Ich komme mit dem Taxi beim Fairmont Vier Jahreszeiten in Hamburg an. Das Luxushaus gilt als eines der besten Hotels in Deutschland, wenn nicht gar in Europa. Ein Grandhotel mit langer Geschichte – und an der Spitze des Hauses steht seit 26 Jahren ein Top-Hotelier (Ingo C. Peters), der fast alle Branchen-Awards (z.B. «Hotelier des Jahres 2014») gewonnen hat. 2022 feierte das Hotel sein 125-jähriges Jubiläum. Die mediale Beachtung war enorm: Alle deutschen Zeitungen, TV, Online- und Fachmedien feierten das «beste Luxushaus von ganz Deutschland» (Handelsblatt).
Ich bezahle die Fahrt mit dem Taxi per Kreditkarte – zum Glück, denn so vergehen mindestens 3 Minuten. Wo steckt denn der gute Portier oder «Wagenchef» des Hauses? Laut Leading-Check-Kriterien müsste er längst beim Taxi stehen und sich um das Gepäck der ankommenden Gäste kümmern. Doch von «Wagenmeister» oder Portier keine Spur…
Erst etwa 2 Minuten später entdeckt ein Portier das stehende Taxi und die aussteigenden Gäste. Er eilt herbei und befördert das Gepäck sachgemäss in einen Gepäckraum im Hotel, dann händigt er mir den Gepäckzettel aus mit den Worten: «Nach der Drehtüre oben rechts in der Lobby finden Sie dann die Rezeption. Guten Aufenthalt…». Der Portier lässt uns stehen und hofft, dass wir die Rezeption finden…
Glück gehabt! Wir finden den Front Desk mit den vielen Zimmerschlüsseln an der Rückwand. Und es beginnt der Check-in-Prozess – und zwar so, wie er auch bei Novotel, Hilton, Sheraton, Marriott oder Radisson abläuft: Meldezettel ergänzen, Kreditkarte, Ausweis und Hinweise zu Internet, Frühstück, Restaurants usw. Von «Welcome Drink» und «Erfrischungstuch» keine Spur. Dass der Gast vielleicht lieber sitzend einchecken möchte (auf den nahen Sofas der Lobby) – diese Frage stellt sich hier nicht, auch wenn immer mehr Luxushäuser dieser Welt Check-in-Prozesse in die Lobby oder gar in die Suite verlagern. Der einzige Unterschied zu Radisson & Co.: Ein junger, sehr freundlicher Rezeptionist zeigt uns das Haus: Restaurants, Bar, Lounge usw. Man muss sagen: Der junge Mann ist gut informiert und kennt das Hotel, er wirkt charmant und selbstbewusst. Und jetzt, nach der Kurzführung durchs Haus?
Jetzt wünscht uns der freundliche Rezeptionist einen «wunderschönen Aufenthalt im Vier Jahreszeiten. Geniessen Sie es». Und wo befindet sich unser Zimmer? Der junge Mann: «Sie nehmen am besten den Fahrstuhl.» Leading-Kriterium: Der Gast wird aufs Zimmer oder in die Suite begleitet, dabei erklärt man ihm die Besonderheiten des Hauses. Ausnahme: Stammgäste, die regemässig im Hotel absteigen und jeden Winkel des Gebäudes kennen.
Wir fahren also mit dem «Lift» in den 4. Stock und suchen unser Zimmer. Glück gehabt! Wir finden es. Und jetzt, nach Öffnung der Zimmertür, sollte eigentlich der berühmte Wow-Effekt eintreten: «Wow, was für ein grossartiges Zimmer!» Der Wow-Effekt bleibt aus. Immerhin bewohnen wir jetzt ein Deluxe-Doppelzimmer der gehobenen Preisklasse, aber punkto Ausstattung und Komfort unterscheidet sich der Raum nicht wesentlich von einem amerikanischen Luxuskettenhotel. Die Aussicht? In den Innenhof. Vorteil: man schläft bei offenem Fenster ruhig und tief. Die Kaffeemaschine: Nespresso, so wie zu Hause oder im Büro. Der Schlafkomfort: hervorragend, beste Matratzen und feinste Bettwäsche. So muss es auch sein in einem Luxushaus dieser Kategorie. Champagner und Schokolade auf dem Salontisch? Wir suchen vergebens nach Süssigkeiten und edlem Alkohol…
Etwa 15 Minuten später in der Lobby. Wir suchen den Concierge. Über der kleinen «Kabine» in der Hotelhalle steht in schöner Schrift «Concierge». Doch in der «Kabine» steht kein Mensch. Wir fragen nach: Wo, bitte sehr, befindet sich der Concierge? Später stellt sich heraus: Der Concierge ist krank, und sein Stellevertreter weilt im Urlaub. Fazit: Im «besten Luxushaus von ganz Deutschland» existiert derzeit kein Concierge. Auch am dritten Tag unseres Aufenthaltes war kein Concierge zu entdecken. Viele Luxushoteliers sind sich einig: Der Concierge ist so etwas wie die «Seele des Hauses». Also fehlt im Vier Jahreszeiten Hamburg derzeit die «Seele»…
Am Abend essen wir im «neuen Grill» des Hauses. Service: aufmerksam, herzlich, perfekt. Die Speisen: wunderbar. Der Wein (aus dem Badischen): eine Rarität und erst noch eine Überraschung (Empfehlung des Chefs). So muss es sein! Das nennt man Service Exzellenz.
Am andern Morgen. Frühstück nach 9 Uhr. Auch da: Nur das Beste wird den Gästen serviert. Ein fantastisches Frühstücksbuffet. Beste Qualität. Bester Service. Herzliche und überaus motivierte junge, sympathische Kellnerinnen betreuen die Gäste. Jeder Wunsch wird erhört und erfüllt. Service Exzellenz pur.
Sie sehen, liebe Hotel-Insiderinnen und Insider, auch in einem der besten Luxushäuser Europas läuft nicht immer alles rund und perfekt ab. Wobei man all die oben erwähnten Dinge, Pannen und Fehler leicht beheben oder ändern könnte. Ich bin überzeugt, dass Ingo C. Peters, der Chef-Gastgeber des Hauses, sofort reagieren wird, wenn er solche Dinge zur Kenntnis nehmen muss. Der Mann ist ein Profi und weiss genau, was Luxusgäste erwarten und wie man Wow-Effekte erzielt.
Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter