Der Hospitality Summit ist mit etwa 700 bis 1000 Teilnehmenden (darunter auch viele Hoteliers) der grosse «Tanker» unter den Branchen-Events in der Schweiz. Diesmal findet der Kongress am 18. und 19. Juni statt – nochmals in Zürich-Oerlikon, ab 2026 in Bern. Was noch 2024 undenkbar gewesen wäre, ist jetzt Tatsache: HotellerieSuisse verzichtet auf ihre «Exklusivität» und öffnet den Summit für GastroSuisse. Welch ein Wunder!
Ich erinnere mich an Gespräche mit Exponenten von HotellerieSuisse. Die zentrale Frage in den Diskussionen (oft am Rande von Events): Warum spannt ihr nicht vermehrt mit anderen Verbänden zusammen, vor allem mit dem grössten Branchenverband (GastroSuisse)? «Undenkbar», so die Antwort eines prominenten HotellerieSuisse-Exponenten, der aktuell nicht mehr für den Verband tätig ist. «Die Kultur der Hoteliers und das Gewerbe der Wirte sind völlig verschiedene Welten. Und diese Welten passen einfach nicht zusammen.»
Verschiedene Welten? Immerhin sind Hoteliers und Wirte dem Gastgewerbe zuzuordnen. Und nicht wenige «Wirte» betreiben auch Hotels – und die meisten Hoteliers sind auch als Restaurateure (sprich «Wirte») aktiv…
Was der ehemalige HotellerieSuisse-Mann meinte, aber nicht aussprechen wollte, tönt im Klartext und zugespitzt etwa so: HotellerieSuisse ist der edle, etwas abgehobene «Club» der stilvollen, gebildeten Hoteliers, die in Massanzügen durch die Hotelhallen stolzieren, in Lausanne (EHL) oder Cornell studiert und entsprechende Diplome in der Tasche haben…
Und die Wirte? Die sitzen schon vormittags am Stammtisch in der Gaststube, lesen den «Blick», führen Stammtischgespräche mit Stammgästen – und dies bei reichlich Weisswein oder Bier… Von Brioni (Massanzügen), EHL und Cornell keine Rede. An der Wand in der «Beiz», zwischen Kuhglocken und Schwinger-Kränzen, erinnert das Wirte-Patent an längst vergangene Zeiten, als der junge Wirt (damals ohne Bierbauch) den elterlichen Betrieb übernommen hatte.
So viel zum Thema «Kulturen» und Vorurteile im Gastgewerbe. Nun kommen sich die Wirte und die Hoteliers also näher, spannen gar zusammen und gehen «gemeinsam in die Zukunft» (Zitat HotellerieSuisse) – vorerst am Hospitality Summit. Immerhin.
Insider wissen: Martin von Moos (Präsident HotellerieSuisse) und Beat Imhof (Präsident GastroSuisse) mögen sich gut und pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Sie ticken im Kooperations- und nicht im Konkurrenzmodus. Das war unter den Präsidenten der beiden Verbände nicht immer so. Von Moos und Imhof haben begriffen, dass man gemeinsam mehr Power, ja mehr Macht hat, wenn es darum geht, die Interessen und Anliegen der Branche in Politik und bei Behörden durchzusetzen. Wie ich aus Verbandskreisen erfahren habe, sind weitere Kooperationen nicht auszuschliessen, um es vorsichtig zu formulieren.
Einer, der zwanzig Jahre lang im Präsidium der deutschen DEHOGA mitwirkte und das Verbandswesen (nicht nur in Deutschland) hervorragend kennt, ist der geborene Schweizer André Witschi. Er führte Accor in Europa und in Deutschland, baute Steigenberger auf, wirkte elf Jahre lang als Stiftungsratspräsident an der Spitze der EHL in Lausanne. Ja, man muss es immer wieder betonen: Unter Witschi schaffte es die EHL zur weltweit führenden Hospitality-Hochschule. Aktuell sitzt der Zürcher in diversen Stiftungs- und Verwaltungsräten – und er unterstützt als Gesellschafter unser Projekt Hotel Inside.
Kurz und gut: André Witschi kennt die Hospitality-Branche wie kaum ein anderer, er ist hervorragend vernetzt und weiss, wie Verbände funktionieren – oder eben auch nicht.
Wir haben fast eine Stunde lang über die Zukunft der beiden Branchenverbände in der Schweiz diskutiert. Macht eine noch vertieftere Kooperation wirklich Sinn? Worin liegen die Vor- und Nachteile einer «gemeinsamen Zukunft»? Wäre gar eine Fusion der beiden Verbände sinnvoll?
Ich zitiere André Witschi: «Ich kann nur sagen, eine Kooperation der beiden Verbände mit gemeinsamer Dachorganisation hätte nur Vorteile. Ich habe die Entwicklung der DEHOGA in Deutschland hautnah erlebt. Fazit: Als Dachorganisation hatten wir viel mehr Power, ja viel mehr Macht. Plötzlich hatte das deutsche Gastgewerbe – und damit auch die Hotellerie – im Bundestag in Berlin und in den Bundesländern eine starke Stimme. Als Einzelverbände hätten wir viel weniger Einfluss auf Politik und Behörden gehabt.»
Frage: Warum sollte das in der Schweiz anders sein? Das «Rezept» ist relativ einfach: Man nehme das deutsche Vorbild, die erwähnte DEHOGA. Unter dieser Dachorganisation wären die einzelnen, nach wie vor unabhängigen Verbände national organisiert. SWISSHOGA könnte die neue «Holding» heissen. Sie besteht aus drei Säulen. Säule 1: HotellerieSuisse. Säule 2: GastroSuisse. Säule 3: diverse Branchenverbände (Schweizer Verband Spital-, Heim- und Gemeinschaftsgastronomie SVG, CafetierSuisse usw.). Wohlverstanden: jeder Verband bleibt im Grundsatz unabhängig. Denn jeder Verband hat seine Geschichte und Entwicklung. Von einer Fusion kann also keine Rede sein.
Was wären denn die konkreten Vorteile dieser Dachorganisation namens SWISSHOGA? Auch da bringt es der Verbands- und Hospitality-Experte André Witschi auf den Punkt: mehr Power in Politik und bei Behörden (siehe Deutschland), ein gemeinsames «Sprachrohr» für die zentralen Anliegen und Interessen des Schweizer Gastgewerbes. Noch intensiveres und erfolgreicheres Lobbying, mehr Gewicht bei Wirtschaftsverbänden, Sozialpartnern, Medien usw.
Gewisse Verbandsbereiche und Verbandsaktivitäten würden zentralisiert. Diese übergreifenden Bereiche würden in der Dachorganisation, also in der SWISSHOGA, angesiedelt. Warum betreibt jeder Verband eine eigene politische Abteilung, einen Rechtsdienst, eine Klassifizierungsabteilung?
Neu wären unter dem Dach der SWISSHOGA die folgenden Bereiche (z.B.):
- Politische Abteilung inkl. Lobbying.
- Berufsbildung inkl. Fachschulen, Aus- und Weiterbildung.
- Sozialpartnerschaften.
- Nachhaltigkeit (Klima- und Energiepolitik).
- Klassifizierung von Hotels.
- Kommunikation und Verbandsmedien.
Was wären die Folgen für die einzelnen Verbände? Nur ein paar Beispiele:
HotellerieSuisse wäre für alle Belange und Bereiche der Schweizer Hotellerie zuständig. Beispiel Klassifizierung: In Zukunft würden Hotels nur noch von HotellerieSuisse klassifiziert. Ich gehe noch weiter: Hotels, die heute bei GastroSuisse angesiedelt sind, wären neu Mitglied bei HotellerieSuisse. GastroSuisse hingegen kümmert sich ausschliesslich um Themen und Bereiche der Gastronomie.
Oder die interne und externe Branchen-Kommunikation. Heute führt GastroSuisse einen eigenen Verlag und gibt u.a. das Branchenblatt «Gastrojournal» heraus. HotellerieSuisse unterhält ebenfalls einen Verbandsverlag, der u.a. die Hotel Revue (htr) herausgibt. Diese Verlage und Medien würden neu unter dem Dach der SWISSHOGA angesiedelt. Warum braucht die Branche drei oder vier Verbandspublikationen?
Beispiel Events: Der grosse Branchenanlass ist und bleibt der Hospitality Summit, wo alle Verbände unter dem Dach der SWISSHOGA als gleichberechtigte Partner auftreten. Organisator des Summit wäre neu die SWISSHOGA. Und der heutige Branchenanlass von GastroSuisse, der «Hotel Innovations Tag», würde in den Summit integriert.
Die hier skizzierte Zentralisierung unter dem Dach der SWISSHOGA würde zwangsläufig ein noch ungenutztes Synergiepotenzial offenlegen. Wissen und Know-how der einzelnen Verbände würde neu allen beteiligten Verbänden unter dem Dach der neuen «Holding» zur Verfügung stehen. Zentralisierung bzw. Konzentration der Kräfte, wie das so schön heisst, hätte zur Folge, dass die Verbände Kosten in Millionenhöhe sparen könnten.
Und wer führt bei der SWISSHOGA Regie? Wie sieht die künftige Verbandsführung aus? Das Beispiel DEHOGA zeigt, wie die Führungsebene auch in der Schweiz aussehen könnte. Es gibt einen Präsidenten, der die Dachorganisation repräsentiert, daneben hätte jeder Verband einen eigenen stv. Präsidenten. Alle Präsidenten zusammen bilden die neue strategische Dach-Verbandsleitung. Was die operative Ebene der einzelnen Verbände betrifft, würde sich nichts oder wenig ändern.
Dies ein paar Gedanken, Ideen und Skizzen zum Thema Branchenverbände und mögliche Kooperationen, die wesentlich weiter gehen als eine lockere Partnerschaft beim Hospitality Summit.
PS: Ich werde nächstens mal mit den Präsidenten der Verbände HotellerieSuisse und GastroSuisse Gespräche führen. Was sagen Martin von Moos und Beat Imhof zu solchen Überlegungen? Machbar oder «undenkbar»?
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter
Bildlegende Hauptfoto:
Links: Martin von Moos, Präsident HotellerieSuisse. Bild: HotellerieSuisse
Rechts: Beat Imhof, Präsident GastroSuisse. Bild: GastroSuisse