Landauf und landab erscheinen Hotelbewertungen, Rankings, Ratings und andere „Hitparaden“ unter dem Motto: Welches sind die besten oder schönsten Hotels im Land, europa- und weltweit? Im Gastgewerbe herrscht zunehmend eine gewisse Irritation, denn die Hoteliers wissen gar nicht mehr, auf welche Rankings sie sich verlassen können, welche seriös, möglichst objektiv, unabhängig und demzufolge glaubwürdig sind.
Alle Rankings und Ratings haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind großartige Werbe- und PR-Plattformen für die Hotellerie und den Tourismus allgemein, denn die Konsumentinnen und Konsumenten mögen „Hitparaden“ und Ranglisten. „Wer ist die oder der Schönste im ganzen Land?“ Die Ranglisten vermitteln so etwas wie „Traumwelten“. Motto: „Einmal im Leben in einem Luxushotel absteigen und sich Dinge gönnen, die man sich sonst nicht leisten kann…“.
Gegen solche „Traumwelten“ ist nichts einzuwenden. Und wenn die gelisteten Hotels aufgrund ihrer Platzierung in den Rankings auch noch ein paar Betten verkaufen, umso besser. Nur sollten Hoteliers genau hinschauen und die Rankings hinterfragen. Was bringt mir die Präsenz? Passt das Ranking zu meinem Hotel? Wer steckt dahinter? Worin liegt der kommerzielle Nutzen?
Alle von mir befragten Hoteliers und Experten sind sich einig: Hotelrankings sollten nach klaren, transparenten Kriterien erstellt werden. Es reicht nicht, wenn Gästebewertungen dargestellt und zusammengefasst werden – oder wenn sogenannte „Hoteltester“ nebenbei Hotels besuchen, gut essen und bequem schlafen – und die Sicht aufs Matterhorn oder den Lago Maggiore genießen…
Ich spreche aus eigener Erfahrung: Hotels testen ist ein knallharter und anspruchsvoller Job und hat mit Genuss und luxuriösen Annehmlichkeiten wenig zu tun. Wer diesen Job professionell und seriös ausüben will, benötigt nicht nur entsprechendes Fachwissen und Know-how sowie langjährige Erfahrung in der Hospitality-Branche, sondern auch Instrumente und Testkriterien. Die Kolleginnen und Kollegen von Michelin und LQA (Leading Quality Assurance) machen es vor. Sie operieren anonym, unabhängig und arbeiten mit Checklisten, die bis zu 700 Kriterien und Standards umfassen. Sie finanzieren ihre Hotelaufenthalte selbst und lassen sich vom Management des Hotels auch nicht beeinflussen.
Also, was zeichnet einen professionellen Hoteltester konkret aus? Ich zitiere die Experten von LQA, der weltweit führenden Institution, wenn es um Qualitätskontrollen in der Hospitality-Industrie geht. LQA hält fest: „Ein professioneller Hoteltester zeichnet sich durch mehrere Eigenschaften aus. Zunächst einmal ist eine umfassende Erfahrung in der Hotelbranche eine Grundbedingung, da dies ein tiefes Verständnis für die verschiedenen Aspekte eines Hotels, wie Service, Sauberkeit, Ausstattung und Gastronomie ermöglicht. Zudem sollte ein Hoteltester möglichst objektiv und unvoreingenommen sein, um eine faire Bewertung abzugeben.“
Glaubwürdige Hoteltests entstehen durch Transparenz und Nachvollziehbarkeit, so LQA. „Ein Tester sollte klare Kriterien festlegen, die er bei der Bewertung anwendet, und diese Kriterien offenlegen. Außerdem ist es wichtig, dass die Bewertungen auf persönlichen Erfahrungen und Vergleichen basieren und nicht von externen Einflüssen, zum Beispiel Sponsoring oder Werbung, beeinflusst werden. Eine detaillierte Beschreibung der Erlebnisse, gepaart mit konkreten Beispielen, trägt ebenfalls zur Glaubwürdigkeit bei.“
Und das sind laut LQA die „goldenen Regeln“, an die sich der Hoteltester zwingend halten sollte:
- Hoteltests müssen anonym durchgeführt werden. Will heißen: Der Tester steigt als „ganz normaler Gast“ im Hotel ab. Anonymität trägt dazu bei, dass der Tester authentische Erfahrungen macht, da das Hotelpersonal nicht weiß, dass es sich um einen Tester handelt. Dies führt zu einer realistischen Einschätzung des Service und der Qualität, da die Mitarbeitenden nicht auf einen Tester eingestellt sind.
- Der Tester finanziert seine Kosten (Zimmer und Verpflegung) selbst. Er darf sich „unter keinen Umständen vom Hotel einladen lassen“, so LQA.
- Tester, die im Hotel als solche erkannt werden, sind nicht in der Lage, ein objektives und glaubwürdiges Testresultat abzuliefern.
- Hoteltester müssen, so LQA, zwingend mit Checklisten operieren. Checklisten, wo einheitliche Kriterien und Standards festgelegt sind.
Fazit: Ratings oder Rankings, welche die hier erwähnten LQA-Kriterien erfüllen, sind in der Regel objektiv und glaubwürdig – alle anderen Publikationen sorgen zwar für eine gewisse Aufmerksamkeit und Publizität, sind aber eher kommerzieller Natur – ein möglicherweise attraktives Geschäftsmodell. Mehr sind sie nicht. Der Nutzen oder Mehrwert für die Hotellerie hält sich in Grenzen.
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter