem kleine, inhabergeführte Hotels, die austauschbar sind und sich von ihren Mitbewerbern nicht klar differenzieren und folglich über den Preis verkaufen, werden eine schwierige Zukunft oder gar keine mehr haben.

Der Gast wird immer anspruchsvoller, wenn er in einem Hotel absteigt. Die Kunst liegt darin, diesen Gast mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen zu erreichen, seine Wünsche zu eruieren. Was die Trends betrifft: Hotellerie wird noch individueller, digitaler und nachhaltiger. Anonyme, austauschbare Hotels, die dem Gast keinen Mehrwert bieten, haben wenig oder gar keine Chancen, im hart umkämpften Markt zu überleben, geschweige denn Erfolg zu haben.

Hans R. Amrein
Gesellschafter & Chefredaktor

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