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Inside-Report: Schweizer Tourismus unter Druck – wenn der Staat sich zurückzieht

Der Bundesrat will im Rahmen des «Entlastungspakets 27» die Tourismus-Förderung einschränken. Geplante Kürzungen bei Schweiz Tourismus, Innotour und Sportveranstaltungen sorgen für Unruhe in der Branche. Ein Balanceakt zwischen Haushaltsdisziplin und Standortpolitik. Frage: Braucht es in Zeiten des globalen Reisebooms und hoher Nachfrage staatliche Tourismusförderung?

Die Sonne steht tief über den Schweizer Alpen – und mit ihr fällt ein Schatten auf die touristische Landschaft: Der Bund will seinen Beitrag zur Tourismusförderung erheblich zurückfahren. Mit dem Entlastungspaket 27 wagt der Bundesrat einen Paukenschlag, der in der Branche auf Alarmbereitschaft stößt.

Seit Jahren ringt der Tourismus um staatliche Unterstützung: Marketingkampagnen im Ausland, Innovationsprojekte, Digitalisierungsfonds, Destination Management — all das wird nicht allein von Hoteliers, Bergbahnen und Gemeinden getragen, sondern koordiniert und subventioniert vom Bund über Instanzen wie Schweiz Tourismus und Innotour. Doch die Zeichen ändern sich. HotellerieSuisse spricht bereits von «überproportionalen Kürzungen», die das Rückgrat der Förderstruktur gefährden könnten. Es drohe eine «Wettbewerbsschwächung inklusive» – besonders im internationalen Wettbewerb, wo staatliche Präsenz oft den Ausschlag gibt.

Auch Sport und Großveranstaltungen geraten ins Visier des Sparstifts: Bereits heute sollen Bundesmittel für wiederkehrende Sport-Events gestrichen werden — mit einem jährlichen Einsparpotential von 5 Millionen Franken. Der Bundesrat argumentiert, diese Events könnten selbst tragfähig werden. Doch Kritiker sehen darin ein fatales Signal: Will der Staat nicht mehr bei großen Tourismusmultiplikatoren mitziehen, drohen weniger Attraktionen und Sichtbarkeit.

Besonders emotional wird die Debatte um den Mehrwertsteuersatz für Beherbergung: Dieser geringe Steuersatz gilt vielen in der Branche als unverzichtbarer Standortvorteil. Doch im Rahmen von ELP 27 wird er erneut diskutiert – und das, obwohl er keine Ausgabe ist. Der Bund betont, er sei ein legitimes Instrument, was im Widerspruch zu Kürzungsfantasien steht.

Ein kurioser Widerspruch: Der Bundesrat beantragt zugleich, den Beitrag an Schweiz Tourismus für 2024 bis 2027 unverändert bei 233 Millionen Franken zu belassen. Wie passt das mit dem Kürzungsdiktat des ELP 27 zusammen? Möglicherweise ist dies ein Zugeständnis an die Branche oder ein taktischer Kompromiss im parlamentarischen Prozess. Es zeigt: Die Kürzungspolitik ist nicht durchgängig oder hausorganisch – sie steht unter politischem Druck und Anpassungszwang.

Wenn Fördermittel gekappt werden, trifft es zuerst die, die Risiken eingehen: Projekte für nachhaltigen Tourismus, Digitalisierung, neue Angebote in Randregionen. Gerade Innovationen leben von Anschubfinanzierungen. Ohne diesen «Rückenwind» drohen Starre, Wettbewerbsnachteile – und in Extremfällen wirtschaftliche Rückschläge in strukturschwächeren Gebieten.

Der Bundesrat befindet sich in einem Balanceakt: Einerseits steht die Schuldenbremse, Sparverpflichtungen und der Ruf nach einer schlanken und effizienten Verwaltung — andererseits liegt in der Tourismusförderung ein Hebel für Wachstum, Außenwirkung und Standortattraktivität. Die für viele Gemeinden zentrale These lautet: Kürzt man bei der Substanz, verliert man Zukunft.

Letztlich wird der Weg durch das Parlament und die Vernehmlassung geprägt. Die Branche hat bereits mobil gemacht, und Stimmen aus Politik und Wirtschaft werden entscheiden, wie hart der Rückzug wird. Ob der Schatten sich zur Finsternis verdichtet – oder doch noch Gelb‑ und Grünflächen bleiben – hängt vom politischen Willen und von Kompromissbereitschaft ab.

Staatliche Tourismusförderung in der DACH-Region

Ob Schweiz, Deutschland oder Österreich – in allen drei Ländern spielt der Staat eine Rolle bei der Unterstützung des Tourismus. Doch wie stark ist diese öffentliche Förderung, und in welchen Formen? Ein Blick auf Fördermechanismen, Unterschiede und aktuelle Beispiele zeigt: Der Staat greift mit gezielten Instrumenten ein – aber nicht flächendeckend und nicht gleichförmig.

In Deutschland wird Tourismusförderung vielfach über Programme der Mittelstands-, Regional- und Strukturpolitik integriert. Ein Beispiel ist die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK), über die 2024/25 rund 593 Millionen Euro Bundesmittel bereitstehen, die in den Ländern flexibel auch für Tourismusprojekte eingesetzt werden können. Dazu kommen Programme auf Landes- und Kommunalebene, die Infrastruktur, Attraktionen oder Digitalisierung unterstützen. Allerdings gibt es kein zentrales Bundesprogramm wie in der Schweiz – vielmehr ist die Landschaft dezentral und fragmentiert.

Österreich hingegen verfügt über klar institutionalisierte Strukturen: Die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) wickelt Förderungen ab, etwa über Investitionskredite mit Zinszuschüssen, Haftungsübernahmen oder Nachhaltigkeitsboni. Ergänzt werden diese Bundesmittel durch Programme der Bundesländer, die Zuschüsse für Investitionen anbieten. Auch Österreich Werbung, die nationale Marketingorganisation, finanziert sich teilweise aus öffentlichen Mitteln.

In der Schweiz wiederum sind Tourismusförderung und Standortförderung eng mit Programmen wie Innotour, Schweiz Tourismus oder der neuen Regionalpolitik verbunden. Für die Periode 2024–2027 hat das Parlament 429 Millionen Franken für die Standortförderung bewilligt, von denen ein erheblicher Anteil in den Tourismus fließt.

Vergleicht man die drei Länder, so zeigt sich: Die Schweiz verfolgt eine zentralisierte und sichtbare Förderstrategie, Österreich setzt auf institutionalisierte Mechanismen, während Deutschland mit einem Flickenteppich an Programmen auf Länderebene operiert. In allen drei Fällen aber spielt der Staat eine zentrale Rolle – sei es als Kreditgeber, Garant oder Mitfinanzierer von Infrastruktur, Innovation und Marketing.

Innotour unter der Lupe: Was bringen Steuergelder im Schweizer Tourismus?

Das Förderinstrument Innotour des Bundes, das touristische Innovation, Kooperationen und Wissensaufbau unterstützen soll, hat eine umfassende Wirkungsprüfung durchlaufen: Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) untersuchten INFRAS und die Hochschule Luzern (HSLU) den Vollzug und die Wirkung solcher Förderbeiträge.

Die Evaluation kommt zu einem insgesamt positiven Fazit: Innotour ist «wirksam und wird sinnvoll umgesetzt». Wesentlich: Rund 78% der geförderten Projekte werden auch nach Abschluss weitergeführt – ein deutlicher Indikator dafür, dass die angestossenen Innovationen mehr sind als Blasen in der Projektförderung.

Gleichzeitig zeigt der Bericht erhebliche Verbesserungspotenziale:

  • Der Wissenstransfer zwischen Projekten ist oft unvollständig – Projekterkenntnisse und Ansprechpartner sind nicht immer systematisch dokumentiert oder zugänglich.
  • Die Antragstellung wird zwar überwiegend als benutzerfreundlich bewertet, doch Einstiegshürden bestehen insbesondere für Akteure, die wenig Projekterfahrung haben.
  • Die Zielerreichung variiert stark je nach Projektziel: Während „Wissen schaffen“ oder „Aus‑ und Weiterbildung verbessern“ oft gut umgesetzt werden, bleiben Ziele wie „Strukturen wettbewerbsfähig machen“ schwieriger erreichbar.
  • In einigen Projekten fehlte die Bereitschaft, eigene Ressourcen (Zeit, Know-how, Kapital) beizusteuern – manche Ideen ruhen stark auf Bundesmitteln.

Ein spannender Befund: Über den Projektförderbeitrag hinaus wurden zusätzliche Mittel ausgelöst, sodass ein Multiplikator im Bereich von rund 3,6 genannt wird – für jeden Bundesfranken flossen also rund 3,6 Franken zusätzlicher privater oder dritter Mittel ein. Darüber hinaus meldeten die Projektträger, dass viele Initiativen, Impulse oder Vernetzungen über die geförderten Projekte hinaus Wirkung entfalten.

Doch trotz der ermutigenden Resultate bleibt offen, wie viele Innovationen tatsächlich nachhaltige Transformation bewirken – und wie viele nur subventionierte Experimente bleiben.

Ohne systematischen Monitoring-Rahmen und standardisierte Indikatoren lassen sich Effekte wie Beschäftigungswirkungen, Umsatzsteigerungen oder langfristige Marktdurchdringung schwer nachvollziehen. Auch der Wissenstransfer, so lobenswert oft gefordert, erreicht nicht alle potenziellen Nutznießer.

Die Verbreitung der Projekterkenntnisse bleibt in vielen Fällen lokal begrenzt. Es besteht zudem ein Spannungsfeld zwischen Modellcharakter und Breitenwirkung: Viele geförderte Projekte sind Pilotvorhaben, deren Skalierung in andere Regionen selten flankiert wird. Und nicht zuletzt droht eine gewisse Subventionsabhängigkeit: Manche Vorhaben könnten ohne Fördermittel gar nicht gestartet werden – womöglich, weil ihre Marktchancen ohnehin fraglich sind.

Die Evaluation von Innotour bringt gute Argumente dafür, dass öffentliche Innovationsförderung im Tourismus Sinn macht – vor allem als Impulsgeber und Katalysator für Netzwerke. Doch sie bestätigt auch: Staatliche Gelder allein sind keine Zaubermittel. Entscheidend ist, wie sie eingesetzt werden – mit strengen Kriterien, konsequentem Wissenstransfer, Monitoring und Anreizen zur Selbständigkeit.

Hier der Schlussbericht zur Evaluation Innotour 2025.

Quellen “Schweizer Tourismus unter Druck»

  • Eidgenössisches Finanzdepartement: Entlastungspaket 27 – www.efd.admin.ch
  • HotellerieSuisse: Stellungnahme zu ELP 27 – www.hotelleriesuisse.ch
  • News admin.ch: Medienmitteilung zum ELP 27 (PDF)
  • Parlament.ch: Amtliches Bulletin, Debattenbeiträge zu Tourismusförderung 2024–2027

Quellen “Staatliche Tourismusförderung in der DACH-Region»

  • Bundestag: Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) 2024 – www.bundestag.de
  • Deutscher Tourismusverband: Finanzielle Unterstützung für den Deutschlandtourismus – www.deutschertourismusverband.de
  • BMWET Österreich: Betriebliche Tourismusförderung – www.bmwet.gv.at
  • Wirtschaftskammer Österreich: ÖHT-Investitionen Tourismus – www.wko.at
  • Transparenzportal Österreich: Tourismusförderungen – transparenzportal.gv.at
  • Niederösterreich: Tourismusförderung 2025 – www.noe.gv.at
  • Österreich Werbung – de.wikipedia.org/wiki/Österreich_Werbung
  • Avenir Suisse: Beiträge zur Tourismusförderung – www.avenir-suisse.ch
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