Kommentar von Hans r. Amrein

Alter Luxus hat ausgedient – was viele Hoteliers nicht wahrhaben wollen

Ich sage es offen: Viele (auch renommierte) Luxushotels haben die Zeichen der Zeit schlicht verschlafen. Sie investieren Millionen in Marmor, Glasfassaden, Interior-Design, Spa-Infrastruktur und teure Architekturen – aber vergessen dabei das Wesentliche: den Gast.

Ich erlebe es immer wieder: Beim Check-in werde ich behandelt wie ein Vorgang oder Prozess, nicht wie ein Mensch. Formalistische Abläufe, Formulare, Ausweiskontrolle, Kreditkarte – alles konventionell, steif, einstudiert, fast schon bürokratisch. Da sitzt man also im „Fünf-Sterne-Haus“ und fühlt sich wie am Bankschalter. Und beim Frühstück geht es gleich weiter: „Ihre Zimmernummer bitte?“ – statt eines herzlichen „Guten Morgen, Herr XY“. Individualität? Fehlanzeige. Persönlichkeit? Nicht vorhanden.

Das Problem: Viele Hoteliers glauben immer noch, Luxus definiere sich über Dinge. Über die teuerste Lobby, das dickste Handtuch, die glitzernde Champagnerbar. Doch der (westliche) Gast von heute – und noch mehr der Gast von morgen – denkt anders. Die nächste Generation sucht keine Statussymbole, sondern Menschlichkeit. Sie sucht Ruhe statt Glamour, Authentizität statt Inszenierung, Herzlichkeit statt steifer Uniformen.

Luxus darf nicht mehr laut sein. Luxus ist leise. Er lebt im Detail, im Gefühl, im Erlebnis und später in der Erinnerung. Das kann ein Lächeln sein, das nicht aus dem Handbuch stammt. Der Name, den man kennt. Ein Check-in, der sich anfühlt wie ein Ankommen – nicht wie ein Verwaltungsvorgang. Es sind die scheinbar kleinen Dinge, die heute den Unterschied machen.

Und hier liegt der wunde Punkt: Wer weiterhin glaubt, dass teure Architektur oder noch ein «Stern» an der Hotelfassade den Gast zufriedenstellt, wird verlieren. Denn die Preise sind inzwischen astronomisch (siehe Zürich, Milano oder London). Und wenn ich schon tausende Franken oder Euro pro Nacht bezahle, dann erwarte ich mehr als nur schöne Wände. Ich erwarte ein Erlebnis, das mich berührt, das mich ernst nimmt – das mir zeigt: Hier bin ich nicht irgendeine Zimmernummer, hier bin ich ein Gast, ein Mensch.

Die Wahrheit ist unbequem: Viele Luxushotels verharren im alten Denken, weil es bequem ist. Aber die Welt draußen hat sich verändert. Und wer das nicht erkennt, wird bald ein leeres, wenn auch prunkvolles Haus führen.

Luxus ist heute Stille, Raum, Diskretion. Luxus ist, wenn ich das Gefühl habe, dass man mich kennt, versteht und respektiert. Und genau das wird in der Luxushotellerie noch viel zu selten gelebt.

Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter

Hotel Inside Definition: Alter Luxus vs. Neuer Luxus

Der alte Luxus in der Hotellerie war jahrzehntelang geprägt von Sichtbarkeit und Statussymbolen. Marmor in der Lobby, schwere Kronleuchter, goldene Armaturen, Champagnerbars und uniformierter Service galten als Inbegriff von Exklusivität. Luxus bedeutete Überfluss – und er sollte gesehen werden. Der Gast war Teil einer Inszenierung, aber oft nicht viel mehr als eine Zimmernummer in einem makellosen System.

Der neue, stille Luxus definiert sich völlig anders. Er ist diskret, menschlich und individuell. Im Mittelpunkt stehen Zeit, Ruhe und persönliche Begegnungen. Statt prunkvoller Kulissen zählen heute Atmosphäre, Authentizität und Service, der nicht standardisiert ist, sondern von echter Aufmerksamkeit lebt. Der stille Luxus ist weniger laut, weniger materiell – und zugleich wertvoller, weil er Emotionen schafft und dem Gast das Gefühl gibt, als Mensch wahrgenommen zu werden.

So zeigt sich der Wandel klar: Alter Luxus will beeindrucken, neuer Luxus will berühren.

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