hotel inside tag

Newsletter

Werden auch Sie ein Insider!

Folgen Sie uns

Bildung

Dr. Carole Ackermann (EHL) über Diversity & Inclusion

Was bringt der Ruf nach «Diversity» und «Inklusion», der zurzeit durch alle Branchen hallt? Was versprechen wir uns für die Hospitality-Industrie von Diversity in allen Dimensionen – und was soll sich dadurch nicht nur verändern, sondern sich vielmehr verbessern?

Dr. Carole Ackermann, Verwaltungsratspräsidentin der EHL Holding AG und Vorsitzende der EHL-Stiftung, zeigt im folgenden Hotel Inside-Gastbeitrag Mittel und Wege auf.

Viele Produkte des täglichen Gebrauchs wie Kleider, Möbel, Nahrungsmittel, Autos, Elektronik und ähnliches richten sich an eine immer breiter werdende Kundschaft mit unterschiedlichen Vorstellungen und diverser Herkunft, was sich in vielen spezifischen Varianten bezüglich Gestaltung, Farbe und Funktionsweise niederschlägt. Man schätzt, dass zirka 80 Prozent der Konsumentscheide von Frauen getroffen werden und dass sogar in der mutmasslichen Männerdomäne, dem Autokauf, in 60 Prozent der Fälle Frauen die finale Entscheidung über Modell, Farbe, Innenraumgestaltung treffen – während sich Männer noch auf PS und Fahreigenschaften fokussieren. Die Autoindustrie hat daher vermehrt die Frauen im Fokus, wenn es um die Gestaltung der Fahrzeuge geht.

Noch extremer ist es bei der Wahl der Feriendestination und der Auswahl von Hospitality-Anbietern oder auch der Buchung von Geschäftshotels, wo Assistentinnen entscheiden und zunehmend Frauen selbst auf Geschäftsreise sind. Wir können also der Frage nicht ausweichen, auf welche Gäste wir unsere Angebote ausrichten – dies in Bezug auf Gender, Altersgruppe, Interessen etc. – und wie die verschiedenen Führungsrollen in unseren Unternehmen besetzt sind, um diese Kundinnen und Kunden gezielt zu bedienen.

Frauen in der Mehrheit an der EHL

Wenn wir die Zusammensetzung der Studierenden an der EHL – Ecole hôtelière de Lausanne – auf den verschiedenen Graduierungsstufen näher anschauen, fällt auf, dass seit über zehn Jahren rund 60 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer an diesen Kursen teilnehmen. Demgegenüber liegt der Frauenanteil in den oberen Führungsebenen in der Hospitality-Industrie bei unter 25 Prozent.

Es stellt sich die Frage, wo und wieso dieser grosse Anteil an Frauen bei fortschreitenden Karrieren verloren geht. Zugleich fragt es sich, welche Chancen zur Differenzierung damit vergeben und wie viel Fokussierung auf die wichtigste Entscheider-Gruppe, die Frauen eben, damit verspielt wird. Oder anders formuliert: Sind Männer die besseren Frauenversteher, wenn es um Einrichtung, Ausstattung und Bedienung der weiblichen Kundschaft geht?

Sind Männer die besseren Frauenversteher, wenn es um Einrichtung, Ausstattung und Bedienung der weiblichen Kundschaft geht?

Dr. Carole Ackermann

Wenn dies die nackten Zahlen der Hospitality-Industrie sind, wie attraktiv oder abschreckend sind wir dann für Frauen-Karrieren? Was bringt der Ruf nach «Diversity» und «Inclusion», der zurzeit durch alle Industrien hallt? Und was versprechen wir uns für die Hospitality-Branche von Diversity in allen Dimensionen? Sprich: Was soll sich dadurch nicht nur verändern, sondern sich vielmehr verbessern?

Diversity ja – kombiniert mit Inklusion

Branchenübergreifend wurde darüber schon viel geforscht und noch mehr darüber geschrieben. Es lohnt sich deshalb darüber nachzudenken, was für uns in der Hotellerie an Schritten zur Veränderung möglich ist. Die ganz allgemeine und nachvollziehbare Erfahrung ist, dass Asiatinnen und Asiaten Asien besser verstehen, Frauen Frauen besser verstehen, «divers» aufgestellte Teams die Probleme breiter analysieren und kreativere Lösungen entwickeln. Aber – und es gibt hier ein grosses Aber: Diversity bringt nur dann bessere Ergebnisse und engagiertere Teams mit mehr Energie, wenn Diversity von Inklusion begleitet ist. Und diese Inklusion setzt neue Fähigkeiten bei den Team-Leadern und Führungskräften auf allen Stufen voraus. Dies beginnt mit einer gemeinsamen Sprache, die alle verstehen. Mit Rollenverständnissen und Regeln, die klar und akzeptiert sind. Mit einer Kultur, die auf Teamwork und Einbezug des Teams setzt, sowie neue Wege wie Top-Sharing, Teilzeitarbeit, Portfolio-Working oder Homeoffice ausprobiert.

Die heutige Nachwuchsgeneration – die Generation Z – hat andere Erwartungen an die Unternehmenskultur, das heisst: wie wir miteinander umgehen. Sie hat grössere Führungsansprüche und sucht nach Gestaltungsspielraum. Sie will mehr als Befehlsempfängerin sein. Dafür ist sie aber auch bereit, sich mit allem, was sie hat, einzubringen.

Selbstbestimmung schafft Selbstvertrauen und Vertrauen

Diese Entwicklung erfolgt entlang der Formel: Selbstbestimmung führt zu Selbstvertrauen und Selbstvertrauen zu Vertrauen in andere. Dieses Vertrauen wiederum ist der wichtigste Faktor zur Reduktion von sozialer Komplexität – und erst dieses Vertrauen macht ein Unternehmen handlungsfähig. Fehlt es, muss alles, was geschehen könnte, im Vornherein geregelt werden.

An der EHL haben wir dazu zusammen mit der IMD Business School in Lausanne eine Initiative gestartet, mit der wir im ersten Schritt die Kultur, wie wir die Schule führen, weiterentwickeln wollen. Im zweiten Schritt dann wollen wir auch die Führungsausbildung unserer Studierenden auf einen neuen Stand bringen und diese mit gutem Beispiel vorleben. Dabei gilt das Prinzip: «Panta rhei» – alles fliesst. Und so müssen wir alle jeden Tag einen kleinen Schritt in punkto Entwicklung machen.

Kulturwandel schlägt sich im Lehrplan nieder

Was kann die Hospitality-Industrie von der EHL auf diesem Weg nun erwarten? Neben den bisherigen, zentralen Themen der Fach- und Hospitality-Management-Ausbildung wollen wir diesen Kulturwandel, den die Millennials und die Generation Z einfordern, ernst nehmen. Unser Lehrplan integriert transversale Themen, sodass unsere Studierenden diese auch in ihrer künftigen beruflichen Tätigkeit pflegen werden. Teamarbeit wird noch wichtiger. Zudem befähigen wir unsere Studierenden noch stärker, Neues auszuprobieren. Ebenso fordern wir bewusst den Diskurs zu gleichermassen diverser wie inklusiver Perspektive und entsprechendem Verhalten. Ein erstes kleines Resultat dieser ernsthaften Auseinander­setzung ist der neue Dresscode an der EHL, der für alle auf dem Campus ab September 2021 gilt und mehr Inklusion zu leben versucht. Denn wir sind überzeugt, dass Kundinnen und Kunden lieber ein Hotel buchen, dem es gelingt, Diversity und Inklusion zu verinnerlichen, den Unterschied zu fördern und so diese Werte täglich erlebbar macht.

Corporate Social Responsibility (CSR) wird ein zunehmend wichtigerer Bestandteil unserer Strategie und wir wenden ESG-Kriterien (environmental, social und governance) bei der Leistungsbeurteilung ebenso an, wie wir Studierenden auch aufzeigen, welchen Stellenwert ein Engagement hinsichtlich CSR für Investoren bei der Finanzierung neuer Hospitality-Projekte hat. Institutionelle Investoren, aber auch Rating-Agenturen und Fonds, geben neu dem Aspekt «social» eine noch grössere Gewichtung und strafen Unternehmen ohne Diversity in Führungsfunktionen ab.

Wegweisend: Initiative «Women in Leadership»

Mit unserer «Women in Leadership Initiative» (WIL) haben wir an der EHL seit 2018 unter der Aufsicht von Prof. Sowon Kim ein Gefäss geschaffen, das auf die Forschung in unterschiedlichen Dimensionen weiblicher Karrieren im Hospitality-Bereich abzielt. Ein erstes konkretes Resultat daraus ist die konsequente und obligatorische Ausbildung aller Studierenden und Mitarbeitenden zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Ebenso verfügen wir über eine Gruppe von «Leading Hôtelières», der Prof. Kim als Mentorin angehört, wo Fragen wie Lohngleichheit, Karrierechancen für alle und flexible Arbeitsmodelle diskutiert werden. Und «Lifelong learning – lifelong consulting» heisst unser ambitiöses Programm, wo wir die Inklusion über Generationen hinaus adressieren.

Der Diversity-Shift in der Tourismus- und Hospitality-Industrie ist also mehr als «nur» ein neues Frauenförderungsprogramm. Ein inklusiver Umgang mit vielfältigen Lebensformen und diversen Meinungen fordert ein Umdenken von uns allen, um für künftige Kundinnen, Kunden und Mitarbeitende attraktiv zu bleiben. Wir sind stolz, dass Diversity und Inklusion beim Lehrkörper wie auch bei den Studierenden der EHL einen hohen Stellenwert geniessen.

Der Diversity-Shift in der Tourismus- und Hospitality-Industrie ist mehr als «nur» ein neues Frauenförderungsprogramm.

Dr. Carole Ackermann
zur Übersicht