Schon wieder schreibt er über Luxus und Hotellerie, werden einige denken. Dabei sind über 90 Prozent der Schweizer Hotels im 3- und 4-Sternesegment angesiedelt. Das ich korrekt: Die privat geführten Einzelhotels im Premium- und Midscale-Bereich dominieren ganz klar den Schweizer Hotelmarkt, wenn man nach Statistik und Zahlen geht. Zwar gewinnt auch in der Schweiz die Markenhotellerie laufend Marktanteile, aber noch beherrscht die KMU-Hotellerie das schweizerische Beherbergungsgewerbe. Das Luxussegment (5-Sterne-Hotels) kommt mit etwas über 100 Häusern auf einen Marktanteil von gerade mal 2,5 Prozent.
Warum also widmen sich Journalisten, Hoteltester und Rankings am liebsten der Luxushotellerie? Warum sorgen Häuser wie Badrutt’s Palace, The Alpina Gstaad oder The Dolder Grand laufend für Schlagzeilen und Geschichten in den Medien – und nicht das «Rössli» in Langnau oder der «Bären» im Thurgau?
Meine These: Luxushotels sind «Leuchttürme» – aufgrund ihrer einzigartigen Positionierung und der aussergewöhnlichen Serviceleistungen.Sie strahlen deshalb weit über die Grenzen hinaus und repräsentieren seit dem 19. Jahrhundert die Schweizer Hotellerie. Fast alle Innovationen im Gastgewerbe gingen von den Luxushotels aus. Noch heute geben Luxushäuser weitgehend den Ton an, wenn es um Standards, Servicequalität, Design und Geschichte geht.
Abgesehen davon ist das Luxussegment einer der stärksten Wachstumsmärkte – neben Economy und Service Apartments. Und jeder Hotelexperte weiss: Es sind die Luxushäuser, welche die Preisentwicklung einer Destination weitgehend bestimmen – der Ratendruck kommt von oben – und nicht von der Budgethotellerie.
Und noch eine Erkenntnis (Zitat Accor-Chef Sébastien Bazin): «Was für Luxusreisende gilt, gilt weitgehend auch für Midscale- und Economy-Gäste. Wir alle können vom Luxussegment eine Menge lernen, gerade jetzt, wo Luxus im Tourismus neu definiert wird.» Recht hat er, der Monsieur Bazin aus Paris (vgl. Inside-Interview vom 30. April 2025).
Tourismusexperten der Cornell University (USA) zeigen jetzt in einer neuen Studie auf, was unter «neuem Luxus» und aussergewöhnlichem Service in Hotels zu verstehen ist. Zwischenbemerkung: Warum sollen die Erkenntnisse der Luxusexperten nicht auch für privat geführte Einzelhotels im 3- oder 4-Sternesegment gelten?
Es geht beim «neuen Luxus» nicht mehr um Exzess und den Fokus auf materielle Dinge, sondern um Einfachheit, Authentizität und Relevanz. Die neuen Luxusgäste suchen nicht mehr nach endlosen Auswahlmöglichkeiten oder übertriebenem Service. Sie wünschen sich nahtlose, intuitive Erlebnisse und sind bereit, dafür zu zahlen. Wie sagt der Hotelier Dietmar Müller-Elmau (Schloss Elmau): «Luxus ist Verzicht. Ich weiss, dass ich mir jederzeit einen Ferrari oder eine Rolex leisten könnte, aber ich verzichte bewusst darauf, denn ich brauche solche Stratussymbole nicht, um glücklich und zufrieden zu sein.»
Beim neuen Luxus geht es, so die Cornell-Studie, nicht darum, immer mehr anzubieten. Es geht darum, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit anzubieten. Der Gast erwartet nicht zehn verschiedene Food & Beverage-Outlets, sondern ein oder zwei einzigartige Restaurants, wo ihm ein besonderes Erlebnis geboten wird. Nicht Grösse ist entscheidend, sondern Exklusivität und Individualität. Wer als Hotelier vor zwanzig Jahren eine Wellnessoase auf 8000 oder gar 10 000 Quadratmetern bieten konnte, galt als innovativ und fortschrittlich. «Personalisierung ist wichtiger als endlose Optionen», so die Cornell-Studie.
Hotels, die in Schlüsselmomenten besondere Erlebnisse bieten, steigern sowohl die Gästezufriedenheit als auch den (zusätzlichen) Umsatz. «Ein gut getimtes Premiumangebot, ob bei der Buchung, beim Check-in oder während des Aufenthalts, schafft einen Mehrwert, ohne die Gäste zu überfordern», so die Experten aus Cornell.
Weitere Erkenntnisse: Wohlhabende Reisende erwarten Privatsphäre als Teil ihres Erlebnisses. Beim neuen Luxus geht es nicht darum, gesehen zu werden. Es geht darum, den Raum zu haben, um zu entschleunigen, sich in seinem eigenen Tempo zu bewegen und sich vollkommen wohlzufühlen. Eine Erfahrung, bei der sich alles mühelos anfühlt – keine Menschenmassen, kein Warten, keine Unterbrechungen, keine Einschränkungen (z.B. Frühstück nur bis 10 Uhr).
Luxusgäste sind bereit, sehr viel Geld für besondere Erlebnisse auszugeben. Sie buchen gerne Suiten, wenn sie dort ihre Privacy haben. Sie wünschen sich bevorzugte Sitzplätze am Pool oder privates Essen abseits der öffentlichen Restaurants. Solche Dinge erhöhen das Gästeerlebnis und steigern den Umsatz. «Das Anbieten von Optionen, die auf Privatsphäre abzielen, erfordert keine neuen Investitionen, sondern lediglich einen strategischen Ansatz für bestehende Angebote. Service sollte vorausschauend sein, nicht reaktiv», so die Luxusexperten aus Cornell.
Der beste Luxusservice fühlt sich also mühelos oder ungezwungen an. Die Gäste erwarten, dass ihre Bedürfnisse ohne zusätzlichen Aufwand erfüllt werden. Wenn sich ein Gast für einen späten Check-out entschieden hat, sollte dies problemlos ermöglicht und bestätigt werden. Anfragen für ein frühes Einchecken bieten die Möglichkeit, diese Option bereits vor der Ankunft anzubieten.
Für Luxusreisende mögen Punkte aus Gästebindungsprogrammen und Rabatte kurzfristige Vorteile bieten, aber Loyalität entsteht, wenn man sich wirklich anerkannt fühlt, wenn man als Individuum wahrgenommen wird. Aufmerksamkeit, lautet das Zauberwort!
«Hotels, die Personalisierung, Privatsphäre und ungezwungenen Service in den Vordergrund stellen, erhöhen nicht nur die Zufriedenheit ihrer Gäste», so die Cornell-Studie, «sondern steigern gleichzeitig den Umsatz. Zudem schaffen sie loyale Stammgäste.»
FAZIT: Luxusreisende suchen eher nach Relevanz, Einfachheit und Anerkennung als nach Überfluss. Hotels, die auf diese Erkenntnisse reagieren, können die Loyalität vertiefen und neue Werte schaffen.
So viel (einmal mehr) zum Thema Luxus.
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter