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Management

Ist Hotellerie 4.0 die grosse Zukunft?

Hotellerie 4.0 ist ein neuartiges, ganzheitliches Geschäftsmodell. Im Zentrum stehen nicht mehr Produkt und Serviceleistungen. Bei Hotellerie 4.0 dreht sich alles um Gast und Mitarbeitende. Eignet sich das Geschäftsmodell auch für kleine und mittlere Hotels? 

Hotel Inside-Chefredaktor Hans R. Amrein stellte Michael Thomann, der Hotellerie 4.0 in der Schweiz lanciert hat, 25 Fragen zum Thema.

Was verstehen Sie unter Hotellerie 4.0?

Unter Hotellerie 4.0 ist für mich das aktuelle Geschäftsmodell der Hotellerie. Nicht nur für Stadtbetriebe, sondern viel mehr auch für die Ferienhotellerie. Warum auch für Ferien- oder Resort-Hotels? Kurz: Die Fixkosten sind der Killer des klassischen Modells in einem volatilen Nachfrage-Umfeld. Die Hotels müssen in Zukunft atmen können. Das hat mit der momentanen Krise nichts zu tun, das ist ein Grundsatz!

Warum nennen Sie das Projekt «Hotellerie 4.0»?

Es ist verständlich, dass die Definition 4.0 nicht klar ist Man kann die Endung (4.0) wohl an so ziemlich jedes Substantiv anhängen. War 1.0 vor allem durch die Mechanik geprägt, stand 2.0 für die Elektronik und 3.0 für die IT. Die Digitalisierung und Unterstützung durch intelligente Technologien ermöglichen es uns, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und agile Unternehmen mit den entsprechenden Kulturen zu schaffen – dies steht für 4.0. Es zählen nicht nur die Attribute, welche 4.0 ausmachen, sondern vor allem auch die Einstellung und den Mut für Veränderungen.

Welche Themen und Hotelbereiche umfasst Hotellerie 4.0?

Verkürzt gesagt geht es um:

  • Kundengruppen mit Ihren Wünschen und Bedürfnissen;
  • das Werteangebot (Customer Value Proposition) mit Produkten und Dienstleistungen, die Nutzen wie auch Mehrwert für den Kunden darstellen;
  • die unterschiedlichen Kundenbeziehungen in den einzelnen Kundengruppen;
  • die kanalspezifische Distribution inkl. differenzierter Produkte-, Angebots- und Preisgestaltung; 
  • Prozesse, um die Aufgaben aus dem Werteangebot möglichst effizient zu erstellen;
  • den effektiven Einsatz der Ressourcen (Flächen, Finanzen, Mitarbeiter und Wissen);
  • Kooperationen und Partnerschaften. Sie sind sehr wichtig!

Effizient bedeutet: die Dinge richtig tun – und effektiv bedeutet: das Richtige tun. Dabei spielt der ganzheitliche Einsatz der Digitalisierung – nicht nur innerhalb der Customer Journey – eine zentrale Rolle. 

Sie sprechen von einer «Plattform Ökonomie» in der Hotellerie. Um was geht es da?

Wenn man das etwas abstrahiert, geht es darum, dass man Anbieter und unterschiedliche Käufer auf einer Plattform zusammenbringt, wie das zum Beispiel Uber, Amazon oder auch Airbnb tun. Insofern war die Hotellerie schon immer eine Plattform-Ökonomie. Das Unternehmen «Hotel» als Besitzer der Plattform hat Flächen, über die es verfügen und die es unterschiedlich nutzen kann. Das hybride Hotel 4.0 besteht aus Gastronomie, Wohnungen, Apartments, Hotelzimmern, Shops und andere Angebote. Es kommen völlig unterschiedliche Kunden ins Hotel 4.0. Der Hotelier oder Hotelmanager arbeitet mit externen Partnern auf der Basis von Kooperationen zusammen. Eigentlich nichts Neues! Vor 30 oder 50 Jahren war man ein guter Hotelier, wenn man möglichst alle Bereiche des Hauses selber abdeckte. Dafür erhielt man viel Lob und sogar Auszeichnungen. Diese Zeiten sind für mich vorbei. Heute geht es in der Hotellerie darum, sinnvolle und wirtschaftlich erfolgreiche Kooperationen mit Partnern einzugehen. Die zentrale Aufgabe des Hoteliers – im Sinne von Hotellerie 4.0 – ist es, den Betrieb kontinuierlich weiterzuentwickeln, die Qualität zu sichern und ein ganzheitliches Kundenerlebnis zu schaffen. 

Hotellerie 4.0 und die ganzheitliche Nutzung der Digitalisierung ist weit mehr, als sich einem Channel Manager anzuschliessen, automatische Bestätigungen an Kunden zu versenden und ein paar Online-Ads zu schalten.»

Michael Thomann

 Ist Hotellerie 4.0 besonders in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit haben, ein Thema?

Ja, in Zeiten der Krise zeigen sich die Schwächen von Geschäftsmodellen, Unternehmen, Destinationen und Ländern sehr deutlich. Zum Beispiel in Form einer wirtschaftlichen Monokultur. Die Krise «enthüllt» auch mangelhafte Infrastruktur- und Organisationsstrukturen. Diese sind vor allem auf die Spitzenauslastung des Hauses ausgerichtet. Ja, und auch Schwächen in der Bilanz werden jetzt schonungslos aufgedeckt.

An wen richtet sich Hotellerie 4.0 vor allem?

An die oberste Leitung eines Hotel- oder Gastronomieunternehmens. An Unternehmerinnen und Manager, die bereit sind, diese Herausforderung anzunehmen. Hotellerie 4.0 richtet sich an Leute, die lernen wollen und bereit sind, selbst ihren langjährigen Erfolg in Frage zu stellen. Sie sind bereit, Kunden und Mitarbeitende in den Mittelpunkt zu stellen – und ihnen zuzuhören. Kurz und gut: Hotellerie 4.0 richtet sich an alle unternehmerisch denkenden und handelnden Hotelièren und Hoteliers. 

Eignet sich Hotellerie 4.0 eher für kleine oder grosse Hotels?

Die Philosophie von Hotellerie 4.0 wird aktuell von eher grösseren Hotels in Städten umgesetzt. Darunter auch Hotelgruppen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich Hotellerie 4.0 auch für Schweizer Ferienhotels sehr eignet. Gerade Ferienhotels, die zum Teil aus saisonalen Gründen stark unter den Schwankungen des Marktes (Volatilität) leiden, können sich dank Hotellerie 4.0 vermehrt auf individuelle Gästebedürfnisse konzentrieren. Sie entlasten sich damit auch von standardisierten Prozessen.

 Ganz konkret: Worin besteht der Nutzen oder Mehrwert für die Hoteliers?

Wir leben in einer schnellen, ungewissen Zeit, geprägt durch starke Schwankungen im Markt. Die aktuelle Krise wird diese Dinge noch verstärken. Führungskräfte sind jetzt besonders herausgefordert! Gute Manager und Unternehmer passen ihre Strategie und Organisation laufend dem sich ändernden Umfeld an. Es geht am Ende darum, Mehrwert zu schaffen. Hotellerie 4.0 hilft dabei, den Fokus auf das Relevante, den Menschen zu setzen, sei es als Kunde oder Mitarbeiter. Es geht darum, die Menschen und Interessengruppen ins Zentrum der Aktivitäten zu stellen. Man sollte dabei aber den Blick für das grosse Ganze nicht verlieren.

Führt Hotellerie 4.0 am Ende dazu, dass die Hoteliers eine höhere Auslastung, höhere Umsätze und mehr Gewinn erzielt?

Ich hatte bisher – als Hotelier, Coach und Berater – das Glück, dass Hotellerie 4.0 immer zu einem Mehrwert führte – zum Beispiel in Form von EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Wichtig: Es geht nicht darum, über Preissenkungen und Marketing-Aktionen Auslastung zu jedem Preis zu generieren. Das Ziel von Hotellerie 4.0 ist es, über das Geschäftsmodell einen höheren Nutzen zu erzeugen – zum Beispiel Profit auf Stufe GOI (Gross Operating Income) oder GOP (Gross Operating Profit). Das passiert fast automatisch, wenn die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit steigt. Um das geht es bei Hotellerie 4.0.! Profit benötigen wir, um eine nachhaltig erfolgreiche Geschäftstätigkeit sicherzustellen – und Investitionen zu tätigen.

Sparen Hotels, die Hotellerie 4.0 erfolgreich und konsequent um- oder einsetzen, auch Kosten?

Ja, obwohl es bei Hotellerie 4.0 vor allem um den Nutzen geht. Wenn man im Sinne des Netzwerkgedankens denkt und handelt, spart man zwangsläufig auch Kosten. Hintergrund und Ursache der Kosten sind ja stets die Prozesse. Es geht immer um die klassische Frage «make or buy». Mache ich alles selber und delegiere gewisse Teilaufgaben? Oder kaufe ich die Leistungen ein, indem ich Prozesse outsource oder durch einen Kooperationspartner erstellen lasse? Wobei Kooperation und Outsourcing nicht dasselbe sind. 

Worin liegt der Unterschied zwischen Outsourcing und Kooperation?

Beim Outsourcing geht es darum, gewisse Aufgaben und/oder Strukturen an einen externen Dienstleister zu übergeben. Die vereinbarte Leistung, die zum Beispiel in einem «Service Level Agreement» vereinbart ist, wird bezahlt. Bei der Kooperation hingegen haben Hotelier und Kooperationspartner die gleiche Vision. Im Vordergrund steht der gemeinsame Nutzen. Werden Kooperationen von allen Partnern effektiv gelebt, werden die Werte der einzelnen Partner nicht addiert, sondern multipliziert.

Warum haben viele Hoteliers nach wie vor Mühe mit dem Thema Kooperationen?   

Wer eine Kooperation eingeht, gibt vielleicht auch zu, dass er Schwächen hat und überfordert ist – und dass der Kooperationspartner die Aufgabe besser und kreativer angeht. Doch dieses Denken ist falsch, denn es geht ja um den Nutzen. Und man will bewusst nicht alles selber machen. Die Herausforderung ist, die richtigen Partner zu finden und die Qualität sicherzustellen. Gerade der Qualitätssicherung ist ein hoher Stellenwert beizumessen. Dies gilt bei Kooperationen wie auch beim Outsourcing. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Modelle nicht.    

Führt Hotellerie 4.0 dazu, dass Hotels digital besser aufgestellt sind?

Ja, aber was heisst besser aufgestellt? Heute schweben die Hoteliers zwischen den fiktiven Welten der Digitalisierung – vorgegeben durch Trends, IT, Systemprovider, Wissenschaftler, Berater und Experten ­– und der Realität. Man erzählt den Hoteliers, dass praktisch jedes System fast alles könne. Leider sieht die «Welt» nach dem Kauf oder während der Installation des Systems anders aus… Oft holt die Realität die Hotels wieder ein, weil Schnittstellen nicht funktionieren und zusätzliche (verdeckte) Kosten zum Vorschein kommen. 

Laufend kommen neue Systeme auf den Markt, es entstehen in Hotels Systemlandschaften, die keiner mehr versteht. Die Systemanbieter haben Freude, die Hoteliers Ärger. Dabei sollte der Fokus auf dem digitalen Nutzen der Prozesse aus dem Geschäftsmodell sein. 

Haben Sie ein Beispiel aus dem Hotelalltag?

Ein Revenue Management-System, das kein Kategorien-Yielding vorsieht, ist nur begrenzt effektiv, wenn das Hotel unterschiedliche Zimmertypen besitzt, die sich unterschiedlich gut verkaufen. Was bringt es, wenn man die Preise der Einzelzimmer, die schwach belegt sind erhöht, nur weil die Doppelzimmer ausgebucht sind?  Der mögliche Mehrertrag wird markant schlechter sein, als wenn man ein geeignetes System eingesetzt hätte.

Was muss denn ein Hotelier tun, damit er die richtigen Systeme erhält?

Erstens: Man muss die aktuellen und künftigen Prozesse des Geschäftsmodells kennen. Alter Wein in neuen Schläuchen funktioniert nicht! Zu oft wird versucht, die alten Prozesse – man hat es ja immer so gemacht und war sogar erfolgreich damit – in eine neue digitalisierte Umgebung zu drücken. Was aber auch nicht heisst, dass neue Prozesse immer besser sind als alte!  

Zweitens: Die Organisation und ihre Mitarbeiter müssen befähigt sein, die richtigen Fragen zu stellen. Jung sein allein genügt nicht, auch Erfahrung und Wissen haben ihren Stellenwert. 

Drittens: Die Organisationsstruktur ist so zu entwickeln, dass diese agil ist und das Silo-Denken reduziert wird. Die Hotels tun gut daran, von der Null-Fehlertoleranz wegzukommen und auch eine gewisse Experimentierfreudigkeit zu entwickeln.

Viertens: Die Leistungsindikatoren müssen fortlaufend gemessen und die Systeme kontinuierlich weiterentwickelt werden. 

Fünftes (ganz wichtig): Hoteliers sollten in Talente investieren, diese fördern und fordern, so dass sie sich zu Champions entwickeln.

Hat der Kunde (Gast) indirekt einen Nutzen, wenn Hoteliers nach den Grundsätzen von Hotellerie 4.0 arbeiten?

Ja, denn das ganze Geschäftsmodel basiert auf dem Werteangebot (Customer Value Proposition) für den Kunden. Am schwierigsten ist es dabei, weg vom Modus des Produkte-Denkens und in den Modus des «Design-Denkens» zu kommen. Beim «Design-Denken» geht es aber um viel mehr als nur um Kreativität und tolle Ideen, die kaum eine Relevanz haben. Es geht darum, sich intensiv mit dem gesellschaftlichen Wandel, der Nutzung von neuen Technologien wie auch der Kulturveränderung zu beschäftigen und Lösungen zu finden, die im Kontext mit der fortschreitenden Digitalisierung stehen. Im Zentrum steht die Frage: Wie helfen wir den Menschen aus den einzelnen Kundengruppen, ihre Aufgaben zu erledigen, in dem wir für sie Probleme lösen, Hindernisse aus dem Weg räumen, Bedürfnisse befriedigen und/oder Werte vermitteln? 

Sind Hotels dank Hotellerie 4.0 grundsätzlich markt- oder wettbewerbsfähiger?

Ja, davon bin ich überzeugt. Wie bereits gesagt: Unternehmen, die nach der Philosophie von Hotellerie 4.0 arbeiten, sind agiler, atmungsfähiger und zentraler auf das Kundenbedürfnis und die Menschen ausgerichtet. Sie nutzen die Digitalisierung konsequent und schaffen effiziente und effektive Prozesse. 

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Nehmen wir zum Beispiel das «Zoku Amsterdam Hotel».

Ressourcen: Da gibt es unterschiedliche Wohnformen, der Nutzungsgrad pro Quadratmeter Wohneinheit ist hoch, im Erdgeschoss (mit hohen Frequenzen) sind Retail-Shops angesiedelt, die zu einer besseren Profitabilität beitragen, der Eingangsbereich ist klein, auf dem Dach verschmelzen Wohnen und «Welcome Area», inklusive Küche und Begegnungsraum. Es hat Schliessfächer für ankommende und abreisende Gäste… Und noch etwas: Es gibt keine Rezeption, die Gast und Gastgeber vom ersten Moment an trennt. Gäste und Mitarbeitende werden im «Zoku Hotel» zu einer Community zusammengeführt.

Prozesse: Die Mitarbeitenden in der «Welcome Area» sind echte Gastgeber, die sich dem Gast annehmen, Wünsche erfüllen, Speisen und Getränke servieren.

Der Check-In-Prozess inklusive Schlüsselabgabe erfolgt digital. Das Hotel ist digital absolut fit! Dies beginnt bei der Buchungsmaschine und endet bei der App. 

Befasst sich Hotellerie 4.0 auch mit der wichtigen Positionierung und Differenzierung?

Nein. Antworten zu Positionierung und Differenzierung werden in der Strategie definiert. 

Gehen wir ins Detail: In welchen Hotelbereichen macht Hotellerie 4.0 besonders Sinn?

Hotellerie 4.0 macht in allen Bereichen des Hotels Sinn, sei es in der Beherbergung, Gastronomie oder auch in Nebenleistungen wie Wellness oder Bäder. In allen Bereichen kann man mit Hotellerie 4.0:

  • den Kundennutzen steigern;
  • Produkte- und Service-Innovation ermöglichen;
  • die Digitalisierung ganzheitlich nutzen;
  • die Produktivität und somit die Effizienz und Effektivität verbessern.

Aber auch im rückwertigen Bereich können Entscheidungsgrundlagen und Beschaffungsprozesse optimiert werden. Hotellerie 4.0 und die ganzheitliche Nutzung der Digitalisierung ist weit mehr, als sich einem Channel Manager anzuschliessen, automatische Bestätigungen an Kunden zu versenden und ein paar Online-Ads zu schalten. 

Welche Auswirkungen hat Hotellerie 4.0 auf Sales & Marketing – vor allem aber auch auf die digitalen Verkaufskanäle?

Im Grundsatz verfolgt Hotellerie 4.0 bei den Sales- und Marketingausgaben das Prinzip 80 Prozent Online und 20 Prozent Analog/Offline. Grund: Das Kaufverhalten hat sich markant verändert. Heute besucht der Gast eine SAC-Hütte und übernachtet im Massenlager, morgen steigt er in einem 4-Sterne-Wellnesshotel ab. Die klassische Segmentierung nach Alter, Geschlecht und Automarke hat ausgedient. Im Mittelpunkt steht das aktuelle Gästebedürfnis.

Die Personalkosten sind bekanntlich der grösste Kostenblock. Lassen sich über Hotellerie 4.0 Personalkosten sparen? 

Ich bin nicht sicher, ob die Personalkosten tatsächlich der grösste Kostenblock sind. Sind nicht vielmehr die Prozesse, die von Mitarbeitern ausgeführt werden, die eigentlichen Verursacher der Kosten? Zu oft wird versucht, gleiche Prozesse einfach mit weniger Mitarbeitern auszuführen. So wird die Zitrone ausgepresst, bis sie nichts mehr hergibt. Fazit: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sinkt, und die Gäste spüren das. Ich sage: Wenn Sie Personalkosten sparen wollen, setzen Sie bei den Prozessen an!

Führt Hotellerie 4.0 auch dazu, dass Hotels ökologischer und demzufolge nachhaltiger arbeiten?

Nachhaltiger arbeiten bedeutet nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial. Auch hier gilt der ganzheitliche Ansatz. Ich bin überzeugt, dass dies immer mehr ein gesuchter Nutzen verschiedenster Kundengruppen ist und ein Differenzierungspotenzial darstellt.

Können Sie belegen, dass Ihre hier genannten Thesen, Aussagen und Lösungsansätze zu Hotellerie 4.0 auch wirklich zum Erfolg führen?

Das mit den Beweisen von Thesen ist so eine Sache. Ich überlasse das lieber den Wissenschaftlern. Ich kann nur sagen: Hotels, die nachhaltig erfolgreich sind, arbeiten ganzheitlich oder mindestens teilweise mit Hotellerie 4.0. Beispiele: Die holländische Hotelgruppe «CitizenM» (auch in Zürich präsent) verfügt über ein tolles Lean Management, hohe Digitalisierung und eine kontinuierliche Messung von Leistungsindikatoren wie Check-out-Zeit bei Self-Check-out. Oder «The Student Hotel»: Die Produkte, Leistungen und Services sind zu 100 Prozent auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Studenten wie auch Bewohner abgestimmt und konsequent ausgerichtet. Dies geht so weit, dass die Gäste über eine App die Waschmaschine reservieren können, Community-Anlässe organisiert werden und vieles mehr. Oder denken Sie an das neuartige Konzept «Stay Kooook» der Schweizer SV Hotels. Ein tolles, innovatives Schweizer Konzept, das die individualisierte Nutzbarkeit der Wohneinheit (Fläche) in den Vordergrund stellt. Es gibt viele tolle Beispiele, die sich Hotellerie 4.0 auf die Fahne geschrieben haben. Man findet sie mehrheitlich im internationalen Markt. 

Neben «Stay Kooook» (Bern) und «CitizenM» (Zürich): Wurde Hotellerie 4.0 in Schweizer Hotels bereits konkret umgesetzt? 

Ja, wobei es unterschiedlichste Umsetzungen gibt. Einige Betriebe setzten hierbei Massstäbe. Eine komplette Aufzählung der Hotels ist nicht möglich, aber es sind bekannte Beispiele wie Kurt Baumgartner in Scuol (Engadin). Er hat Hotellerie 4.0 schon vor vielen Jahren umgesetzt – über Kooperationen mit der Bäderlandschaft oder den Bergbahnen. Oder denken Sie an die stark differenzierte Flächennutzung im Grand Hotel National in Luzern – oder an Kleinbetriebe wie das Sporthotel Eienwäldli in Engelberg. Dort haben die Gründer wie auch die nachfolgende Generation auf kleinem Raum ein spannendes Geschäftsmodell aufgebaut. Anstelle von 150 Hotelzimmern hat man ein kleines Hotel mit nur 20 Zimmern gemacht, dafür aber einen grossen Camping-Bereich geschaffen.

In Kürze

Hotellerie 4.0 steht für das erfolgreiche Geschäftsmodell der Gegenwart in der Hotellerie. Es stellt den individualisierten Nutzen (Werteangebot) der einzelnen Kundengruppen in den Mittelpunkt und nicht primär ein Produkt oder Serviceleistungen. Die Kunden werden nach ihrem Nutzungsverhalten gruppiert und Kundenbeziehungen auf die unterschiedlichen Ansprüche ausgerichtet. Produkte und Services werden kanalspezifisch vertrieben und mittels Nutzung künstlicher Intelligenz – welche auf das Geschäftsmodell abgestimmt ist – wird eine wertschöpfungsorientierte dynamische Preisgestaltung betrieben. Die Prozesse aus den Aufgaben des Werteangebotes werden effektiv und effizient gestaltet; die Digitalisierung wird ganzheitlich genutzt. Das Silodenken wird reduziert und das Unternehmen durch eine flexible wie auch vernetzte Denk- und Handelsweise agil gestaltet. Ressourcen wie Flächen, finanzielle Mittel, Mitarbeitende und Wissen werden optimal genutzt. Den Grundsätzen der Plattform-Ökonomie wird ein hoher Stellenwert beigemessen. Die wertvolle Ressource des Mitarbeiters wird primär für den individualisierten Kundennutzen und die Gästebetreuung eingesetzt. Mit vorgelebtem Leadership wird der Ansatz «Performence by shared values» tagtäglich vorgelebt.

Hotellerie 4.0 richtet sich an alle Hotelbetriebe, vor allem auch für kleinere und individuelle Hotels in städtischen Gebieten oder Ferienregionen, die einem volatilen Geschäftsgang ausgesetzt sind.

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