Wie lauten die großen Trends, wenn es um Ernährung und Gastronomie geht? Sind vegane Speisen bloß ein Hype – oder ein Trend? Haben Fleischersatzprodukte eine Zukunft? Was bedeutet der rückläufige Alkoholkonsum in der Gastronomie? Welche Zukunft haben Convenience-Produkte? Die Ernährungsexpertin Daniela Schenk sagt: „Flexibilität ist in Restaurants das Gebot der Stunde.“
Als Ernährungsberaterin befasse ich mich hauptsächlich mit einer ausgewogenen Ernährung im Hier und Jetzt und weniger mit der Zukunft. Jedoch erhalte ich durch die vielen Gespräche mit Klienten und Klientinnen jeden Alters, durch zahlreiche Kontakte mit Menschen aus Stadt und Land sowie im Austausch mit anderen Fachpersonen Einblick darüber, was den Menschen in punkto Ernährung wichtiger zu werden scheint. Worauf wird vermehrt geachtet, was ist bei der Auswahl der Speisen und dem Entscheid, in ein Restaurant zu gehen, auschlaggebend?
Ich bin keine Trendforscherin. Die Aspekte, die ich im Folgenden nennen werde, resultieren vielmehr aus persönlicher Erfahrung aus den erwähnten vielen Gesprächen zum Thema Ernährung:
- In den letzten Jahren, möglicherweise noch verstärkt angeheizt durch die Corona Krise, haben mehr Menschen angefangen, sich mit dem Thema gesunde Ernährung auseinanderzusetzen. Jedoch nicht nur eine für den Menschen gesunde, sondern auch eine für den Planeten nachhaltigere Ernährung wird mehr und mehr zum Thema.
Dabei spielt der Trend zur pflanzlichen Ernährung eine wichtige Rolle. Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, vegetarisch oder auch vegan zu leben.
Nichtsdestotrotz sind Veganer eine kleine Minderheit und wenn auch wachsend, so werden diese in den nächsten Jahren vermutlich eine Minderheit bleiben. Deutlich wachsen wird jedoch der Anteil Menschen, die sich flexitarisch ernähren. Das heißt, sie möchten nicht ganz auf Fleisch verzichten, schränken den Konsum jedoch massiv ein und legen Wert darauf, wo und wie die für den Verzehr gedachten Tiere gehalten wurden. Statt täglich gibt es bei inzwischen nicht wenigen Menschen nur noch ein- bis zweimal pro Woche Fleisch auf den Teller.
Das bedeutet auch für die Gastronomie, dass vermehrt auf vegetarische, aber auch vegane Menüs gesetzt werden sollte. Vor allem in den Städten folgen bereits etliche Restaurants diesem Trend. Auf dem Land hinkt die Entwicklung oft noch hinterher. Natürlich auch, weil noch weniger Nachfrage besteht. Doch auch hier sollte bei den Restaurants ein Umdenken stattfinden, wenn sie den Trend nicht verschlafen wollen. Mit vegetarischer Alternative ist etwas Kreativeres gemeint als Spaghetti mit Tomatensauce oder ein Gemüseteller.
- Der Trend zu Nachhaltigkeit und bewussterem Essen zeigt sich auch darin, dass die Konsumenten häufiger wissen wollen, wo die Produkte herkommen. In Zukunft werden vermutlich noch mehr Menschen darauf achten, dass die Lebensmittel regional, saisonal und wenn möglich auch biologisch produziert worden sind.
- In günstigeren Restaurants wird wohl kaum beachtet, dass die Lebensmittel biologisch sind, doch wo man viel Geld für ein Essen bezahlt, wird zunehmend erwartet, dass dieses in punkto Nachhaltigkeit und ökologischem Anbau höchsten Standards entspricht.
- Ein Restaurant, das vermerkt, wo seine Lebensmittel herkommen und zumindest bei bestimmten Produkten auch solche aus biologischem Anbau anbietet, wird sicher bei einer gewissen Klientel punkten. Das zeigt sich bei den Besserverdienenden, bei den Städtern sowie bei einem jungen (akademischen) Publikum.
Viele Menschen konsumieren verarbeitete Produkte – und gerade der Markt für Fleischersatzprodukte ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Nicht wenige nehmen sich keine Zeit im Alltag, regelmäßig zu kochen. Deshalb erfreuen sich sogenannte Convenience Produkte grosser Beliebtheit. Trotzdem wächst das Bewusstsein dafür, dass natürliche, unverarbeitete Produkte für unsere Gesundheit am besten sind. Immer mehr Leute setzen deshalb gerade beim Auswärtsessen auf Frische und möchten dort keine hochverarbeiteten Lebensmittel konsumieren.
Das Wissen darüber, dass hochverarbeitete Produkte mit ihren vielen Zusatzstoffen unserer Gesundheit auf Dauer schaden, breitet sich zunehmend aus, weswegen verstärkt auf die Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel geachtet wird. Die Chancen auf Erfolg für ein Unternehmen, welches Wege findet, seine Produkte mit keinen oder möglichst wenigen Zusatzstoffen zu produzieren, stehen sicher nicht schlecht. Dies gilt auch für Restaurants, die damit werben, keine (oder kaum) hochverarbeitete Produkte zu verwenden.
- Der Anteil Menschen, die entweder eine Lebensmittelintoleranz oder zumindest eine-sensitivität haben oder aus anderen Gründen auf bestimmte Inhaltsstoffe verzichten möchten, wächst stetig. Häufig handelt es sich dabei um Gluten, Lactose oder Allergene wie Soja oder Nüsse. Für Restaurants kann es deshalb sinnvoll sein, mindestens ein Menü ohne Lactose und Gluten anzubieten.
Individualisierung wie auch Digitalisierung schreiten voran und damit auch der Trend zu personalisierter Ernährung. Durch diverse Gen- und andere Tests möchte der Konsument zunehmend die Ernährung darauf abgestimmt haben, was ihm gemäß Testresultat zuträglich ist. Der Genuss scheint im Vergleich zu früher bei vielen nicht als alleiniges Merkmal zu gelten, vielmehr scheint die Bekömmlichkeit der Nahrung und dass diese einen Mehrwert bietet, ebenso wichtig. Wie sich im Supermarkt zeigt, werden viele Lebensmittel heutzutage mit Protein, Vitaminen, Antioxidantien, Probiotika oder ähnlichem angereichert.
- Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Restaurants, die diese nicht anbieten, werden womöglich einen schweren Stand haben. Diesem Trend zu gesunder Ernährung folgt auch der Trend zu weniger Alkohol. Nicht wenige Restaurants beklagen die Abnahme des Weinkonsums im letzten Jahrzehnt. Es sei den Restaurants empfohlen, zusätzlich auf die alkoholfreien Varianten von Bier und Wein zu setzen.
In Singapur und den USA wird kultiviertes Fleisch, also In-Vitro-Fleisch bereits angeboten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch bei uns auf die Teller gelangt. Ich denke aber, es wird noch einige Zeit dauern, bis dieses bei uns nicht nur von einer Minderheit akzeptiert wird. Auch die Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel hat bei uns (noch) einen schweren Stand. Im Tierfutter, aber auch in für den menschlichen Verzehr gedachten, verarbeiteten Lebensmitteln sind sie in Europa bereits zugelassen. Eine Deklaration ist Pflicht, da Insekten bei Leuten mit gewissen Allergien Reaktionen hervorrufen könnten. Zudem gehen die Meinungen bei Experten über die generelle Unbedenklichkeit zum jetzigen Zeitpunkt noch stark auseinander. Hier bräuchte es sicherlich umfangreichere Studien.
Insekten als Fleischersatz hatten manche Supermarktketten vor wenigen Jahren in ihren Regalen, wurden aber z.B. bei Migros wegen mangelnder Nachfrage wieder aus dem Sortiment genommen. Bei Coop ist es noch ein kleines Nischenprodukt und ich denke, das wird in unserem Kulturkreis noch längere Zeit so bleiben.
Zu betonen ist, dass der Trend zur regionalen, nachhaltigen, biologischen Küche auch eine Frage des Budgets ist. Wer sparen muss, wird die Prioritäten anders setzen.
Für Gastronomen der gehobeneren Küche sind in erster Linie die Trends der Besserverdienenden relevant.
Die Ernährungsweise ist heute ein stückweit zur Religion geworden und man gibt mit der Information darüber, wie man sich ernährt, sehr viel preis über seine Werte und Ansichten, über seinen Bildungsstand, vielleicht sogar über seine politische Haltung und sicherlich auch über seinen Geldbeutel und Status.
Jedoch sollte man, gerade weil es auch eine Geldfrage ist, zurückhaltend damit sein, der Ernährung einen moralischen Stempel aufzudrücken. Als Ernährungs-Psychologische Beraterin unterstütze ich das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung der Ernährungsweise. Meiner Meinung nach ist es aber wünschenswert, dass die Fähigkeit zum Genuss unterwegs nicht auf der Strecke bleibt.