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Food & Beverage

Lebensmittel-Verluste in der Gastronomie: Was tun?

Nachhaltigkeit ist das grosse Thema in Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Dabei geht es auch darum. Lebensmittelabfälle (Food Waste) zu vermeiden. Der Berner Mirko Buri, Gründer und Küchenchef des ersten Anti Food Waste-Restaurants der Schweiz, gilt als ausgewiesener Food Waste-Experte. Im folgenden Beitrag erklärt Buri, wie man Lebensmittelverluste konkret vermeiden kann.

Weltweit gehen rund 805 Millionen Menschen am Abend hungrig ins Bett. Paradoxerweise geht dennoch ungefähr ein Drittel der für den menschlichen Konsum produzierten Lebensmittel auf dem Weg vom Feld zum Teller verloren oder wird verschwendet. Dies entspricht in etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittelverluste pro Jahr.

In der Schweiz fallen jährlich rund 2,3 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an. Dabei hat die Gastronomie 290 000 Tonnen zu verantworten. Das sind rund 60 Millionen Essen.

Lebensmittelverluste und Lebensmittelverschwendung haben weitreichende negative Auswirkungen auf Menschen und die natürliche Umwelt. Eine aktuelle Studie schätzt allein die direkten finanziellen Verluste weltweit auf 950 Milliarden Franken. Werden noch Umweltkosten und soziale Kosten addiert, belaufen sich die Verluste auf rund 2,5 Billionen Franken. Zudem bedeuten Nahrungsmittel-Abfälle eine beträchtliche Verschwendung von wichtigen Ressourcen wie Wasser und Energie, aber auch Anbaufläche, auf welcher (unnötigerweise) Lebensmittel produziert werden. Wird virtuelles Wasser (jenes Wasser, welches für den gesamten Herstellungsprozess eines Produktes benötigt wird) miteinberechnet, so benötigen wir in der Schweiz 80 Prozent des Wassergebrauchs für Lebensmittel. Pro Person und Tag macht dies rund 3400 Liter von insgesamt 4200 Litern.

Lebensmittelverluste in Gastgewerbe & Hotellerie

Weggeworfene Lebensmittel bedeuten für Unternehmen direkte finanzielle Einbussen. Anhand von Messungen kann das Sparpotenzial klar aufgezeigt werden. Messungen in 26 Gastronomiebetrieben der Schweiz haben aufgezeigt, dass Sparpotenzial klar vorhanden ist: Durchschnittlich enden pro Essen 125 Gramm als Lebensmittelabfall.

Interessant ist ebenfalls die Tatsache, dass 70% der 290 000 Tonnen Lebensmittelabfall in der Schweizer Gastronomie und Hotellerie vermeidbare Abfälle sind.

Welch hohen Preis die Gastronomie dafür bezahlt, zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule für Wirtschaft.

Internationale Studie zeigt: Jeder investierte Franken zahlt sich im Schnitt 14-fach aus!

Als langjähriger Coach und Referent bei United Against Waste (UAW) kann ich diese These nur untermauern. Eine genaue Analyse der im Betrieb anfallenden Lebensmittelabfälle ist ein Muss, um die «Ist»-Situation erfassen zu können. Anschliessend werden mit dem ganzen Team Massnahmen ausgearbeitet und umgesetzt. Eine von aussen hinzugezogene Expertenmeinung kann den Prozess zusätzlich unterstützen und hilft bei Betriebsblindheit andere Wege einzuschlagen. Ein gemeinsames Ziel stärkt zudem den Zusammenhalt im Team und kann Departement übergreifend zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit führen.

Wo liegt das grösste Sparpotenzial?

Überproduktion und Teller-/ Buffetrückläufe beinhalten das grösste Sparpotential. Durchschnittlich werden durch Überproduktion die meisten Lebensmittelabfälle verursacht.

Wir sind programmiert, genug zu haben, «koste es, was es wolle». Hauptsache, es hat von allem genug! Können und wollen wir uns diese Verschwendung in Zukunft noch leisten?

Fehlende Produktionspläne oder zu grosse Portionen gehören zur Regel und sind nicht die Ausnahme. Was nützten perfekte Produktionspläne mit Mengenangaben bei mangelhafter Schulung des Personals, welches aus Gewohnheit täglich Sicherheitsreserven produziert? Ebenfalls fatale Auswirkungen können Lücken in der Kommunikationskette darstellen. Lebensmittelabfall zu reduzieren ist im Grundsatz sehr einfach und wird deshalb oft unterschätzt. Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern – darin besteht die grösste Herausforderung! Die positiven Erfolge in den letzten Jahren haben gezeigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Mit gutem Beispiel im eigenen Betrieb vorangehen

Seit vier Jahren setze ich mit «Mein Küchenchef», dem ersten Anti Food Waste Restaurant der Schweiz, neue Massstäbe im nachhaltigen Lebensmittelumgang. Der Betrieb produziert 1300 Mahlzeiten pro Woche und beliefert diverse B2B-Kunden. Durch das einzigartige Betriebskonzept werden Lebensmittelabfälle auf ein Minimum reduziert und die Betriebsrendite gesteigert. Mit einem Kontrollpunkteplan gelingt die Umsetzung im Alltag, und der optimierte Einkauf verhindert Lebensmittelabfälle, welche in der vorgelagerten Lieferkette entstehen.

Unter Begleitung von Claudio Beretta von der ETH Zürich habe ich eindrückliche Resultate geliefert:

Mit dem Konzept von «Mein Küchenchef» fallen vom Feld bis auf den Teller rund 10 x weniger Lebensmittelverluste als in einem mittleren, konventionellen Gastronomiebetrieb an.

Zusätzlich können 28 Tonnen überschüssige Lebensmittel aus der Schweizer Landwirtschaft zu Gerichten weiterverarbeitet werden.

Anti Food Waste: Mirko Buris Tipps

✓ Moderne Gartechniken reduzieren Garverluste von 50% auf 8%.

✓ Verwertung von non-konformen Produkten aus der Landwirtschaft vermeidet Food Waste in der vorgelagerten Lieferkette (z.B. krumme Karotten).

✓ Reduktion von Tellerrückläufen durch Nachservice-Station im Gästebereich und genaue Produktionsplanung.

Gemeinsam gegen den «Rest»  

Verluste auf dem Feld durch innovative Produkte verringern. Dazu den Privathaushalt und Berufskollegen mit ins Boot holen. Ganz nach dem Motto «gemeinsam mehr erreichen». Vor einem Jahr habe ich das Food Label «Foodoo» mit vier weiteren Kollegen gegründet. Seither konnten 10 000 Kilo überschüssige Lebensmittel verarbeitet und durch die Unterstützung der Gastronomie in den Lebensmittel-Kreislauf zurückgebracht werden. Die Produktpalette möchte ich in Zukunft ausbauen und das Potenzial durch Hilfe der Gastronomie ausschöpfen. Meinen Berechnungen zufolge könnten mindestens 10% der Überschüsse unserer Landwirtschaft durch verarbeitete Produkte allein durch die Gastronomie in den Kreislauf zurückgebracht werden. Dieses nationale Engagement könnte sich im besten Fall zu einem Leuchtturm-Projekt mit Ausstrahlung bis in benachbarte Länder entwickeln. Doch bis dahin sind noch viele Brücken zu bauen und Vorurteile zu überwinden.

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