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Sind die Hotel-Sterne ein Auslaufmodell?

Wie wichtig sind die Sterne-Klassifizierungen, so wie sie die Branchenverbände Hotelleriesuisse und Gastrosuisse in der Schweiz durchführen? Laut einer aktuellen Umfrage in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich (DACH-Raum) sind Online-Hotelbewertungen wichtiger als Sterne-Klassifizierungen. Hier die Hintergründe sowie eine Studie der Universität Bern zum Thema Hotel-Sterne…

Wenn es um die Buchung eines Hotelzimmers oder allgemein einer Unterkunft geht, verlassen sich Verbraucher besonders auf die Informationen, die ihnen online gegeben werden. Laut Statista gaben mehr als die Hälfte der europäischen Verbraucher an, dass sie sich bei der Buchung einer Unterkunft von Online-Kundenrezensionen und Online-Bewertungen beeinflussen lassen.

Nur ein Fünftel der Verbraucher sehen sich als unempfänglich für solche Rezensionen und Bewertungen. Zwei von fünf Verbrauchern betrachten auch Sternebewertungen als einen Einflussfaktor bei der Buchung von Hotelzimmern, während für etwa einen von drei Verbrauchern Sternebewertungen keine Rolle spielen.

Hotelbewertungen wichtiger als Sterne-Klassifizierung

10 Thesen zum Thema Hotel-Sterne

Die Berner Tourismus-Fachfrau Sarah Hämmerli hat an der Universität Bern eine Masterarbeit zur Hotel-Klassifikation verfasst. Hier 10 Thesen zu den Hotelsternen – und die Antworten der Autorin:

These 1

Im Zeitalter der Online-Bewertungen wissen Gäste genau, was sie von einem Hotel erwarten können. Diese Bewertungen ersetzen die Hotelklassifikation.
Dieser Aussage stimme ich nicht zu. Online-Bewertungen erfüllen einen grundlegend anderen Zweck als die Hotelklassifikation. Die Sterne dienen primär dazu, den Hotelmarkt für Gäste übersichtlicher zu gestalten, indem man ihn in Kategorien einteilt, die je für einen gewissen Standard stehen. Gäste können so auswählen, welches Segment ihnen am besten entspricht. Online-Bewertungen helfen erst in einem zweiten Schritt zu entscheiden, welches spezifische Hotel innerhalb einer Sterne-Kategorie die beste Wahl sein dürfte.

These 2

Innovative Geschäftsmodelle wie 25hours oder Airbnb funktionieren auch ohne Hotel-Sterne. Mit anderen Worten: Die Sterne braucht es nicht mehr.
Dieser Vergleich hinkt. Es stimmt zwar, dass Airbnb ausschliesslich mit Gästebewertungen und ohne einen Standard wie die Sterne auskommt. Ich würde aber behaupten, dass die Gäste von Airbnb-Unterkünften tendenziell auch andere Bedürfnisse und Reisemotive, als diejenigen der klassischen Hotellerie haben. Airbnb-Gäste sind vermutlich etwas «risikofreudiger», offen für vieles und haben eine weniger klare Erwartungshaltung. Ich sehe das bei mir selber. Wenn ich mich für Airbnb entscheide, lasse ich mich bewusst auf Überraschungen ein. Das heisst dann z.B. konkret, dass ich Shampoo und einen Haarföhn einpacke. Gehe ich in ein 3-Sterne-Hotel, erwarte ich, dass ich beides von der Packliste streichen kann und schätze das auch. Am Ende des Tages muss das Konzept einer Unterkunft für die anvisierte Gästegruppe stimmen – ob die Sterne dienlich sind oder nicht, hängt auch davon ab.

These 3

Online-Bewertungen sind glaubwürdiger als die Hotelklassifikation, weil sie diejenigen Informationen enthalten, die den Gast auch wirklich interessieren.
Die Hotelklassifikation hat sicher den Nachteil, dass die Festlegung von Kriterien unweigerlich zu einem starren und relativ unflexiblen System führt. Die dynamischen und unterschiedlichen Gästebedürfnisse können dadurch nie perfekt abgebildet werden. Der Informationsgehalt der Sterne ist aber auch ein andrer. Ich glaube kaum, dass Gäste im Detail wissen, welche Kriterien hinter den Sternen stehen. Sie können sich aber einen ungefähren Hotelstandard darunter vorstellen. Der Informationsgehalt von Online-Bewertungen ist eigentlich auch nur dann hoch, wenn der Bewertende ähnliche Bedürfnisse hat wie der Reisende, der die Bewertung liest.

These 4

Die wenigsten Gäste wissen, welche Kriterien eigentlich hinter der Klassifikation stecken. Die Sterne haben daher auch keinen Effekt auf ihre Erwartungen.
Das ist definitiv nicht so. Es ist erwiesen, dass die Hotelsterne einen sehr grossen Effekt auf die Gästeerwartungen haben. Entsprechend haben es Hotels mit höherer Klassifikation auch schwerer, ihre Gäste zu begeistern. Denn diese reisen schon mit einer ziemlich hohen Erwartungshaltung an. Zum Schluss, dass die Sterne ein starker Treiber der Gästeerwartungen sind, bin auch ich in meiner Studie gekommen.

These 5

Die wenigsten Gäste werden bei ihrer Hotelwahl von den Sternen beeinflusst. Die Qualität muss einfach stimmen.
Es ist sicher so, dass viele Gäste den Sternen bei der Hotelwahl nicht allzu grosse Beachtung schenken. Diese Erfahrung mache ich auch bei mir selbst. Es gibt aber durchaus Gäste, die eher risikoavers sind und es schätzen, wenn sie wissen, welchen grundlegenden Standard sie erwarten dürfen. Oft werden die Basisfaktoren wie das Vorhandensein einer gewissen Zimmerausstattung auch nicht in den Gästebewertungen erwähnt. Den grössten Mehrwert der Klassifikation sehe ich dabei im internationalen Umfeld. Wenn es um die Vergleichbarkeit der Hotelklassifikationssysteme geht, gibt es sicherlich noch einiges an Nachholbedarf.

These 6

Es kann gar nie einen objektiven Qualitätsstandard für die Hotellerie geben. Die Hotelklassifikation missachtet, dass jeder Gast individuelle Bedürfnisse hat und Qualität anders wahrnimmt.
Das ist eine berechtigte und ernst zu nehmende Kritik am System der Hotelklassifikation. Ich bin deshalb der Meinung, dass die Kriterien, die im Rahmen der Klassifikation erfüllt werden müssen, möglichst wenig in die Positionierung des Hotels eingreifen sollten. Hoteliers sollen aufgrund ihrer Gästeprofile unternehmerisch entscheiden können, welche Leistungen sie wie anbieten. Sie kennen ihre Gäste und deren spezifischen Bedürfnisse am besten. Es gibt aber dennoch viele Kriterien, wie beispielsweise ein kompetenter, freundlicher Service, den alle Gäste gleichermassen schätzen.

These 7

Die rund 300 infrastrukturorientierten Klassifikationskriterien sind nicht mehr zeitgemäss. Der moderne Gast bezahlt für ein aussergewöhnliches Erlebnis – nicht für eine Kofferablage, eine Minibar im Zimmer oder für eine 24 Stunden geöffnete Rezeption.
Ich stimme dieser Aussage zu 100 Prozent zu, dass Hotels über keines der Kriterien in der Hotelklassifikation einen Gast begeistern können. Dies sind fast alles Basiseigenschaften, welche die Hotels einfach erfüllen müssen. Aber: Wenn solche grundlegenden Kriterien nicht erfüllt sind – man denke z.B. an einen Kleiderschrank mit viel zu wenigen Bügeln oder den fehlenden Platz im Zimmer zum Verstauen des Koffers ­– sind Gäste sehr schnell unzufrieden.

These 8

Die Hotelklassifikation engt den unternehmerischen Freiraum des Hoteliers unnötig ein.
Ja, in gewissen Punkten ist dies tendenziell der Fall. Meine Studie legt beispielsweise nahe, dass das Vorhandensein von Zimmerservice-Leistungen inkl. Minibar oder die genauen Rezeptionsleistungen, unter anderem die Öffnungszeiten der Rezeption, auf die Gästezufriedenheit kaum einen Einfluss haben. Solche Kriterien könnten der unternehmerischen Freiheit zuliebe allenfalls gestrichen werden.

These 9

Wenn die Hotelsterne langfristig eine Zukunft haben wollen, muss das Klassifikationssystem überarbeitet werden.
Ja, ich denke es braucht eine gewisse Reduktion auf die wirklich wesentlichen Kriterien, die für alle Gäste unumstrittenen relevant sind. Diese haben dann auch eher internationale Gültigkeit. Der Markt ist durch die Online-Bewertungen transparenter geworden, aber nicht weniger unübersichtlich. Die Hotelklassifikation sollte dem Gast daher primär als Orientierung im komplexen Hotelmarkt dienen und weniger einen umfassenden Qualitätsstandard sicherstellen. Dann schränkt sie den Hotelier auch weniger ein. Weniger Kriterien lassen es auch eher zu, dass der Gast diese kennt und damit noch eine spezifischere Erwartungshaltung hat.

These 10

Je mehr Sterne ein Hotelier für sein Haus kriegen kann, umso besser.
Nein, das ist definitiv ein Irrglaube. Mit Sternen sollte man auf keinen Fall hochstapeln. Das hat meine Studie klar gezeigt: Hotels, die nur knapp in eine höhere Sternekategorie gerutscht sind, erhalten von Gästen schlechtere Bewertungen als ähnliche Hotels mit einem Stern weniger. Im Zweifelsfall sollten Hotels also lieber auf einen Stern weniger setzen. So können sie ihre Gäste mit tieferen Erwartungen positiv überraschen und am Ende des Tages ein besseres Ergebnis erzielen.

Fragen an Sarah Hämmerli

Was ist nun eigentlich das Hauptargument dafür, dass es die Sterne oder ein ähnliches Instrument noch braucht?
Das Angebot an verschiedenen Hoteldienstleistungen wird immer grösser und der Dschungel an Hotelbewertungen ebenfalls. Für den Gast ist es dienlich, die Sterne als Orientierungsinstrument zu haben. Sie helfen, den Markt mit einem eingängigen und einfach verständlichen System in verschiedene Kategorien einzuteilen, die für verschiedene Gästeansprüche stehen.

Worauf achten Sie bei der Buchung eines Hotels?
Für mich muss das Preis-Leistungsverhältnis stimmen. Meistens sind Lage und Sauberkeit die für mich wichtigsten Kriterien. Der Standard an sich ist für mich weniger zentral. Bei unserem letzten Kurztrip in der Schweiz hatten mein Partner und ich 3-Sterne-Häuser und Airbnb-Unterkünfte in der engeren Auswahl – alle großartig gelegen.

Kann man sagen, dass die Hotelklassifikation für junge Reisende keine Rolle mehr spielt, für ältere aber eher?
Eine Tendenz dafür gibt es vielleicht, vor allem bei der Hotelwahl. Junge Leute sind allenfalls offener, verschiedene Standards auszuprobieren und legen sich weniger auf einen fest. Trotzdem bin ich überzeugt, dass vor allem junge Leute es auch bewusst wahrnehmen und sich freuen, wenn sie sich ein Hotel im oberen Sternesegment leisten können. Sterne haben auch viel mit Prestige zu tun.

Was können die Sterne bieten, was die Online-Bewertungen nicht auch haben?
Sie haben den Anspruch auf eine gewisse Objektivität und Vergleichbarkeit, da Experten die Kriterien festlegen. Gästebewertungen können einem auch in die Irre führen, gerade weil Wahrnehmungen sehr individuell sind. Wenn der Bewertende andere Bedürfnisse hat als ich selber, kann ich aus der Bewertung kaum etwas für mich lernen. Zudem helfen Gästebewertungen nicht wirklich dabei, den Markt zu strukturieren resp. zu segmentieren.

Lohnt es sich heute noch, sich als Hotel klassifizieren zu lassen?
Meine Studie hat gezeigt, dass Hotels in der Tendenz aus Gästesicht besser abschneiden, je mehr Klassifikationskriterien sie erfüllen. Die Erfüllung der meisten Kriterien macht aus Sicht der Gäste also nach wie vor Sinn. Ob die Sterne dem Hotel im Einzelnen dienen, kommt aber auch auf die Positionierung des Hotels resp. seinen Gästemix mit den spezifischen Bedürfnissen an.

Werden Hotels, die bei den Audits von Hotelleriesuisse oder Gastrosuisse gut abschneiden, auch von Gästen gut beurteilt?
Ja, dies hat meine Studie im Schnitt gezeigt. Je mehr Punkte ein Hotel in der Klassifikation erfüllt, desto höher sind im Schnitt auch seine Trust-Scores und Ratings auf Booking.com. Und dies auch, wenn man gleichzeitig andere potenziell wichtige Eigenschaften berücksichtigt.

Sarah Hämmerli, Autorin der Masterarbeit zum Thema Hotel-Sterne.

Welche Kriterien aus der Klassifikation sind nach wie vor wichtig für Gäste, auf welche könnte verzichtet werden?
Ich konnte nicht einzelne Kriterien untersuchen, sondern habe sie in Kategorien zusammengefasst. Laut meiner Studie sind vor allem Kriterien in Bezug auf Basisleistungen wie die Ausstattung von Zimmer und Badezimmer, Schlafkomfort oder das Qualitätsmanagement im Allgemeinen (z.B. Qualitätslabels und Analyse von Gästebewertungen) wichtig. Kaum einen Effekt auf die Gästezufriedenheit scheinen demgegenüber Zusatzleistungen wie Zimmerservice inkl. Minibar, ein spezieller Housekeeping- und Wäscheservice oder umfassende Rezeptionsleistungen zu haben. Nicht alle Gäste scheinen darin einen Mehrwert zu sehen.

Wie liesse sich das Hotelklassifikationssystem konkret verbessern?
Durch Fokussierung auf Basiskriterien, die für eine überwältigende Mehrheit aller Gäste wichtig sind und welche die Gäste dafür auch kennen. Und gleichzeitig durch eine bessere internationale Vergleichbarkeit.

Sollten die Klassifikationssysteme international vereinheitlicht werden?
Auf jeden Fall. Die Sterne sind mittlerweile so bekannt, in den Köpfen verankert und werden auch international verstanden. Ein echter Mehrwert wäre da die internationale Vergleichbarkeit. Aktuell gibt es ja noch gewaltige Unterschiede zwischen zwei Häusern mit der gleichen Anzahl Sterne in unterschiedlichen Ländern, auch wenn schon erste Harmonisierungsbestrebungen gemacht wurden. Ich bin zudem auch der Überzeugung, dass es in der Schweiz nur ein System geben sollte. Ich sehe in zwei unterschiedlichen Systemen keinen Mehrwert, sondern nur Potenzial für Verwirrung. Wenn wir in der Schweiz und innerhalb übriger Länder noch keine Vereinheitlichung haben, warum sollte es dann auf internationalem Parkett klappen?

Hier die Original-Masterarbeit von Sarah Hämmerli herunterladen (pdf)

Hier die Kurzfassung zur Masterarbeit von Sarah Hämmerli herunterladen (pdf)

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