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Kommentar von Hans r. Amrein

Von Luxus und Milliardären im Schweizer Alpenraum

«Die Vergoldung der Alpen». Unter diesem Titel publizierte die NZZ am Sonntag vor einigen Tagen einen Report aus den Schweizer Bergen. Fazit: Immer mehr Milliardäre und andere reiche Personen bevölkern unsere Bergdestinationen, dort entstehen folglich immer mehr Luxushotels und luxuriöse Freizeitangebote für die Reichsten dieses Planeten. «Der Jetset entdeckt die Berge neu», so die sonntägliche NZZ, die sich mit der Story in die Niederungen des Boulevards begibt.

Laut NZZ am Sonntag würden «normale Hotels» in den Berggebieten von «Topadressen» verdrängt (Frage: Was ist eine Topadresse?). 2010 habe man in den Schweizer Bergen 253 Vier- und Fünfsternehotels gezählt, 2023 seien es bereits 304 gewesen. Dies habe der Verband Hotelleriesuisse im Auftrag der NZZ am Sonntag ermittelt. Und siehe da: 17 Millionen Logiernächte habe der eidgenössische Bergtourismus 2023 generiert. Das Besondere: 2010 habe man im Vier- und Fünfsterne-Segment 4.8 Mio. Übernachtungen gezählt, 2023 seien es bereits 6.2 Millionen gewesen. Kurz: Das Vier- und Fünfsterne-Segment scheint im Aufwind zu sein! Wer hätte das gedacht!

Grundtenor der NZZ am Sonntag: Schweizer Tourismusorte in den Bergen leben vor allem oder immer mehr von reichen Menschen, von Millionären und Milliardären – und dem so genannten Jetset. Und die Hotellerie im Alpenraum besteht fast nur noch aus teuren, exklusiven Luxushäusern, die sich «normale Menschen mit Durchschnittsgehalt» sowieso nicht leisten können.

Mit anderen Worten: Schweizer Bergdestinationen wie Zermatt, Grindelwald, Gstaad, St. Moritz oder Davos sind vor allem «Orte der Milliardäre». Und die NZZ am Sonntag fragt: «Wo bleiben die Schweizer Wintersportler»?

Hätte ich diesen «Report» in einem klassischen Boulevardblatt entdeckt, wäre alles klar: typisch überzeichnete, boulevardesk und etwas reisserisch aufgemachte Sonntagsgeschichte auf der Grundlage einer These, die der Journalist bestätigt haben will. Der Autor hat sich im Dschungel des Tourismus verirrt und gewisse Zahlen und Fakten durcheinandergebracht. Denn fast alle im erwähnten Report vorgebrachten Thesen wurden falsch oder in die falsche Richtung interpretiert.

Nur ein Beispiel: Der Autor spricht von Vier- und Fünfsternehotels und meint damit die Luxushotellerie. Fest steht: Viersterne-Hotels sind keine Luxushotels! Viersterne-Häuser zählen zum so genannten Midscale-Segment. Man könnte auch sagen: «Premium Midscale» oder «gehobene Mittelklasse». Von den rund 50 neuen Hotels, die im Zeitraum 2010 bis 2023 in den Schweizer Berggebieten eröffnet wurden, gehören etwa 40 dem Viersterne-Segment an. Von einer «Vergoldung der Alpen» kann keine Rede sein. Dass die Logiernächte von 4,8 Millionen (2020) auf 6.2 Millionen (2023) angestiegen ist, hängt primär mit der Eröffnung von neuen Vier- und Dreisterne-Hotels zusammen. Das Luxussegment spielt in diesem Zusammenhang eine zweitrangige Rolle, denn es wurden zwischen 2010 und 2020 nur gerade 18 wirklich neue Luxushotels eröffnet, wohlverstanden, in der ganzen Schweiz. Davon entfallen lediglich sieben Häuser aufs Berggebiet.

Die Luxushotellerie ist unbestritten ein Wachstumsmarkt (weltweit), aber nur gerade 2,2% der Hotels in der Schweiz sind Luxushäuser. Und eine weitere Tatsache: Selbst in so genannten «Luxus-Hotspots» wie Gstaad, Zermatt oder St. Moritz spielt die Luxushotellerie eine eher zweitrangige Rolle, wenn man das Gesamtbild der touristischen Wertschöpfung betrachtet. Nur etwa 8% der Übernachtungen in der Schweizer Hotellerie gehen aufs Konto «Luxus». Mit anderen Worten: Auch Luxus-Destinationen wie St. Moritz oder Gstaad leben zu über 80 Prozent vom normalen Skitouristen und Konsumenten – und dieser steigt in 3- oder 4-Sternehotels ab – oder mietet eine Ferienwohnung.

Dass «normale Hotels» in den Berggebieten von «Topadressen» verdrängt werden, wie die NZZ am Sonntag schreibt, trifft nicht zu. Wer die Finanzzahlen der Luxushotellerie kennt, weiss, dass die wenigsten 5-Sterne-Häuser im Alpenraum wirklich gute Renditen erzielen. Wer im Gastgewerbe Geld verdienen will, setzt aufs Budget- oder Economy-Segment – oder auf Service Apartments.

Und noch etwas: Dass Schweiz Tourismus vermehrt auch aufs Luxussegment setzt, liegt auf der Hand, denn der Luxusmarkt ist – wie gesagt – ein Wachstumsmarkt. Vor allem vermögende Amerikaner pilgern vermehrt nach Europa und damit auch in die Schweiz, wo sie vorwiegend in Vier- und Fünfsternehotels absteigen.

Fazit: Die These, der Schweizer Alpenraum werde immer mehr zum «Hort der Milliardäre» und die Luxushotellerie (5-Sterne-Hotels!) dominiere immer mehr die «normale Hotellerie», trifft in keiner Weise zu. Beispiel: Nur gerade 5% der Übernachtungen im Engadin fallen ins Kapitel «Luxus». Und selbst in St. Moritz, dem «Mekka der Milliardäre», liegt die Wertschöpfung des Luxussegments in der Hotellerie bei höchstens 15 bis 18 Prozent, wie man in entsprechenden Tourismusstudien nachlesen kann.

Will heissen: Keine Schweizer Bergdestination könnte überleben, würde sie ausschliesslich auf den Luxusmarkt setzen. Es sind immer noch die Meiers und Müllers aus dem Kanton Aargau, die Familien und Rentner aus Baselland, die dafür sorgen, dass Skilifte und Bergbahnen laufen und die Hotels volle Betten haben.

Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter

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