Kriege in Europa und im Nahen Osten, geopolitische Spannungen zwischen China, den USA und Europa, Handelskonflikte (Zölle), steigende Lebenshaltungskosten und ein Klimawandel, der kaum noch zu leugnen ist, zeichnen ein düsteres Bild in den Schlagzeilen. Die Welt ist in Aufruhr – politisch, gesellschaftlich wie auch wirtschaftlich. Und doch scheint das Reiseverhalten davon kaum berührt. Flughäfen sind voll, Hotels vielerorts ausgebucht und die Nachfrage nach Luxusreisen wächst sogar.
Es scheint, als habe die westliche Gesellschaft ein Ritual gefunden: den Normalzustand zu zelebrieren. Wir handeln so, als wären die letzten 30 bis 50 Jahre mit Sicherheit, Wohlstand und Reisefreiheit keine historische Ausnahme, sondern eine Selbstverständlichkeit gewesen. Ferien am Strand, Städtetrips und Fernreisen werden nicht infrage gestellt, als ob sich der Rest der Welt den eigenen Komfortgewohnheiten fügen müsse.

Natürlich ist diese Haltung verständlich. Wer reist, will abschalten und nicht über Zölle oder Kriege nachdenken. Doch die Verdrängung hat ihren Preis: Sie zeigt, wie sehr wir uns an Wohlstand und Mobilität gewöhnt haben. Und sie birgt die Gefahr, dass wir blind bleiben für die politischen und ökologischen Kosten dieser Freiheit. Die Frage ist nicht mehr, ob sich Krisen auf unser Leben auswirken, sondern wann und wie stark.
Hinzu kommt die Migrationsfrage: Während Millionen Menschen in ihrer Heimat keine Perspektive auf Sicherheit und Wohlstand haben und gezwungen sind, in andere Länder zu fliehen, diskutiert die westliche Welt vor allem über Quoten, Bürokratie und Kosten. Auf der einen Seite steht die grenzenlose Reiselust der Wohlhabenden, auf der anderen Seite stehen Menschen, die keine Wahl haben und von politischen Entscheidungen abhängig sind. Diese Kontraste könnten kaum größer sein – und doch werden sie im Alltag oft ausgeblendet.
Und dann ist da die Schweiz, die sprichwörtliche „Insel der Glückseligen”. Umgeben von Krisenherden und politischen Spannungen ist sie selbst kaum direkt oder nur am Rande betroffen (Ausnahme: Trumps Zoll-Willkür). Ein Land, in dem die meisten Menschen in Wohlstand leben, politische Stabilität genießen und vom Sonderstatus in Europa profitieren, obwohl die Schweiz ja nicht Mitglied der EU ist. Ist sie also ein Trittbrettfahrer, der von der Integration der anderen profitiert, ohne selbst Teil des Systems zu sein? Oder ist sie ein Vorbild, weil Kompromiss und Konsens hier politische Realität sind, während Europa und die Welt immer tiefer in Polarisierung und Blockaden versinken? Vielleicht beides. Sicher ist: Auch das Inseldasein der Schweiz ist nicht grenzenlos. Fragen nach Migration, Energieversorgung, globalen Lieferketten und Sicherheit machen längst auch vor dem «Heidiland» keinen Halt mehr. Der „Sonderfall Schweiz” könnte bald an seine Grenzen stoßen – oder sich als Modell für Resilienz erweisen.
Und trotzdem bleibt Hoffnung. Reisen ist mehr als Konsum. Es kann Brücken schlagen, Verständnis fördern und Kulturen verbinden. Vielleicht liegt genau hier der Schlüssel: dass wir unsere Mobilität nicht nur als Komfort genießen, sondern auch als Verantwortung begreifen. Reisen ja, aber bewusster. Investieren ja, aber nachhaltiger. Wohlstand leben ja, aber nicht so, als sei er ewig garantiert.
Die Illusion der Normalität im Alltag mag uns kurzfristig trösten. Doch nachhaltige Resilienz entsteht nur, wenn wir die Krisen anerkennen und trotzdem Wege finden, Gemeinschaft, Kultur und Begegnung zu feiern. Das Reisen wird bleiben, aber die Frage ist: Gestalten wir es so, dass es auch in den kommenden Jahrzehnten tragfähig bleibt?

PS: Während ich diesen Kommentar verfasse, geht mir – einmal mehr – der Gedanke durch den Kopf:Stellen wir uns eine Welt vor, in der Kriege nur noch in Geschichtsbüchern vorkommen, Wohlstand gesichert ist, das Klima stabil bleibt und die Menschen voller Zuversicht in die Zukunft blicken. Eine Welt, in der Kooperation den Ton angibt, Freihandel blüht und der neue Luxus in Ruhe, Raum und Individualität besteht. Schöne Vision, aber aufgrund der aktuellen Lage eher eine Utopie.
Da mir Visionen besser gefallen als Utopien, «spinnen» wir den Gedanken noch etwas weiter…
Also, es ist an der Zeit, die Welt neu zu denken – nicht im Modus der Angst, sondern der Zuversicht. Die Vorstellung, dass Kriege der Vergangenheit angehören, ist mehr als ein Traum: Sie ist ein mögliches Szenario, wenn wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Der Ukraine-Krieg ist vorbei, im Nahen Osten herrscht relative Ruhe. Die Großmächte Europa, China und die USA haben erkannt, dass Zusammenarbeit mehr bringt als Konfrontation. Freihandel, offene Märkte und gegenseitiger Respekt prägen das Miteinander. Zölle und Protektionismus sind Relikte, die niemand vermisst.
Die westliche Welt sichert ihren Wohlstand, nicht auf Kosten anderer, sondern im Zusammenspiel mit dem globalen Süden. Schwellenländer haben neue Perspektiven, Investitionen fließen, Bildung und Infrastruktur schaffen Grundlagen für eine stabile Entwicklung. Migration bleibt weitgehend aus, weil die Menschen in ihren Heimatregionen eine Zukunft sehen. Gleichzeitig bringt die nächste Generation neuen Schwung: Junge Menschen sind motiviert, kreativ und zuversichtlich. Sie arbeiten mit Sinn, genießen das Leben und gestalten die Welt aktiv mit.

Der neue Luxus heißt nicht Masse, sondern Qualität. Ruhe, Raum, Individualität und Privatsphäre sind die Werte einer Zeit, in der Overtourism der Vergangenheit angehört. Reisen bleibt ein Privileg, aber eines, das achtsam genutzt wird – mit Respekt für Natur, Kultur und Mitmenschen. Hotellerie und Tourismus haben sich darauf eingestellt und bieten Erlebnisse, die authentisch und einzigartig sind.
Künstliche Intelligenz spielt eine Schlüsselrolle in dieser neuen Welt. Sie entlastet uns von Routinearbeiten, eröffnet neue Freiräume für Kreativität und persönliche Entfaltung. Wir leben digital – aber gut. Die Balance zwischen Arbeit und Leben ist kein Schlagwort mehr, sondern gelebte Realität.
Die Zukunft ist nicht frei von Herausforderungen, aber sie ist geprägt von Lösungen. Es ist eine Welt, in der wir das Heft des Handelns selbst in der Hand haben – und es klug nutzen. Die Vision einer friedlichen, wohlhabenden und gerechten Welt ist kein ferner Traum. Sie beginnt genau dort, wo wir heute stehen – wenn wir bereit sind, sie zu gestalten. In diesem Sinne: Es lebe die Vision!
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter