hotel inside tag

Newsletter

Werden auch Sie ein Insider!

Folgen Sie uns

Kommentar von Hans r. Amrein

Die Hoteliers von Grindelwald leben im «Paradies», aber…

Grindelwald im Berner Oberland: Jungfrau-Bahnen, Massentourismus aufs Jungfraujoch, Eigernordwand, Mekka der Asiaten, viele Hotels mit Investitionsbedarf. Alles etwas konservativ und verstaubt. So in etwa lauten die Vorurteile, wenn in Zürich oder Bern von Grindelwald die Rede ist. 

Ich weilte vergangene Woche im Gletscherdorf. So nennt man Grindelwald, auch wenn der Gletscher immer mehr schmilzt und im Tal unten grösstenteils kaum mehr zu erkennen ist. Also, ich besuchte in Grindelwald mehrere Hoteliers, führte Gespräche, drehte Videos, auch mit Bruno Hauswirth, dem Tourismuschef des Ortes. Warum Grindelwald? Warum nicht Zermatt oder Davos?

Die Antwort liegt auf der Hand: Grindelwald ist aktuell der erfolgreichste Tourismus-Hotspot der Alpen. Seit Mai dieses Jahres boomt das Geschäft mit den «Fremden» (sprich Touristen). Rekord reiht sich an Rekord. Durchschnittliche Auslastung im Juli und August: 97 Prozent. Und das Preisniveau in den Hotels von Grindelwald: 20 bis 40 Prozent über den «Normalpreisen». Die Hotels von Grindelwald sind seit Monaten voll – die Kassen klingeln, die Hoteliers erleben gerade das «Paradies» auf Erden. «So einen Boom hat es in der Geschichte des Grindelwalder Tourismus noch nie gegeben», schwärmt Bruno Hauswirth. Damit nicht genug: Bei der durchschnittlichen Bettenbelegung liegt Grindelwald derzeit an der Spitze – vor Zermatt, St. Moritz oder Davos. 

Ja, ich musste gewisse Vorurteile (Massentourismus = Quantität statt Qualität), die ich gegenüber Grindelwald und der Jungfrau-Region hatte, ablegen. Man setzt in Grindelwald sehr wohl auf Qualität und Nachhaltigkeit, musste ich zur Kenntnis nehmen.

Ich war überrascht, als ich meine Gespräche mit den Hoteliers führte. Da sind kreative, engagierte und weitsichtige Gastgeber am Werk. Natürlich gibt es auch in Grindelwald «schwarze Schafe», Hotels, welche die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben, unter einem Investitionsstau leiden, Zimmer wie vor fünfzig Jahren verkaufen und deshalb nicht mehr marktfähig sind. Solche Betriebe müsste man schliessen. Doch in Boom-Zeiten füllen auch die nicht mehr Markt- oder Wettbewerbsfähigen ihre Zimmer. Bei so hoher Nachfrage lassen sich selbst Besenkammern zum Höchsttarif vermarkten.

Sprechen wir lieber von den Erfolgreichen und Innovativen! Sie leben und prägen das, was man «qualitativ nachhaltigen Tourismus» nennt. Auf der einen Seite sind da die Hotelpioniere, die auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückschauen. Zum Beispiel Otto Hauser, Inhaber des 5-Sterne-Romantik-Hotels Schweizerhof, ein Haus mit langer Geschichte (1892 eröffnet), seit 1963 im Besitz der Familie Hauser. Otto Hauser, der aktuelle Inhaber, hat nicht nur eine spannende Biografie, er ist auch einer der grossen Hotelinvestoren in Grindelwald. Nach vielen Umbauten und Sanierungen im Schweizerhof, realisierte er ab 2007 das Projekt «Swiss Alp Resort», bestehend aus mehreren Residenzen und Chalets. Und jetzt plant Hauser in der Nähe des Bahnhofs ein neues Hotel.  Investitionssumme: 50 Mio. Franken. 

Auffallend in Grindelwald: Die meisten Hotels sind seit Generationen im Familienbesitz – und die Familien spielen nach wie vor eine aktive Rolle als Gastgeber. Nur ein paar Beispiele: Die Familie Stettler im Parkhotel Schönegg. Anja und Thomas Stettler haben das Haus in der 4. Generation mit grossem Erfolg und grosser Leidenschaft geführt und weiterentwickelt. Jetzt kommt mit Sven Stettler die 5. Generation ins traditionsreiche Parkhotel. Oder die Familie von Urs B. Hauser (Belvedere Hotel). Das «Swiss Quality Hotel» (4 Sterne-Superior) ist seit 1904 in Familienbesitz und hat eine lange, spannende Geschichte. Jetzt übernimmt die 4. Generation mit Philip und Carole Hauser

Geschichtsträchtig ist auch das Hotel Eiger. Zwischen 1890 und 1900 wurde es gebaut, 1962 hat es die Familie Heller-Märkle erworben, und seit 1999 führen Gisela und Daniel Heller das 4-Sterne-Haus, das seit wenigen Wochen «Eiger Mountain & Soul Resort» heisst. Die Hellers haben sich in der Schweiz als «Selfness-Pioniere» einen Namen gemacht. Eine lange Tradition hat auch das Hotel Kirchbühl der Familie Brawand. Um 1900 wurde es eröffnet und wird heute in der 4. Generation von Vera und Christian Brawand geführt – mit grossem Erfolg. Die Brawands investieren laufend viel Geld in ihr Chalet-Hotel – und sie führen es mit Weitsicht und viel Herzblut.

Tradition und Geschichte ist das eine, doch jetzt sorgen auch neuartige und trendige Hotelprodukte für frischen «Aufwind» in der Grindelwalder Hotellerie. Das jüngste «Produkt» heisst «Bergwelt». Es ist ein urbanes, alpines Lifestyle- und Design-Resort, betrieben von der Swiss Design Collection AG aus Bern. Mit der «Bergwelt» ist jetzt auch Grindelwald in der modernen Welt der trendigen Lifestylehotels angekommen

Kennen Sie Jan Pyott, Hotelier im «Glacier»? Ich kann Ihnen sagen: ein spannender Mensch! Er war Profisportler, einer der besten Triathleten der Welt – und liess sich nach seiner Sportkarriere auf das Abenteuer Hotellerie ein. 2017 kauften Jan und Justine Pyott das Hotel & Restaurant Glacier und bauten es komplett um. Das 1864 erbaute Haus gilt als eines der ältesten Hotels in Grindelwald.  Doch Jan und Justine Pyott setzen nicht auf Geschichte und Tradition, sondern auf Fine-Dining, Design und Wein. Daneben ist Jan Pyott im Wohnungsbusiness aktiv. Mit Erfolg. 

Ein anderer Quereinsteiger in Grindelwald ist Stefan Grossniklaus, Gastgeber im Hotel Aspen. Auch das Aspen ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Von Grossniklaus 2007 gekauft, wurden allein für die erste Umbauphase 2012 rund 16 Mio. Franken investiert. Das «Aspen» liegt auf der grünen Wiese, abseits des Dorfes. 39 Zimmer und Suiten umfasst das Hotelangebot, dazu kommen Restaurant, Bar, Lounge und Spa. 60 Prozent der Wertschöpfung erzielt Grossniklaus in den Sommermonaten, sein Hotel ist an 320 Tagen im Jahr geöffnet. Seit fünf Jahren ist er Präsident von HotellerieSuisse Berner Oberland. Und seit Juni 2023 führt er als Präsident die Jungfrau Region Tourismus AG. Zu diesem Verbund gehören die Tourismusorte Grindelwald, Mürren, Wengen, Lauterbrunnen und das Haslital.

Sie sehen, liebe Hotelinsiderinnen und Hotelinsider, Grindelwald ist nicht nur einer der erfolgreichsten Tourismusorte der Schweiz und weltweit, sondern verfügt auch über eine leistungsfähige Hotellerie, die sich laufend an neue Märkte und Gästebedürfnisse anpasst. Natürlich sind die Jungfrau-Bahnen der grosse Treiber in der Region. Ohne Urs Kessler und «seine» Bahn läuft fast nichts, wenn es um touristische Innovationen im Gletscherdorf geht.

Und wie sieht die nahe Hotelzukunft aus in Grindelwald? Nach jahrelangem «Stillstand» kommt jetzt dann endlich Leben in die alten Mauern des Grand Hotel Regina. Die beiden St. Galler Immobilienunternehmer Remo und Philipp Bienz (Fortimo AG) haben das Regina-Areal für 18,5 Mio. Franken ersteigert. Auf dem Gelände entstehen bis 2027 drei Hospitality-Produkte: ein Luxushaus mit 90 Zimmern und Suiten (Regina), ein New Generation-Hotel (Revier) mit 107 Zimmern und ein Chalet-Resort nach dem Vorbild von Priva Alpine mit 43 Appartements. Rund 800 neue Betten entstehen da! Und was sagen die Einheimischen? Sie sind zufrieden mit dem Projekt, denn endlich verschwindet die «Hotelruine» am Dorfeingang…

Auch die Jungfrau-Bahnen haben ein Hotelprojekt in der Pipeline. In Grindelwald-Grund, da wo der grosse Terminal der V-Bahn steht, soll ein 400-Bettenhotel (250 Zimmer) im 3- oder 4-Sternesegment entstehen. Projektentwickler und Investor ist die Baulink AG aus Davos, die bereits mehrere Hotelprojekte umgesetzt hat. Braucht denn Grindelwald weitere Hotelbetten?

Für Jungfrau-Bahnen-Chef Urs Kessler ist das keine Frage: «Der Erfolg der V-Bahn mit Eiger-Express und Terminal im Grund haben zu einer starken Belebung des Geschäfts geführt. Sie eignen sich natürlich ideal für ein Hotel mit Anschluss an den öffentlichen Verkehr», so Kessler. «Andererseits fehlen in Grindelwald Hotelbetten.» Eben erst von einer Werbereise aus Asien zurückgekehrt, musste Kessler feststellen, dass «wir sehr viele Gäste verlieren, weil es in ganz Grindelwald keine Hotelzimmerkontingente für die Reiseveranstalter gibt.»

Es tut sich also eine Menge im Gletscherdorf. Zwar schmilzt der Grindelwald-Gletscher langsam, aber sicher dahin, dafür wachsen Hotellerie und touristische Infrastruktur. Wachstum zu jedem Preis? «Auf keinen Fall», so Tourismus-Direktor Bruno Hauswirth, «auch Grindelwald hat Grenzen.»

zur Übersicht