Traumlage mitten in einem 4000 Quadratmeter grossen Park. 116 luxuriöse und einzigartige Zimmer und Suiten. Die teuerste Suite: 24 000 Euro pro Nacht. Top-Service, top-motiviertes Personal. Alles vom Feinsten. Vom US-Reisemagazin „Traveller“ wurde das Four Seasons Hotel in Florenz mehrfach zum „besten Stadthotel der Welt“ erkoren. Ich reise wieder einmal nach Florenz und will erneut wissen: Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses einzigartigen Luxushauses in Florenz?
Hotel Inside publizierte vor etwa vierzehn Tagen ein Video-Gespräch mit Martin Rhomberg, General Manager im Four Seasons Hotel des Bergues in Genf. Zudem gingen wir (theoretisch) der Frage nach: Was heisst Service Exzellenz bei Four Seasons? Was macht die perfekte Serviceleistung aus?
Antworten auf solche Fragen erhält man nur, wenn man in ein Hotel richtig eintaucht und dort mehrere Tage verbringt – als «anonymer Gast». Nur der General Manager kennt mich, alle anderen gehen davon aus, dass der Schweizer hier ein paar Tage Ferien verbringt – oder geschäftlich in Florenz zu tun hat…
Man setzt sich also in die Lobby, ins Restaurant, an die Bar, an den Pool im Park oder in den Empfangsbereich – und beobachtet das «Treiben» im Hotel. Zudem wird das Hotel von A bis Z gecheckt – mittels Checkliste, die etwa 450 Testkriterien umfasst.
Nun, die Luxushotelmarke Four Seasons steht für Luxus und Top-Service auf höchstem Niveau. Weltweit. Die 1961 von Isadore Sharp in Kanada gegründete Hotel Company betreibt derzeit um die 130 Hotels in 51 Ländern, darunter weltberühmte Häuser wie das Hotel George V in Paris. International gehört Four Seasons heute zweifellos zu den Top-Brands der Luxus-Hotellerie. Vergleichbar sind Peninsula, Mandarin Oriental, Rosewood, Aman Resorts oder Ritz-Carlton.
Was können Schweizer Hoteliers von Four Seasons lernen? Was machen die Four Seasons-Teams besonders gut? Es sind vor allem drei Dinge, welche das Erfolgsgeheimnis von Fours Seasons begründen:
- Die Mitarbeitenden. Sie sind, wie der Gründer der Hotelkette betont, das Kapital von Fours Seasons, nicht die Hotels (Hardware).
- Top-Service in jedem Hotelbereich. Man tut alles für den Kunden. Er soll sich „wie zu Hause“ fühlen. Dabei legt man Wert auf einen unkomplizierten, alles andere als formellen und steifen Service, wie er in vielen Grand Hotels nach wie vor zelebriert wird.
- „Wir verkaufen besondere Erlebnisse, Geschichten und Emotionen – und nicht Hotelübernachtungen“, sagt Isadore Sharp.
Erstes Fazit: Die Hardware (Gebäude, Architektur, Design) ist zwar wichtig und soll top sein, aber sie ist nicht der entscheidende Erfolgsfaktor. Zimmer und Suiten, die jeden Luxus bieten, setzt man heute in der High End-Hotellerie voraus. Auch Wellness, Fitness, Beauty und solche Dinge sind Standard. Ebenso eine Gastronomie auf hohem Niveau.
Willkommen im Four Seasons!
Ein warmer Sommertag Mitte Juli. Florenz, Borgo Pinti 99. Die schmale Gasse ist fünfzehn Gehminuten vom Dom entfernt. Wer vor der Hausnummer 99 vorfährt, glaubt nicht, dass sich hinter der alten, sanierten, aber eher schlichten Fassade eines der besten Stadthotels der Welt befindet. Da stehen keine arrogant blickenden Portiers und Bodyguards vor dem Eingang, sondern freundliche, lächelnde und hilfsbereite Menschen in diskreten Uniformen. Alles geht sehr rasch und unkompliziert: Gepäck ausladen, Autoschlüssel abgeben. „Willkommen im Fours Seasons! Schön, dass Sie unser Gast sind.“
Der Chefportier begleitet mich zur Rezeption – durch die grosse Halle (Innenhof). Wow, welch ein Anblick! Die bunten Fresken, Malereien und Mosaike aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Die Skulpturen und Wandgemälde, die Reliefs mit religiösen Motiven. Medici in jeder Ecke. Renaissance pur. Das soll ein Hotel sein? Es ist ein Museum! Doch man fühlt sich als Gast alles andere als in musealem Ambiente. Ankommen im Four Seasons Florenz ist in etwa so, wie wenn man gute Freunde oder Verwandte besucht. Sie wissen, dass du kommst. Sie erwarten dich. Sie freuen sich auf deine Ankunft.
Die vielen Details im Zimmer
Im Zimmer mit Sicht auf den Park. Vögel zwitschern, ein leichter Wind rauscht durch die Baumkronen, vor dem Palazzo plätschert der Brunnen. Verkehrslärm? Hupende Autos? Nichts. Und man ist mitten in Florenz. Und erst die vielen Details im Zimmer: der edle Kugelschreiber, der Notizblock mit Lederumfassung, das TV-Programm im alten Lederetui, die Ersatz-Toilettenrolle im Seidenbeutel mit aufgestickter Inschrift, die Seifen und Duschmittel im Badezimmer – hergestellt vom ersten Kräuterparfüm- und Seifenhersteller Italiens (Lorenzo Villoresi Firenze, gegründet um 1612).
Alles edel, aber schlicht. Diskreter Luxus trotz wertvollem Mobiliar. Das ist die „Hardware“. Entscheidend aber ist ja die „Software“ (Mitarbeitende, Emotionen, Erlebnisse). Und da entwickeln die Serviceleute im Four Seasons so richtig Power. Vor allem dann, wenn der Gast ein besonderes Anliegen hat.
Der doppelte Espresso…
„Buonasera, Signor Amrein. Hatten Sie einen wunderschönen Tag in Florenz?“ Der Barmann freut sich echt, als wir uns in ein Sofa in der Atrium Bar setzen. „Sie wünschen wieder einen doppelten Espresso ohne Rahm und Zucker?“ „Ja, bitte sehr“. Der Barmann erinnert sich sofort, dass wir immer doppelten Espresso trinken. „Dazu vielleicht eine kleine Süssigkeit? Ein Stück hausgemachten Kuchen?“ „Nein, lieber etwas Obst, Himbeeren, Erdbeeren, Ananas…“ „Natürlich, machen wir sofort.“ Später fragen wir nach der Süddeutschen Zeitung. Der Kellner schaut nach. Pech gehabt. Die Süddeutsche ist weg, nur die «Frankfurter» liegt auf dem Pressetisch. „Können wir Ihnen in der Stadt eine Süddeutsche Zeitung besorgen?“ Und siehe da: 25 Minuten später ist die Zeitung da. Hintergrund: Ein Hotelangestellter fuhr zum Hauptbahnhof von Florenz und kaufte dort am Kiosk eine Süddeutsche Zeitung…
50 Spitzenweine offen…
Abends im Ristorante „Il Palagio“, draussen auf der Terrasse im Park. Es ist mild. Der Park wunderbar beleuchtet, das Serviceteam hoch motiviert. Die „Hardware“ (Gartenmobiliar, Besteck, Gläser, Servietten) wollen wir gar nicht erst erwähnen, sie ist tadellos. Und die Weinkarte? Ein Traum (über 400 Positionen). Das Besondere: Nicht weniger als 50 italienische Spitzenweine werden glasweise ausgeschenkt, darunter auch Kultnamen wie Sassicaia und Gaja. Und die Küche: mediterran, Schwerpunkt Fisch und Krustentiere, aber auch regional (sprich toskanisch). Keine Show auf dem Teller. Eine ehrliche, eher schlichte, aber sehr hochwertige Küche. Der Sommelier steht am Tisch. „Was kann ich Ihnen denn anbieten?“ „Wir mögen spezielle Rotweine. Natürlich Italien, aber keine prominenten Namen.“ Der Mann nickt mit der Bemerkung: „Da habe ich vielleicht was für Sie!“ Wenige Minuten später steht er mit einer Flasche Spätburgunder da. „Der Wein kommt aus Sizilien, ein Pinot Noir, 2007, der Rebberg liegt direkt unter dem Vulkan Ätna.“ Routiniert öffnet er die Flasche und schenkt ein. Was für eine Aromatik!
Eine Suite für 24 000 Euro?
Am andern Morgen, kurz nach 10 Uhr. Frühstück vor dem Palazzo. Feinstes Porzellan, Silberbesteck. Und Kellner, die in der Tat jeden Wunsch erfüllen. Wir hatten schon vor zwei Tagen frische Beeren bestellt. Und heute? „Natürlich bringen wir Ihnen wieder Beeren. Dazu vielleicht ein wenig Ananas? Wünschen Sie wieder Ihr Müesli?“ Klar, dass auch die Süddeutsche Zeitung auf dem Tisch liegt, extra für den Schweizer Gast organisiert.
Wir sprechen mit dem Marketingchef des Hotels – beim doppelten Espresso – über Gäste im Four Seasons. Wer steigt hier ab und bezahlt für ein Zimmer 1000 oder 10 000 Euro? Wer bucht die Royal Suite (ca. 400 Quadratmeter) für 24 500 Euro pro Nacht – ohne Frühstück?
Kürzlich weilte ein mexikanischer Milliardär im Hotel. Er bewohnte die Royal Suite für 24 000 Euro, sechs Tage lang. Beim Check-out meinte er zum General Manager: „So eine Suite habe ich noch nie gehabt. Grossartig! Und im Grund genommen viel zu billig. Sollten Sie die Preise nicht etwas anheben?“
Oder die Geschichte mit dem Freak (erzählt von einem Rezeptionisten). „Da stand eines Tages ein junger Mann an der Rezeption und erkundigte sich nach einem freien Zimmer. Er trug zerrissene Jeans, ein verwaschenes T-Shirt und Turnschuhe. Daneben seine Freundin. Sie fuhren mit einem Mietwagen vor (Marke Fiat-Punto). Ihr Gepäck bestand aus drei Stücken (zwei grosse Taschen, ein Rucksack). Er wollte unbedingt wissen, ob man hier auch eine Suite haben kann. So ganz nebenbei erwähnte der Rezeptionist die Royal Suite für (regulär) 24 500 Euro. „Die nehmen wir“, sagte der junge Mann und streckte dem etwas irritierten Hotelmitarbeiter seine Kreditkarte entgegen. Der junge Mann schien absolut seriös und finanziell potent zu sein. Am andern Tag tauchte er wieder an der Rezeption auf mit der Bemerkung: „Wir bleiben eine Woche hier. Die Suite gefällt uns gut.“ Fazit: 170 000 Euro Hotelspesen in sieben Tagen. Der junge Mann, so viel hat man herausgefunden, war Amerikaner aus Los Angeles. In der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen stand er ganz oben – mit einem Vermögen von 25 bis 30 Milliarden US-Dollar. Er war Online-Unternehmer. Sein soziales, digitales Portal ist weltberühmt. Fast jeder kennt ihn und nutzt seine Plattform, wo man „Freundschaften“ auf heutige Weise pflegt…
Aus Gründen der Diskretion verzichten wir hier auf die Nennung seines Namens. Denn Diskretion ist bei Four Seasons striktes Gebot.
Fazit
Was also können Schweizer (und auch andere) Hoteliers von Fours Seasons lernen?
„Möchten Sie wieder einen doppelten Espresso?“ Oder: „Dürfen wir Ihnen die Süddeutsche Zeitung besorgen?
“Kurz und gut: Das Erfolgsgeheimnis von Four Seasons sind – übrigens keine neue Erkenntnis! – die Mitarbeitenden. Und die vielen, kleinen Details und Aufmerksamkeiten, die dazu führen, dass sich der Gast eben „wie zu Hause“ fühlt. Isadore Sharp sagt: «Der Gast hat Bedürfnisse und Wünsche. Wir versuchen, diese Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen, bevor sie der Gast selbst erkennt.»
Was Four Seasons für die Mitarbeitenden tut
Isadore Sharp sagt weiter: „Unser Kapital sind nicht die Hotels, sondern die Menschen, die für uns arbeiten. Wir haben bei der Personalwahl bestimmte Kriterien und wählen unsere Leute nicht nur nach deren Fachkenntnissen aus, sondern vor allem nach charakterlichen Eigenschaften. Unsere Mitarbeiter müssen extrem serviceorientiert sein und viel Freude am Kontakt mit Kunden haben. Denn der wahre Luxus für unsere Kunden ist der Service, den wir in unseren Hotels bieten. Nicht jedes Hotel ist gleich schön, aber der Service soll immer top sein.»
Zum Personalbüro (HR) gehört bei Four Seasons auch ein Trainingsmanager, der spezielle, von Four Seasons entwickelte Kurse gibt. Four Seasons bietet aber auch Online-Kurse an, die jeder Mitarbeitende selbst auswählen kann. Zudem gibt es Kurse von spezialisierten Firmen, so zum Beispiel im Verkauf. Im Bereich F&B übernehmen auch Lieferanten die Aufgabe, die Hotel-Teams zu schulen. Zum Beispiel Weinproduzenten. Und noch etwas: Die Mitarbeitenden in Florenz besuchen Geschichtskurse, so dass sie die wichtigsten historischen Gebäude der Stadt, die Kunst und Kultur von Florenz kennenlernen. Das vermittelte Wissen geht weit über den Hotelbetrieb hinaus.
Kadermitarbeiter von Four Seasons nehmen regelmässig an internationalen Kursen und Trainings der Gruppe teil. Schwerpunkte sind zum Beispiel Psychologie und Team-Management. Man zeigt den Leuten, wie man Mitarbeitende fördert und motiviert, um das Beste aus ihnen herauszuholen.
Wer als Hotelier heute erfolgreich sein will, muss die „weichen Faktoren“ vermehrt betonen, also Dinge wie Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Emotionalität, persönlicher Service. Das Team in Florenz, zum Beispiel, zeigt eindrucksvoll, wie solche Dinge im Alltag wirkungsvoll umgesetzt werden können.
Trotzdem dürfen die Mitarbeitenden auch Fehler machen. Denn aus Fehlern kann man eine Menge lernen. Wenn sich ein Gast beschwert, müssen das möglichst viele oder alle Mitarbeitenden wissen. „Dann können wir gemeinsam im Team Lösungen erarbeiten. Es geht jetzt darum, den Gast positiv zu beeindrucken“, so der Marketingchef.
Four Seasons bezahlt gute Löhne, die über dem Durchschnitt der Löhne am jeweiligen Ort sind. Zudem profitieren die Mitarbeitenden von zahlreichen „Benefits“, so erhalten sie zum Beispiel Gratisübernachtungen in anderen Four Seasons Hotels. Und das weltweit.
«Wenn immer möglich, engagieren wir interne Leute aus der Four Seasons-Gruppe. Es gibt eine interne, weltweite Datenbank, wo mögliche Kandidaten registriert sind. Auf diese Daten können wir jederzeit zurückgreifen, wenn wir Leute suchen», so der Marketingchef in Florenz.
Mehr als die Hälfte des Concierge-Teams in Florenz hat vorher nicht als Concierge gearbeitet. Man engagiert bewusst Leute, die als Stadtführer oder Taxi-Chauffeur gearbeitet haben. Vorteil: Die unterschiedlichen Teammitglieder können sich gegenseitig unterstützen und schulen. Der Stadtführer erklärte seinen Kollegen die historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt, der Concierge aus Buenos Aires vermittelte dem Team die Philosophie von Four Seasons…
«Der Palazzo aus dem 15. Jahrhundert, die Kunstgegenstände, die Zimmer und Suiten, der riesige Park, der moderne Spa mit Aussenpool mitten in Florenz, der Botanische Garten – diese Hardware ist in der Tat einmalig. Aber glauben Sie mir, wir verkaufen vor allem Erlebnisse und Emotionen – und nicht die Hardware. Viele denken: Ist ja kein Problem, ein solch luxuriöses Haus an bester Lage mitten in Florenz zu verkaufen. Natürlich ist das Haus sehr speziell und luxuriös! Aber am Ende entscheidet nicht die Hardware, ob der Gast glücklich ist und später wieder im Four Seasons absteigt. Deshalb verkaufen wir einmalige, besondere Erlebnisse und eben nicht primär Logiernächte», so der Marketingchef.
«Kommentare und Online-Bewertungen von Gästen, positive und negative, werden in unserem „Glitch System“ registriert und dann an alle Mitarbeitenden weitergegeben. Denn es geht uns darum, immer noch besser zu werden und aus negativer Kritik zu lernen. Nur ein Beispiel: Im Restaurant beschwert sich ein Gast über zu salzige Teigwaren. Diese Kritik wird intern sofort registriert und an alle Mitarbeitenden weitergeleitet. Geht der Gast am andern Tag zum Pool, spricht ihn die Spa-Mitarbeiterin darauf an und entschuldigt sich nochmals in aller Form. Sie bietet ihm eine vom Haus offerierte Massage an. Der Gast ist nun überrascht und wertet das negative Erlebnis des Vorabends positiv», so der Marketingchef im Four Seasons Florenz.
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter