Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor einigen Wochen im Four Seasons Hotel des Bergues in Genf führte. Meine Gesprächspartner: Professor Roland Schegg von der Hochschule für Tourismus in der Westschweiz/Wallis, und Martin Rhomberg, seit über 20 Jahren Manager bei Four Sesaons Hotels & Resorts, einer der besten Luxushotelgruppen der Welt.
Es ging in diesem Gespräch um das, was wir ökologische Nachhaltigkeit nennen. Professor Schegg sprach über die jüngste Studie seiner Hochschule zum Thema «Nachhaltigkeit und Luxushotellerie». Und Martin Rhomberg hörte aufmerksam zu und beantwortete die Fragen des Professors.
Erste Frage von Prof. Schegg: Wie reisen die Gäste des Four Seasons in Genf an? Wie viele kommen mit dem öffentlichen Verkehr, zum Beispiel mit der Bahn? «Null», so die Antwort des Hotelmanagers. Wie viele kommen mit der Bahn oder mit dem Bus vom Flughafen ins Hotel in der Innenstadt? Antwort: «Null». Nächste Frage des Professors: Wie reisen denn die Gäste nach Genf? «40 Prozent mit dem Privatjet», so Martin Rhomberg. Frage des Professors: Sie holen die Gäste am Flughafen in Genf ab. Mit einer konventionellen Luxuslimousine (Benzinmotor) – oder mit einem Elektrofahrzeug? Martin Rhomberg: «Die Gäste können wählen – Maybach (Benzinmotor)oder Elektroauto.»Roland Schegg: «Und wie viele entscheiden sich für den Maybach?» Martin Rhomberg: «80 Prozent».
Szenenwechsel: Gespräch mit Tim Weiland im «The Alpina» in Gstaad (wirkt jetzt in Marrakesch). Wir sprechen u.a. über Nachhaltigkeit, Food Waste, Energiekosten, umweltgerechtes Gästeverhalten, Erdbeeren im Winter und solche Dinge. Das Alpina gilt als besonders nachhaltiges Luxushotel in der Schweiz. Vor allem die Küche von Chefkoch Martin Göschel tut alles, um möglichst umweltschonend und «klimaneutral» zu kochen. Lebensmittelbfälle gibt es im The Alpina grundsätzlich nicht. Fast alles in der Küche wird wiederverwertet.
Und die Gäste, die hier absteigen? Verhalten sie sich nachhaltig bzw. umweltfreundlich? Tim Weiland schmunzelt, denkt lange nach und sagt: «Weisst du, das mit der Nachhaltigkeit und dem Luxus ist so eine Sache.» Wir im Hotel tun alles für die Umwelt: regionale Produkte, Vermeidung von Lebensmittelabfällen, ökologische und effiziente Heizsysteme, erneuerbare Energien, Recycling, Wassereinsparung, umweltfreundliche Materialien, Schonung von natürlichen Ressourcen und vieles mehr.» Und die Gäste? «Ja, das ist der Punkt», meint Tim Weiland. «Offen gesagt: Sie fliegen im Privatjet nach Bern oder Saanen, lassen sich in schweren Limousinen oder SUVs chauffieren und wünschen auch im Januar Erdbeeren und exotische Früchte.»
Hört man den Luxushoteliers zu, kommt man zum Schluss: Luxushotellerie und ökologische Nachhaltigkeit schliessen sich aus. Ein Paradox. Solange die Gäste nicht mitspielen und sich an gewisse Verhaltensregeln halten, bringen all die getroffenen Massnahmen in Hotels wenig oder nichts. Damit nicht genug: Nachhaltigkeit und Luxushotellerie schließen sich oft aus, da Luxushotels häufig einen hohen Standard an Komfort und Service bieten (müssen), der zwangsläufig mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch einhergeht. Um diesen hohen Standard aufrechtzuerhalten, werden oft luxuriöse Materialien, Einrichtungen und Annehmlichkeiten umgesetzt, die nicht unbedingt nachhaltig sind.
Darüber hinaus sind viele Luxushotels darauf bedacht, den Gästen exklusive und extravagante Erlebnisse zu bieten, was oft im Widerspruch zu nachhaltigen Praktiken stehen kann. Beispiel: luxuriöse Spa-Behandlungen oder Gourmet-Restaurants verbrauchen eine große Menge an Energie und Ressourcen. Da ist die Frage der Nachhaltigkeit zweitrangig.
Und noch etwas: Nachhaltigkeit wird oft mit Einschränkungen oder Verzicht in Verbindung gebracht, was dem Luxuserlebnis widersprechen kann. Gäste in Luxushotels erwarten oft eine Vielzahl von Annehmlichkeiten und Dienstleistungen ohne Kompromisse bei Qualität und Komfort.
Also, nochmals die Frage: Kann Luxushotellerie überhaupt nachhaltig und umweltgerecht sein?
Meine Antwort: Ja, Luxushotellerie und Hotellerie ganz allgemein kann durchaus nachhaltig und umweltgerecht sein, wenn bestimmte Prinzipien und Maßnahmen berücksichtigt werden. Es gibt gerade in der Schweiz, aber auch in Österreich und im Südtirol viele Hotels, die kluge und wirkungsvolle Nachhaltigkeitskonzepte umsetzen – nicht nur im ökologischen Bereich. Sie sind auch sozial und wirtschaftlich nachhaltig. Sie nutzen innovative Technologien, verwenden umweltfreundliche Materialien und übernehmen soziale Verantwortung. Ich könnte an dieser Stelle viele Beispiele aufführen…
Fazit: Es gibt auch in der Luxushotellerie zahlreiche Massnahmen und Aktionen, die nachhaltig sind und auch Sinn machen – egal, ob der Gast im Privatjet und in der 600 PS-Maybach-Limousine anreist.
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter