Jean-Jacques Gauer. Er ist einer der ganz grossen Hoteliers im Land. Ein perfekter Gastgeber, innovativ, kreativ, weltgewandt. Kein anderer Schweizer Hotelier hat ein derart dichtes Netzwerk in der internationalen Hotelszene. Während 20 Jahren wirkte er als Präsident der Leading Hotels of the World. Der Gewinner des «101 Icon Hotelier of the World lifetime achievement award» über das Leben am Genfersee und die Hotspots der Schweizer Hotellerie.

Der Patron unnterbricht das Gespräch in seiner Auberge du Raisin in Cully (Waadt), macht die Runde und begrüsst die Gäste, die sich zum Mittagessen eingefunden haben. So kennt man ihn: Jean-Jacques Gauer ist ein Monsieur durch und durch, weltgewandt, aber trotz grosser Verdienste um seine Branche ohne jegliche Allüren.
Jean-Jacques Gauer, als früherer Präsident von The Leading Hotels of the World und Patron im Lausanne Palace führen Sie nun vier Restaurants und zwei Kleinhotels auf dem Dorf: Weshalb dieser Kulissenwechsel?
Ich habe es in meinem Leben einfach umgekehrt gemacht: vom Grossen zum Kleinen statt vom Kleinen zum Grossen. Ich bin 71 Jahre alt und habe festgestellt: Um während des Lebensabends noch aktiv zu bleiben, sind kleine Betriebe perfekt. Sie sind menschlich, überschaubar und weniger komplex. Ich fühle mich im Stöckli sehr wohl. Das Leben hier im Lavaux fühlt sich sehr angenehm an.

Gibt es Parallelen zwischen dem weltläufigen Luxushotelier Gauer in Lausanne und in Bern und dem Gastrounternehmer Gauer in Cully?
Ich lebe hier die genau gleichen Werte wie früher im Palace oder im Schweizerhof, bin offen zu den Mitarbeitenden und den Gästen und ich versuche, zuerst die Einheimischen in unsere Betriebe zu holen. Sie sind unsere besten Botschafter.
Welche Eigenschaften muss ein guter Hotelier mitbringen?
Er soll die Gastgeberrolle ehrlich und menschlich verkörpern und mit dem Gast stets auf Augenhöhe kommunizieren. Der liebe Gott hat uns zwei Augen und einen Mund gegeben, also setzen wir die doch ein!
Wie bleiben Sie als 71-Jähriger am Ball?
Indem ich Zeitungen lese und mich aktiv informiere – natürlich auch über alles, was in der Branche läuft. Ich war kürzlich in Paris und wissen Sie, was ich dort gemacht habe?
Erzählen Sie!
Ich habe für einen halben Tag ein Taxi gebucht und alle Fünfstern-Hotels abgeklappert. Ich habe mich in den Betrieben umgesehen, die Ambiance eingesogen und genau registriert, wo es läuft und wo nichts los ist.
Unternehmen Sie auch in Schweizer Städten solche Inspektionstouren?
Ja, kürzlich habe ich einen Zwischenhalt in Solothurn eingeschaltet und ein paar nette kleinere Hotels entdeckt. In der Schweiz gibt es im Grunde genommen nur zwei Städte, die relevant sind für die Hotellerie: Zürich und Genf.

Und wo gefällt es Ihnen besser?
Zürich ist für unsere Branche der wahre Gradmesser, dank einer sehr breiten Palette an Hotels – vom Baur au Lac bis zum 25Hours. Man sieht viele spannende, kreative und gut diversifizierte Betriebe.
Manche sind herzig wie der Storchen in der Altstadt oder trotz Standartisierung interessant wie das Acasa Suites in Oerlikon.
Als gebürtiger Deutschschweizer, der seit Jahrzehnten jenseits des Röstigrabens lebt: Wo liegt für Sie in der Hotellerie der Unterschied zwischen der Romandie und der Deutschschweiz?
Deutschschweizer sind kreativer. Hier in der Romandie machen wir 2025 Hotellerie aus dem Jahre 2000, in Zürich sind sie schon im Jahr 2030. Selbst welsche Vorzeigebetriebe wie das Beau Rivage Palace in Lausanne oder das Four Seasons in Genf verharren noch in der Tradition. Unter dem Strich ist es wohl eine Frage der Mentalität.

Was war die spannendste Phase in Ihrem Berufsleben?
Die 20 Jahre als Präsident von The Leading Hotels of the World, aber auch der Aufbau des Lausanne Palace & Spa, wo ich die Zusammenarbeit mit der Besitzerschaft als sehr vertrauensvoll empfand.
Weshalb übernahmen Sie so viele Ämter und Mandate und konzentrierten sich nicht auf die Aufgaben eines General Managers?
Ich habe nie aktiv Ämter und Mandate gesucht. Man trug sie an mich heran und ich fand die Aufgaben spannend – ob das nun der Job als Chairman von Leading war, die externe Führung eines Hotels in Jerusalem oder Verwaltungsratsmandate beim Château Gütsch in Luzern oder bei den Hotelprojekten von FC-Sion-Präsident Christian Constantin. Ich nehme weiterhin nicht nur an ein paar VR-Sitzungen teil, sondern suche aktiv den Dialog mit den Leuten an der Front, identifiziere deren Probleme und helfe, wo ich kann.

Welchen Rat erteilen Sie der Schweizer Hotellerie?
Unsere Hotellerie ist gut unterwegs und mehrheitlich recht kreativ. Mein Rat ist ganz einfach: Die weniger Erfolgreichen sollen von den Erfolgreichen lernen.
Bereuen Sie, mit Ihren Fähigkeiten nicht in einem lukrativeren Umfeld als der Hotellerie tätig gewesen zu sein?
Geld war nie ein Antrieb. Ich lebe nicht in Saus und Braus und fahre einen Cinquecento. Ich könnte heute sicher mit Kryptowährungen mehr Geld verdienen, als hier in L’Auberge du Raisin Ossobucco und Weisswein zu verkaufen.

Sie schrieben auf Französisch ein Buch unter dem Titel «Excusez Monsieur, où sont les toilettes?»: Wie kamen Sie auf den Titel?
Diese Frage begleitete mich mein ganzes Hotelierleben, denn ich war gerne an der Front und bei den Gästen, statt mich im Büro zu verschanzen. Ich erzähle von meinen Ups und Downs im Leben, in dem man nicht alles so furchtbar ernst nehmen soll. Humor ist wichtig, das Leben ist doch auch eine Parodie!
Quelle & Copyright: Sonntagszeitung, 6. April 2025. Das Interview mit J.J. Gauer erschien im Zusammenhang mit den «101 besten Hotels der Schweiz», dem Hotel-Ranking von Carsten K. Rath.

Wer ist Jean-Jacques Gauer?
Jean-Jacques Gauer wurde am 16. Mai 1953 in Bern als Sohn des legendären Hoteliers Jack Gauer (Hotel Schweizerhof, Gauer-Hotelgruppe) geboren. Er war Schüler im privaten Internat Le Rosey und absolvierte nach der Matur die renommierte Hotelfachschule Lausanne (EHL). Von 1979 bis 1996 war er General Manager der Gauer Hotels & Restaurants (Hotels in Griechenland, Spanien und Israel sowie 5 Häuser in der Schweiz). Zudem betreute er damals 5 Restaurantbetriebe. 1996 zog Gauer in die Westschweiz und wurde General Manager des Lausanne Palace & Spa (5 Sterne). Er war während 20 Jahren Chairman der Leading Hotels of the World. 2016 erhielt Gauer den Schweizer Tourismuspreis Milestone für sein Lebenswerk. Heute lebt und arbeitet er in Cully am Genfersee und betreibt dort zwei kleine Hotels und vier Restaurants.
Bildlegende Hauptfoto: Jean-Jacques Gauer (Mai 2023).
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