Die Produktivität. Ein zentrales Thema in jedem Hotel- und Gastronomiebetrieb. Die zentrale Frage: Wie gestaltet man (zum Beispiel) Küchen in Restaurants produktiver? Hotel Inside-Gastautor Dr. Hans Vettiger ist Dozent an der EHL im Campus Passugg. Seit vielen Jahren befasst er sich mit der Frage: Wie können Hotel- und Gastrobetriebe noch besser organisiert und dadurch produktiver werden?
Was heisst Produktivität?
Die Produktivität einer Gastroküche lässt sich einfach berechnen: Produzierter Umsatz geteilt durch Anzahl in der Küche beschäftigte Mitarbeitende umgerechnet auf 100%-Stellen. Eine Steigerung der Produktivität ist eine gute Voraussetzung, um die Löhne oder die Arbeitszeiten der in der Küche beschäftigten Mitarbeitenden zu verbessern. Henry Ford hat mit dem Erfolg seiner Devise «stetige Steigerung der Produktivität bei stetiger Steigerung der Löhne» Wirtschaftsgeschichte geschrieben.
Einfluss der Küchenorganisation auf die Produktivität
Bei der klassischen Küchenorganisation mit einer hohen horizontalen Arbeitsteilung (es braucht zu Betriebszeiten vier bis fünf unterschiedliche Arbeitsplätze oder Posten) und einer hohen vertikalen Arbeitsteilung (es braucht zu Betriebszeiten drei bis vier Hierarchiestufen) stellt die Steigerung der Produktivität eine Herausforderung dar. Im Bankettgeschäft (produktionstechnisch Serie-Fertigung genannt) kann auch mit der klassischen Küchenorganisation eine hohe Produktivität erreicht werden. Im A-la-Carte-Geschäft hingegen (produktionstechnisch Einzelfertigung genannt) braucht es zur Steigerung der Produktivität ein radikales Umdenken.
Ein Pionierbetrieb zeigt den Weg
Das Hotel Forstmeister in Schönheide in Sachsen verfügt über 50 Zimmer und ein grosses Speiserestaurant, das etwa hälftig von Hotelgästen und externen Gästen frequentiert wird. Der Fachkräftemangel zwang den Geschäftsführer, Michael Preiss, zu einer radikalen Umstellung seiner Küchenorganisation. „Wir haben aktuell nur noch zwei Köche und eine Küchenhilfe. Für den Betrieb unserer klassischen Postenküche benötigen wir aber drei Köche und zwei Küchenhilfen. Wir mussten darauf reagieren, dass zwar 160 Sitzplätze im Restaurant vorhanden sind, es die Küche aber nicht mehr schaffte, die auch zu bedienen.“
Wichtig war dem Hotel Forstmeister aber, dass auch nach der Umstellung der Küchenorganisation die frische Speisenzubereitung aus regionalen Produkten beibehalten werden kann. „Die Reaktionen der Gäste sind nach der Umstellung der Küchenorganisation durchwegs positiv. Viele kamen neugierig, um unsere neue Küche auf die Probe zu stellen“, freut sich Michael Preiß.
Folgende Organisationsprinzipien ermöglichen die Verdoppelung der Produktivität im Hotel Forstmeister:
– Trennung Vorbereitung und Service
Durch die entkoppelten Prozesse gibt es nun Vorbereitungstage und -zeiten. Im laufenden Tagesgeschäft werden die Menüs dann endzubereitet.
– Multifunktionale und mobile Koch- und Kühlgeräte
Die Köchinnen und Köche, die seit vielen Jahren an Posten gekocht haben, waren zunächst skeptisch. Es gibt zum Beispiel kaum noch Pfannen. Aktuelle Säule der Küche sind Kombidämpfer, ein multifunktionaler Schnellkühler sowie ein Induktionsherd und das Kochcenter für Schöpfgerichte als begleitende Werkzeuge.
Alle Koch- und Kühlgeräte sind auf Rollen gesetzt. Selbst die Spüle ist mobil und fahrbar. Das gewährleistet eine effiziente Reinigung, eine hohe Betriebssicherheit und erleichtert dem Servicetechniker Reparaturen.
– Bedarfs- und mitarbeitergerechte Dienstpläne
Die Arbeitszeiten können besser geplant werden. Es gibt jetzt Produktionstage und dann die Einsätze bei laufendem Geschäft, ohne dass nach Küchenschluss noch lange Pfannen und Töpfe geschrubbt werden müssen. Das Positive dabei: Es geht alles entspannter zu, ist einfacher, moderner und kompakter geworden. Michael Preiß: „Am Abend brauchen wir keine zwei Köche mehr, einer plus Küchenhilfe reicht. Wir können bis zu vier Wochen vorher einen Dienstplan aufstellen.“
– Automatisierte Steuerung der Koch- und Kühlgeräte Die Koch- und Kühlgeräte sind mit automatisierten Steuerungen ausgestattet. Über einen einfach zu bedienenden Touch Screen werden hinterlegte Garprozesse wie das Grillen eines Steaks oder das Braten eines Wienerschnitzels abgerufen. Im Prinzip kannjeder Mitarbeiter nach einer kurzen Einarbeitungszeit auch kompliziertere Speisen zubereiten.Fällt die Köchin aus, kann die Küchenhilfe einspringen.
Grossküchentechnik auf den Boden gebracht
Vater dieser Küchenorganisation ist Stefan Cammann, ein gelernter Metzger und Koch aus Duisburg. Er setzt seine Leidenschaft als Gastronom und seinen industriellen Geist dafür ein, dass Grossküchentechnik in kleinen und mittleren Restaurants produktiv eingesetzt werden kann. Dank seiner mehrjährigen Erfahrung beim Gerätehersteller Rational weiss er genau, wo die Stärken und Schwächen der Grossküchentechnik liegen.
Seit 20 Jahren führt er das Restaurant Faktorei in Duisburg mit 100 Innen- und 140-Außenplätzen und hat diese Form der Küchenorganisation für die A-la-Carte-Küche laufend weiterentwickelt. Seine Küche ist 35 qm groß und er beschäftigt zwei Mitarbeitende. Gastronomen und Interessierte können ihm im Restaurant Faktorei über die Schultern schauen und sich selbst von diesem Produktivitätswunder überzeugen lassen.
Das mit 14 Gault-Millau Punkten ausgezeichnete Restaurant des Romantik Hotels Sternen in Kriegstetten ist der erste Betrieb in der Schweiz, der seine Küchenorganisation auf das Konzept von Stefan Cammann umgestellt hat.
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