Kolumne: Wie schaffen wir echte Gastfreundschaft?

Im Mittelpunkt des Gastgewerbes stehen seit jeher die Bedürfnisse der Gäste. Um diese zu erfüllen, erfindet sich die Branche kontinuierlich neu. Keine technische Innovation und kein Trend im Gastgewerbe ist von so wesentlicher Bedeutung wie das, worauf es im Kern ankommt: Gastfreundschaft, schreibt der Hotelexperte und Hotel Inside-Gastautor Roland Schwecke.

Gastfreundschaft bedeutet nichts anderes, als das Aufenthaltserlebnis des Gastes positiv zu gestalten. Ob es sich um die Qualität der Verpflegung, der Unterkunft oder andere Aspekte handelt – die Ansprache der Sinne ist für das Gastgewerbe von maßgeblicher Bedeutung. Ob es um das Essen, die Gestaltung des Raumes und die Atmosphäre oder die soziale Interaktion geht. Ein guter und fürsorglicher Gastgeber stellt den Gast, die Begegnung und die Bedürfnisse der Gäste ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dieser Anspruch ist auch wesentliche Anforderung an jeden Mitarbeitenden des Gastgewerbes. Sich verstanden und angenommen zu fühlen, gehört zu den positivsten Erlebnissen. Erkenntnis um die Bedeutung sozialer Interaktion und entsprechende Professionalisierung der Gastgeber und des entsprechenden Angebotes stellt für die Branche einen wesentlichen Fokus für die Zukunft dar, der erhebliches Potential für die Schaffung neuer Arbeitsplätze beinhaltet.

Soziale Fähigkeiten erfahren einen bedeutenden Aufschwung – im beruflichen Kontext wie im Privatleben. Die Hotellerie war schon immer best praxis bezüglich der Begegnung und der sozialen Interaktion – sie birgt erhebliches Potential in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Bildung & Wissen, aber auch Sozialarbeit & Integration.

Um guten Service für den Gast zu gewährleisten und den Rahmen der sozialen Interaktion optimal zu gestalten, ist es unerlässlich, dass die Teamarbeit funktioniert und jeder einzelne auch eine zuvorkommende und offene Atmosphäre vermitteln und authentisch repräsentieren kann. Rein wirtschaftlich motivierte „Gastfreundschaft“ ist dabei von authentischer Freude am mit- und füreinander zu unterscheiden – letztere kann kaum durch pekuniäre Anreize erfolgen. Eine angemessene Entlohnung und perspektivische Sicherheit ist vielmehr Grundvoraussetzung für eine zufriedenstellende Lebensführung und entsprechend professionelle Tätigkeit.

Gastfreundschaft ist interkulturell und universell – ob sie vom Team authentisch gelebt und vom Gast so empfunden wird, entscheidet maßgeblich über den betrieblichen Erfolg. Sie steht dafür, Gäste freundlich und empathisch zu empfangen und zu bewirten, ein rundum angenehmes Aufenthaltserlebnis zu gewährleisten. Erstklassiger Service, die Kreation einer einladenden Atmosphäre und persönliche Betreuung sind essenzielle Aspekte eines gelungenen Aufenthaltes und der Kundenzufriedenheit. Gastgeber ist dabei der Eigentümer, der Betreiber und jeder Mitarbeiter, der als direkter Ansprechpartner dient. Dies gilt auch hinter der Sichtbarkeitslinie: Viele der zunächst nicht sichtbaren Leistungen sorgen für einen angenehmen Aufenthalt.

Standards hinsichtlich Produktqualität (Ausstattung, Serviceprozesse) sind neben den sozialen Erfordernissen von besonderer Bedeutung. In allen Segmenten sind neben der materiellen Qualität die immateriellen Belange von höchster Relevanz. Das Aufenthaltserlebnis wird in der Gastronomie und Hotellerie erst durch gute Gastgeber zu dem, was es ist. Sei es durch innovative Serviceleistungen wie z.B. die liebevolle Einrichtung oder den herzlichen Empfang. Die Atmosphäre wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die auch, aber sicherlich nicht nur materieller Natur sind. Die Gastgeber liefern nicht nur den Ort der Begegnung, sie schafften auch die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Zusammentreffen. Der Rahmen persönlicher Zusammentreffen wird im Gastgewerbe gestaltet und spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für das Gelingen einer Begegnung.

Zeitgeist des Materialismus und kein Ende?

Wenn die Hotellerie durch die häufige schlechte Presse der letzten Jahre mit Themen wie Insolvenzen und Betriebsschließungen bedingt durch die Pandemie, Steuererhöhungen, Personal- oder Qualitätsmängel sowie Nachfolgeprobleme nicht mehr den Stellenwert in der medialen Berichterstattung hat wie in der Vergangenheit, so schlummert auch durch die Folgen der coronabedingten Isolation ein positives Thema mit erheblichem Potential: Das Zusammentreffen und das Miteinander, das im Gastgewerbe einen ganz besonderen Stellenwert hat.

Soziale Isolation, Werteverlust und auch aggressives Verhalten sind gerade in der westlichen Gesellschaft ein zunehmendes Problem – ob dieser negative Trend durch die gestiegene Zahl an Kirchenaustritten, durch die veränderte Arbeitswelt (Home Office), bedingt durch den hohen Konsum sozialer Medien oder abnehmendes Bildungsniveau seine Grundlage erfuhr – der Verlust an Gemeinschaft, die Individualisierung und auch die Vereinsamung sind ein zunehmendes gesellschaftliches Problem, das Neil Postman schon Ende der 80er-Jahre in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode – Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie“ treffend beschrieb.

Materialismus und die reine Fokussierung auf eine faktische Rationalität sind eine gesellschaftliche Entwicklung, die schleichend wesentliche Werte der Gesellschaft beschädigt haben. Rein funktionale Akteure stellen maßgeblich den eigenen Profit in den Mittelpunkt ihrer Handlungen, was dazu führt, dass ein Gegenüber nur zur reinen Funktion in nahezu vollständig ökonomisierten Prozessen reduziert wird. Es geht nur noch darum, welchen wirtschaftlichen Nutzen das Gegenüber bringt. Eine Reduktion der sozialen Umwelt auf den alleinigen wirtschaftlichen Nutzen, der durch den Kontakt erbracht werden kann, verkennt den wahren Wert und die weiterführenden Potentiale jeder Begegnung.

Soziale Bindung und Werte wie Familie, Freundschaft oder soziales Miteinander werden dadurch essenziell beschädigt. Die Entwicklungen führen zu einer zunehmend bindungslosen Gesellschaft, bzw. deren Atomisierung. Derweil ist es gerade die soziale Bindung, die einen jeden durch Raum und Zeit tragen und für ein gutes Miteinander, ein gesundes Dasein sorgt. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Das Gastgewerbe verfügt über großes Potential, den Wirrungen unserer Zeit mit der Kreation von Inhalten zu begegnen, die deutliche gesellschaftliche Auswirkungen weit über rein ökonomische Aspekte hinaus erzielen.

Soziale Dienstleistungen, Konzepte zur Förderung der sozialen Interaktion, Bildungsthemen und innovative Konzepte rund um die Themen Körper Geist und Seele werden in der Hotellerie von zunehmender Bedeutung sein – für innovative Unternehmer im Gastgewerbe bringen die gesellschaftlichen Herausforderungen großes Entwicklungspotential.

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