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Kommentar von Hans r. Amrein

Andrea Scherz nennt das Kind (nicht die Gäste) beim Namen

Ein erstaunliches Interview. Am 26. Februar publizierte die NZZ ein Gespräch mit Andrea Scherz, Besitzer des Gstaad Palace im Berner Oberland und Präsident der «Leading Hotels oft he World». Ich staune: Ganze zwei Seiten hat die NZZ dem Hotelier aus Gstaad gewidmet. Unglaublich. Ich kann mich an kein vergleichbares Interview mit einem Hotelier in einer so renommierten Tageszeitung erinnern. Wer auch immer das Interview mit der NZZ angeregt hat – Kompliment!

Auch für das Gstaad Palace ist die NZZ-Geschichte eine großartige Werbeplattform. Damit aber nicht genug: Andrea Scherz beantwortet die Fragen der Journalisten erstaunlich offen, spontan und auch kritisch. Normalerweise neigen Luxushoteliers dazu, kritische Fragen in «Schönwettermanier» zu beantworten. Doch schon am Anfang des NZZ-Interviews macht Andrea Scherz klar: «Sie können alles fragen.»

Was dann folgt, sind authentische und in der Tat auch kritische, direkte Antworten. Andrea Scherz nennt das Kind (nicht die Gäste) beim Namen. Er spricht Klartext, wenn es um das Verhalten und die Ansprüche der Luxusgäste im Gstaad Palace geht. «Die schwierigsten Gäste sind die mit den grössten Egos», so Scherz. «Die Gäste sind ungeduldiger, unorganisierter», so der Hotelier, «heute sagt ein Gast beim Check-in: Ich hätte gerne diese speziellen Hundebiskuits. Und eine halbe Stunde später fragt er: Wo sind sie?»

Andrea Scherz lebt zwar vom Luxus, den er in seinem Hotel bietet bzw. bieten muss, aber persönlich bleibt er stets auf dem Boden. Er ist ein natürlicher, eher bescheidener oder gar demütiger Mensch. Erstaunlich, wie er es schafft, mit der Dekadenz und dem Narzissmus seiner neureichen Gäste umzugehen. Auf die Frage des NZZ-Journalisten «Lehrt einen die Beobachtung des Luxuslebens Demut?», antwortet Scherz: «Am Schluss ist die Einfachheit am schönsten. Die Superreichen müssen permanent ihren Besitz und ihr Umfeld managen, sehen sich in Konkurrenz zu anderen Superreichen. Der grösste Feind der Menschheit ist das Ego.»

Anschlussfrage des NZZ-Journalisten: «Erleben Sie die Konkurrenz der Egos auch im Hotel?» Andrea Scherz: «Und wie! Sie können sich nicht vorstellen, wie etwa hier in der Lobby um die besten Tische gekämpft wird – vor und nach dem Abendessen. Da reagieren manche Gäste jähzornig. Ich wurde auch schon mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt, weil ein Paar keinen Platz fand.»

Ich erinnere mich an ein Treffen mit Andrea Scherz in der «Smokers Lounge» des Gstaad Palace. Wir sassen in schweren Ledersesseln und rauchten eine würzige Havanna. Dazu tranken wir ein Glas Wein. Wir sprachen über Luxus und das Leben als «Luxushotelier». Und siehe da: Was Andrea Scherz nun in der NZZ sagt, deckt sich mit den Aussagen aus der «Smokers Lounge» zu hundert Prozent. Ich spürte schon nach wenigen Minuten, dass dieser sympathische, ehrliche und bescheidene Hotelier dem Luxus, wie ihn seine Gäste zelebrieren, in keiner Weise verfallen ist. Ferrari, Bentley, Cartier, Rolex & Co. – all das bedeutet dem «Luxushotelier» wenig oder gar nichts.  Ihm ist es viel wichtiger, dass unten im Dorf eine echte Käserei existiert – und dass Gstaad nicht zum «Luxusmekka der Alpen» verkommt.

Anmerkung des Autors: Leider wird Gstaad immer mehr zum «Luxusmekka der Alpen». Einheimische finden keinen (bezahlbaren) Wohnraum mehr, der Boden ist so teuer, dass nur noch Milliardäre hier bauen können, immer mehr Luxusläden dominieren das Dorfbild (und nicht Käsereien oder «normale» Gewerbebetriebe) …

Natürlich könnte Andrea Scherz sein Gstaad Palace schon morgen verkaufen – für vielleicht 300 oder 400 Millionen. Die Liste der möglichen Käufer ist lang: superreiche Araber, Chinesen oder auch Europäer, die sich mit dem Hotel ein persönliches Denkmal setzen möchten. Was sagt Andrea Scherz dazu? «Gerüchte, dass wir verkaufen, gibt es mehrmals jährlich. Wer sich in Gstaad an einer Party wichtigmachen will, sagt: Hey, der Scherz verkauft.»

Frage des NZZ-Journalisten: «Warum verkaufen Sie nicht und leben wie Ihre Gäste?» Antwort: «Ich sehe hier viele Menschen, die tausendmal reicher sind als ich. Aber sind sie tausendmal glücklicher? Meist gilt: mehr Geld, mehr Probleme. Ich habe mit dem Palace etwas viel Wertvolleres: eine Lebensaufgabe. Am Morgen zieht mich das Hotel aus dem Bett. Was täte ich sonst? Ein paar Sportwagen kaufen und dann täglich überlegen, ob ich mit dem Aston oder dem Ferrari ausfahre? Eine Jacht samt Crew unterhalten, um eine Woche im Jahr über das Mittelmeer zu cruisen?  Und dann kauft ein Kollege ein noch grösseres Boot?»

Andrea Scherz bringt es auf den Punkt. Er lässt sich vom «Bella Figura»-Leben seiner Gäste in keiner Weise beeindrucken. Im Gegenteil: Er möchte nie so leben, wie seine superreichen Gäste! Er ist auch kein «Brioni-Hotelier», der im massgeschneiderten Anzug (mit Hermès-Krawatte am Hals und Rolex am Handgelenk) durch die Hotelhalle stolziert und so tut, als wäre er hier der wichtigste Gast. Nein, Andrea Scherz ist ein grundbescheidener, «normaler» Mensch, der ein Direktorengehalt bezieht und allfällige Gewinne vollumfänglich in sein «Palace» investiert.

Lieber Andrea, ich wünsche dir nur das Beste für dein traditionsreiches Haus im wunderbaren Saanenland. Vor allem wünsche ich dir Gäste, die so ticken wie der Gastgeber selbst.

Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter

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