Vom Hotel Sacher in Wien über das Baur au Lac in Zürich bis hin zum George V in Paris: Pierre-Yves Rochon aus Paris gestaltet die schicksten Grandhotels der Welt. So hat der 77-jährige Innenarchitekt fast alle Hotels der Luxusgruppe Four Seasons Hotels & Resorts gestaltet. Ein Hotel Inside-Gespräch über fremde Betten, Bad-Armaturen und andere Design-Fragen in Luxushotels.
Pierre-Yves Rochon, welches ist das beste und schönste Hotel der Welt?
Am liebsten ist mir das Four Seasons George V in Paris – wegen seiner Lage, der Service-Kultur und der Architektur, nicht weil ich für die Neugestaltung verantwortlich war.
Sie leben in Paris, haben Sie trotzdem einmal im George V übernachtet?
Natürlich! Ich bin ja der Designer des Hauses und muss doch herausfinden, was dort passt und was nicht.
Wann ist ein Hotelzimmer ein gutes Hotelzimmer?
Es ist eine Frage der Kombination. Erst einmal geht es um Komfort, dann um den Platz und dann um das Bad. Wichtig sind natürlich auch das Licht, der Service, und was das Zimmer sonst noch zu bieten hat.
Viele Leute ärgern sich in Hotelzimmern über schlecht zu bedienende Fernseher, Armaturen, Lichtschalter oder anderes Gerät. Wieso sind manche Dinge so kompliziert gestaltet?
Ich versuche, das zu vermeiden, und denke zum Beispiel auch an Brillenträger unter der Dusche.
Wie bitte?
Wer nimmt schon die Brille mit zum Duschen? Aber auch ohne diese sollte man die Armaturen bedienen können. Ich glaube, manche Designer gestalten nicht für den Gast, sondern für ihr Ego – oder für die Journalisten.
Was erwarten Sie von einer Minibar?
Ich glaube nicht, dass es da hunderte Produkte braucht. Auch hier gilt Qualität und Einfachheit. Gutes Mineralwasser und Fruchtsaft sind wichtig.
«Das Ärgste ist, wenn man das Zimmer aufsperrt – und es riecht ungut»
Pierre-Yves Rochon
Was ist Ihre schlimmste Erinnerung an ein Hotelzimmer?
Oh, da gibt es so viele! Ich werde Ihnen aber kein bestimmtes Hotel rauspicken. Das Ärgste ist, wenn man das Zimmer aufsperrt – und es riecht ungut.
Sie haben sich einmal als Design-Chirurgen bezeichnet. Wie meinen Sie das?
In meinem Fall geht es in erster Linie um Renovierungen. Das heisst, ich muss schauen, was da ist, den Bestand aufnehmen und versuchen, etwas Besseres daraus zu machen. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Hotel hatte früher eine Raumhöhe von 3,50 Metern. In den 1970er-Jahren war es Trend, eine neue Decke auf der Höhe von 2,50 Metern einzuziehen. Für mich ist es toll, was ich nach Freilegung solcher Decken alles finden und Neues daraus machen kann.
«Die Hotelwelt ist vielseitig und bunt. Stellen Sie sich vor, alle Frauen wären blond. Das wäre doch schrecklich»
Pierre-Yves Rocho
Wie schafft man es eigentlich, Hotelzimmer zu gestalten, die für so viele Geschmäcker wie möglich passen?
Gute Frage. Es gibt, Gott sei Dank, viele Arten von Hotels. Manche stehen auf den Stil von Philippe Starck, andere auf meinen Stil oder den Purismus von Jean Nouvel. Die Hotelwelt ist vielseitig und bunt! Stellen Sie sich vor, alle Frauen wären blond! Das wäre doch schrecklich. Es kommt eben auf die Persönlichkeit an. Nur was die Qualität betrifft, darf es keine Unterschiede geben.
«Ich glaube, manche Designer gestalten nicht für den Gast, sondern für ihr Ego – oder für die Journalisten»
Pierre-Yves Rocho
Mal ganz ehrlich: Geben Sie dem Portier Trinkgeld?
Ja, immer. Das ist eine Geste des Respekts. Ausser in Japan, da macht man das nicht.
Sollte sich ein Gast in einem Hotel wie zu Hause fühlen, oder geht es um eine andere Herausforderung für Sie?
Nein, nicht wie zu Hause, sondern heimelig. Das ist etwas anderes. Sein Aufenthalt soll ja auch eine neue Erfahrung sein, ein Erlebnis.
Was halten Sie von Organisationen wie Airbnb, bei denen man private Unterkünfte auf der ganzen Welt buchen kann? Das ist ein ziemlicher Trend.
Airbnb kenne ich nicht. Dazu kann ich nichts sagen. Sorry, da habe ich gar keine Erfahrungen.
Trotzdem: Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Wohnung in Paris über Airbnb anzubieten?
Nein, ich würde Ihnen meine Wohnung nicht geben. Sorry. Der Gedanke, dass jemand anderer in meinem Bett schläft, gefällt mir gar nicht. Ich mag das Hotel. Das Hotel ist ein wichtiger Aspekt des Lebens, es ist ein Kulturgut.
Welcher Hotelgast ist Ihnen der liebste?
Jener, der das Hotel respektiert, der seine Schuhe nicht auf den Tisch legt und keinen Saustall hinterlässt.
Und wie wichtig ist die Lobby eines Hotels?
Sehr wichtig! Es ist der Ort, an dem man alle Leute sieht und an dem man von allen gesehen wird. Die Lobby ist das gesellschaftliche Zentrum des Hotels. Ein sozialer Treffpunkt.
Was halten Sie von Gästen, die einen Aschenbecher oder einen Bademantel als Souvenir mitgehen lassen?
Das ist nicht mein Ding. Es kommt allerdings auch auf den Preis des Aschenbechers an. Aber entschuldigen kann ich das auf keinen Fall.
Wer ist Pierre-Yves Rochon?
Pierre-Yves Rochon wurde am 6. September 1946 in Saint-Nazaire (Frankreich) geboren. Er wuchs in der Bretagne auf und studierte Innenarchitektur an der École nationale supérieure des arts décoratifs in Paris, wo er als Klassenbester ausgezeichnet wurde. 1969 heiratete er Annick Rochon. Das Paar hat einen Sohn. Pierre-Yves Rochon war zunächst zehn Jahre lang in den Büros anderer Innenarchitekten wie Michael Boyer tätig. Er machte sich 1979 mit seinem eigenen Pariser Büro, der Société Pierre-Yves Rochon, selbstständig und spezialisierte sich auf Grand Hotels.
Die luxuriösen, detailgenauen Gestaltungen Rochons gründen in einem eklektischen Zugang. Er verbindet historische Elemente, die lokale Traditionen des jeweiligen Hotels berücksichtigen, mit zeitgenössischen Akzenten. Besonderes Augenmerk legt er auf die Schaffung grosszügiger und komfortabler Gemeinschaftsräume. Die Vorliebe für historisierende Gestaltungen in Anlehnung an opulente Dekors und Ausstattungen des 18. und 19. Jahrhunderts teilt Rochon mit anderen französischen Innenarchitekten seiner Generation, zu denen Jacques Garcia, François-Joseph Graf und Jacques Grange zählen. Beeinflusst ist er von den Arbeiten des Innenarchitekten und Möbelgestalters Jacques-Émile Ruhlmann, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wirkte. Neben Grand Hotels gestaltete Rochon Restaurants für bekannte Köche wie Paul Bocuse, Alain Ducasse und Joël Robuchon.