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Architektur & Design

Matteo Thun: „Die Natur ist der neue Luxus“

Der Südtiroler Stararchitekt Matteo Thun hat dem Zeitgeist den Kampf angesagt und setzt auf kompromisslos nachhaltige Hotelkonzepte. Dafür sieht er eine grosse Nachfrage auch bei Investoren. Ein Gespräch mit dem 68-jährigen Italiener, der u.a. das Waldhotel Health & Medical Excellence auf dem Bürgenstock gebaut hat.

Matteo Thun, welche Bereiche laufen derzeit nach der eigentlichen Pandemie gut?

Alles läuft gut! Aus der Corona-Pandemie ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten für Neustarts und beschleunigte Entwicklungen, die im Kern schon vorhanden waren. Ein Beispiel: Seit vielen Jahren geht es darum, dass Türklinken, Lichtschalter und Wasserarmaturen nicht mehr von Hand bedient werden müssen. Nun erfährt das Thema der Sensorsteuerung eine enorme Beschleunigung.

Der Hospitality-Sektor steht jedenfalls vor Veränderungen, sagen Experten und Tourismusforscher. Wohin geht die Reise? Was wird zum Beispiel aus den Stadthotels?

Es wird sicher nicht so weitergehen, wie es war. Deshalb halte ich es für fatal, einfach abzuwartenn. Ein Umdenken muss – jetzt nach der Corona-Krise – sofort stattfinden. Neben Longstay und Studentenwohnheimen gibt es weitere Möglichkeiten: Mein neuestes Projekt ist ein Hotel, das wir nicht mehr Hotel nennen wollen. Es liegt in einer italienischen Stadt mit 200 000 Einwohnern, wo genau darf ich noch nicht sagen. Es gibt drei Arten von Zimmern: Longstay, Räume von 22,5 bis 60 Quadratmetern und Apartments. Vor allem aber ist das Haus offen für die Bürger der Stadt. Es ist ein Treffpunkt, ein Ort mit Kulturangeboten und drei verschiedenen F&B-Formaten: Bar, Bistro und Restaurant. Vertraglich festgeschrieben ist, dass kein Sternekoch erlaubt ist, da wir auf Regionalität setzen und nicht den weltweiten Einkauf von Produkten für eine Spitzengastronomie unterstützen wollen.

Das neue Hotel ist ein Treffpunkt, ein Ort mit Kulturangeboten und verschiedenen F&B-Formaten: Bar, Bistro und Restaurant…

Matteo Thun

Das Hotel als modernes Gemeindezentrum?

Ja, ein nachhaltiger Treffpunkt für die Region. Uns ist klar, dass wir neben einem Hoteldirektor auch einen Art-Director brauchen, der auf vielen Klaviaturen spielt. Es ist ein Konversionsprojekt, das Gebäude ist uralt. Aber der Mix ist neu und deshalb wollen wir die Bezeichnung Hotel vermeiden.

Damit sind wir beim Thema Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie das um?

Der neue Luxus ist die Nachhaltigkeit, die Natur, es sind nicht goldene Wasserhähne. Nachhaltigkeit bedeutet im Hotelgeschäft Dauerhaftigkeit. Wir setzen darauf, dass der Renovierungszyklus nicht unter 15 bis 20 Jahren liegen darf und versuchen, ästhetische und technische Dauerhaftigkeit herzustellen. Deshalb ist unser Produktdesign in höchstem Masse unspektakulär, weil wir keinem Zeitgeist folgen. Wir haben an die 90 Hotels gebaut in 30 Jahren. Am Anfang habe ich noch an Designhotels geglaubt, heute nicht mehr. Das Wort Design haben wir am 11. September 2001 für tot erklärt. Im Moment der Terroranschläge von New York ist den Menschen klar geworden, dass die Werte nicht im Konsum liegen, sondern in der Sensualität. Und am Ende muss der Kunde die häufigen Renovierungen und Korrekturen bezahlen. Bei uns bleibt der Zeitgeist vor der Tür.

Am Anfang habe ich noch an Designhotels geglaubt, heute nicht mehr.

Matteo Thun

Viele Ihrer Projekte setzen auf „3 Zeros“. Was bedeutet das?

Die Baumaterialien stammen aus unmittelbarer Nähe, es gibt ein Energie-Management mit geringen Emissionen sowie wenig Abfall und wir strengen uns bei der Wiederverwertung an. Das verstehen die Gäste sofort und es ist eingängiger als viele komplizierte Zertifizierungen.

Matteo Thun

Geboren: 1952 in Bozen (Südtirol/Italien)
Ausbildung: Sommerakademie Salzburg mit Oskar Kokoschka und Emilio Vedova; Architekturstudium (Florenz)
Stationen: Mitbegründer Memphis Group; Professor für Keramikdesign Universität für angewandte Kunst (Wien, 1983 bis 2000); Creative Director von Swatch (1990 bis 1993); Gründung eines Architektur- und Design-Studios in Mailand (1984), Schanghai (2006) und München (2020)
Jetzige Tätigkeit: Gründer Matteo Thun & Partners (Mailand/ München/Schanghai), Office für Architektur und Design für die Bereiche Hospitality, Gesundheitswesen, Wohnen, Büro, Handel, Produkte (gegründet 2001 zusammen mit seinem Partner Antonio Rodriguez), seit 2020 mit Büro in München (für Ausführungsplanung)
Hotelprojekte: Side Hotel Hamburg, JW Marriott Venice Resort & Spa, Waldhotel Health & Medical Excellence (Bürgenstock Resort), Roll-Out Intercityhotels und weitere.
Auszeichnungen (Auswahl): Worldwide Hospitality Award, Green Good Design Award für Architektur, Europäischer Hotel Design Award für Architektur und Innendesign, Hospitality Design Award, Wellness Travel Award…

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