hotel inside tag

Newsletter

Werden auch Sie ein Insider!

Folgen Sie uns

Food & Beverage

Kommentar: Wenn der „kulinarische Leuchtturm“ einer Stadt verblasst…

Das Fine-Dining-Restaurant «Pavillon» (2 Sterne, 18 Punkte) im Luxushaus Baur au Lac in Zürich wird Ende Jahr vorübergehend geschlossen und komplett umgebaut. Die Inhaber-Familie Kracht und Christian von Rechenberg (General Manager) verzichten in Zukunft bewusst auf Sterne und Punkte, was die Gastronomiekritiker des «Gault & Millau» (Ringier Verlag) nur schwer nachvollziehen können. Warum diese Aufregung in Gastrokritikerkreisen?

Seit vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass der «Pavillon» im Baur au Lac Zürich geschlossen, umgebaut und mit einem neuen F&B-Konzept positioniert wird, herrscht Aufregung und sogar eine gewisse Empörung in der nationalen Gastrokritikerszene. «Es war Jahrzehnte der kulinarische Leuchtturm der Stadt», so der Gault & Millau aus dem Verlagshaus Ringier. «Sterne, Punkte und ein volles Haus» – und plötzlich zieht die Familie Kracht den Stecker, so der Gastroführer. «Wie kann es sein, dass das Hotel auf Sterne und Punkte einfach so verzichtet», ärgert sich das Pendlerblatt 20 Minuten. Und das führende Boulevardblatt des Landes (Blick) meint: «Warum verzichtet ein so renommiertes Haus auf eine Küche, die jahrelang Erfolg hatte?»

Nun, dass die Kritiker von Michelin und (vor allem) Gault & Millau alles andere als erfreut sind, wenn ein sog. Gourmetlokal schliesst, liegt auf der Hand. Man verliert schlicht und einfach einen «Star» der Szene, den man bewerten, kommentieren, hochjubeln und mit Punkten und Sternen veredeln konnte. Das Geschäftsmodell von Gault & Millau & Co. (Michelin, Falstaff) lebt ja vor allem von den Stars der Küche: Caminada lässt grüssen! Wenn nun plötzlich so ein «Edellokal» schliesst oder neu positioniert wird, haben die Kritiker natürlich Mühe, denn sie verlieren einen «Kunden» und damit Star-Geschichten und Schlagzeilen aus der Edel-Küche…

Es sind primär die ganz Grossen am Herd (ab 17 Punkte), die in den Medien und Gastrokolumnen für «gute Geschichten» sorgen. Dazu zählt (bis Ende Jahr) auch Maximilian Müller im Baur au Lac. Als Nachfolger des «grossen Laurenz Eperon» (Gault & Millau) kochte er genau auf der Linie der Gourmetkritiker. Immerhin: 18 Punkte und 2 Sterne waren bereits Tatsache. In Insiderkreisen ging man davon aus, dass Maximilian Müller, Restaurantchef Aurélien Blanc und Chef-Sommelier Marc Almert nächstens den 19. Punkt und möglicherweise den 3. Stern erobert hätten. Der gastronomische Traum vieler Köche lag also in Reichweite…

Und jetzt das! Schliessung! Bewusster Verzicht auf Punkte und Sterne! Zürich verliert einen gastronomischen Hotspot! Unglaublich! Skandal! Das darf doch nicht wahr sein! Was denken sich bloss die Krachts und Rechenbergs, fragen sich die Gourmetkritiker landauf und landab.

Nun, es ist wahr, denn die Familie Kracht und Christian von Rechenberg werden – nach dem Umbau des «Pavillon» – ein komplett neues Food-Konzept lancieren. Man setzt in Zukunft auf eine «Mittelmeer-Küche», auf Italien, Spanien, auf Fisch und Meerestiere – und auf Pasta. Laut Gault & Millau will man «mindestens fünf verschiedene Pasta-Gerichte» auf die neue Karte setzen. Grund: Hausherr Andrea Kracht liebt Pasta!

Meine Meinung: Die Familie Kracht und Ihr General Manager tun genau das Richtige. Fertig mit Punkten, Sternen und Star-Kult am Herd. Entscheidend ist, was der Kunde mag. Fine-Dining hat zweifellos eine Berechtigung und mag (vor allem) ältere «Gourmet-Kunden» begeistern, doch die Generation Z hält wenig von Sternen, Punkten, Hauben und all den Gastro-Symbolen. Cool muss ein Restaurant sein, ungezwungen, locker, authentisch. Im Mittelpunkt steht das Erlebnis, die Story, das Gesellschaftliche oder Soziale. Restaurants sind keine Museen, auch keine «heiligen Tempel», wo Kulinarik wie ein Hochamt in der katholischen Kirche zelebriert wird.

Auf zu neuen Ufern, lautet jetzt das Motto im Hotel Baur au Lac. Gut so!

Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter

PS: Warum ist das Hotel Baur au Lac in Zürich seit Jahrzehnten so erfolgreich? Kurz gesagt: Weil man sich stets neu erfindet, neue Wege geht und eine internationale Perspektive verfolgt – ohne jedoch Tradition, Kultur und Geschichte des Hauses zu vernachlässigen. In der siebten Generation wird das Haus jetzt dann geführt. Einzigartig!

zur Übersicht