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Inside-Interview mit Four Seasons-Manager Rainer Stampfer: In der Luxushotellerie dreht sich alles um menschliche Nähe

Rainer Stampfer, Absolvent der EHL, ist President of Global Operations bei Four Seasons Hotels & Resorts, einer der besten Luxushotelgruppen der Welt. Am ersten EHL Open Innovation Summit in Lausanne sprach der gebürtige Deutsche über die Auswirkungen von KI auf die Luxushotellerie, Individualisierung und die «menschliche Note» bei Four Seasons.

Während des EHL Open Innovation Summit in Lausanne sprach Simone Puorto, Redaktor bei der Fachplattform Hospitality.org, mit Rainer Stampfer, President of Global Operations bei Four Seasons Hotels & Resorts. Im Gespräch ging es um die wachsende Bedeutung künstlicher Intelligenz (KI) in der Luxushotellerie, die sich wandelnden Erwartungen an Personalisierung und darum, warum der menschliche Faktor nach wie vor das entscheidende Merkmal für exzellenten Service im High-End-Bereich der Hotellerie ist.

Rainer Stampfer, welche Technologie oder Innovation wird Ihrer Meinung nach in den nächsten fünf bis zehn Jahren den grössten Einfluss haben?

Nun, es wird viel über künstliche Intelligenz gesprochen, und das aus gutem Grund. Wir stehen noch am Anfang, aber das Potenzial für unsere Teammitglieder bei Four Seasons ist enorm. Unsere Branche war nicht immer technologisch führend. Viele Jahre lang haben Finanzmittel und Geschäftsmodelle Innovationen eingeschränkt. Aber ich glaube, wir stehen an einem Wendepunkt. Endlich sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir schneller vorankommen können. Die Integration von KI hilft uns, Silos aufzubrechen und Systeme zusammenzuführen. Heute sind unsere Systeme noch recht fragmentiert, was es für Teams schwierig macht, Technologien effektiv zu nutzen. Jetzt bietet sich die Chance, diese Systeme so zusammenzuführen, dass unsere Mitarbeiter den Kunden einen besseren Service bieten können. Das ist die eigentliche Transformation.

Im Luxussegment wird viel über Hyper-Personalisierung gesprochen. Glauben Sie, dass dies ein echtes Unterscheidungsmerkmal ist oder nur Status quo? Und gibt es eine Grenze, die nicht überschritten werden sollte?

Es gibt immer eine Grenze, die man nicht überschreiten sollte. Aber lassen Sie mich zunächst sagen, dass wir in der Luxushotellerie schon immer von Personalisierung gesprochen haben. Ich würde behaupten, dass die Branche diesbezüglich keine besonders gute Arbeit geleistet hat. In der Vergangenheit hing die Personalisierung von einzelnen Teammitgliedern ab. Wir haben ihnen einen Rahmen und etwas Unterstützung gegeben, aber letztendlich lag es an ihnen. Wenn man die richtigen Leute hat, funktioniert es. Aber strukturell und systematisch haben wir dies nicht gut umgesetzt. Die Technologie ermöglicht uns heute, dies besser zu tun. Wie wir sie anwenden und umsetzen, wird den Unterschied ausmachen. Wird es ein Erfolg? Wird es zu viel sein? Das hängt von der Umsetzung ab. Personalisierung erfordert nach wie vor menschliches Urteilsvermögen. Die Personalisierung muss kontextbezogen sein. Sie kann nicht nach einem Drehbuch ablaufen. Sie muss zeigen, dass wir uns um den Kunden echt kümmern.

Glauben Sie, dass in einer Welt mit zunehmend künstlichen Erlebnissen der menschliche Faktor zum ultimativen Luxus wird?

Ja, auf jeden Fall. In der Luxushotellerie kommt es letztlich immer auf die zwischenmenschlichen Beziehungen an. Sozialisierung, echte Interaktion, das ist das Wesentliche. Ich weiss nicht, ob „Luxus” das richtige Wort ist, aber so bezeichnen wir es jedenfalls. In anderen Segmenten, beispielsweise im Transaktionsbereich oder bei einfachen Serviceleistungen, erwartet der Kunde möglicherweise keine menschliche Interaktion oder wünscht sie gar nicht. Aber im Luxussegment wird die menschliche Interaktion immer das entscheidende Unterscheidungsmerkmal sein. Sie bestimmt, wie gut wir unsere Leistungen erbringen. Und sie rechtfertigt den Wert. Ja, Menschen sind nach wie vor der gemeinsame Nenner der Gastfreundschaft im Luxusbereich.

Sie sind Teil einer weltweit anerkannten und erfolgreichen Luxushotelmarke mit einer langen Tradition. Wie bleiben Sie in dieser schnelllebigen Welt der Technologie agil?

Ich würde Four Seasons eigentlich nicht als Goliath bezeichnen. Wir sind stolz auf die Marke und ihre Stärke, aber wir sind immer noch ein kleines Unternehmen. Wir betreiben 133 Hotels, 56 Privatresidenzen und bauen eine Yacht. Die Marke ist stark und vertrauenswürdig, 64 Jahre alt, aber wir sind eine fokussierte Hospitality-Organisation. Wir kennen uns alle. Wir haben eine starke Teambindung. Und unsere Prozesse sind laserscharf. Alle reden heute über die gleichen Themen im Gastgewerbe, aber der Unterschied liegt darin, wie gut man sie umsetzt. Fokus und Kompetenz machen das möglich. Wir bedienen eine bestimmte Kundschaft mit gleichbleibenden Erwartungen, und das in 50 Ländern. In einem Meer der Gleichheit spielt diese Klarheit zu unseren Gunsten.

Quelle: www.hospitalitynet.org

Autor: Simone Puorto, Redaktor

Kurzfassung des Interviews mit Rainer Stampfer

Personalisierung war in der Luxushotellerie schon immer ein Thema, sagt Rainer Stampfer, President of Global Operations Four Seasons. Allerdings habe es die Hotellerie nicht gut gemacht, denn es hing immer von einzelnen Teammitgliedern ab. Es fehlten Strukturen und es gab keine systematische Umsetzung. KI bietet die Möglichkeit, das zu ändern.

Doch auch mit dem Einsatz von KI ist Personalisierung kein Selbstläufer, meint Stampfer. „Personalisierung erfordert nach wie vor menschliches Urteilsvermögen. Sie muss kontextbezogen sein. Sie lässt sich nicht skripten. Sie muss zeigen, dass sie uns am Herzen liegt“, so der Experte.

In der Luxushotellerie drehe sich alles um menschliche Nähe, Sozialisation und echte Interaktion, das sei die Essenz, sagt Rainer Stampfer und zieht einen Vergleich zu anderen Bereichen: „In anderen Segmenten, im Transaktions- oder einfachen Servicesegment, erwartet oder wünscht der Kunde vielleicht keine menschliche Interaktion.“ Hingegen wird im Luxus das menschliche Engagement immer das entscheidende Unterscheidungsmerkmal sein. „Es definiert unsere Leistung und es rechtfertigt den Wert“, lautet das Fazit von Stampfer.

Kommentar von Hans R. Amrein: Four Seasons macht es vor!

Gastfreundschaft? Was heisst das eigentlich? Freundlich sein zum Gast? Ist doch selbstverständlich! Oder wäre die Alternative dazu, dass wir unfreundlich sind? Seit es Hotels und Restaurants gibt, diskutiert man über das, was sich Gastfreundschaft nennt.

Ja, natürlich sind wir stets freundlich und zuvorkommend, natürlich tun wir „alles für unsere Gäste“, wünschen ihnen bei jeder Gelegenheit einen guten Tag oder eine schöne Wanderung, viel Erfolg im Geschäft oder eine „gute Nacht.“

Unser Direktor oder General Manager empfängt, wenn immer möglich, jeden Gast persönlich, schüttelt ihm kräftig die Hand und sagt aus tiefstem Herzen: „Schön, dass Sie unser Gast sind!“

So oder ähnlich tönt es derzeit aus der Branche, wenn über Gastfreundschaft, Freundlichkeit, Herzlichkeit und solche Dinge geredet wird. Liebe Hotel Insider, die soeben geschilderten Verhaltensweisen oder Stichworte sind die Grundlage der Branche! Freundliches Personal? Ein Hotelier als Gastgeber beim Gast? Selbstverständlichkeiten! Und nicht mehr!

Gehen wir einen Schritt weiter. Einzigartig, unverwechselbar soll ein Hotel sein, dazu auch noch authentisch, regional verwurzelt. Alle sprechen vom USP, dem sogenannten Alleinstellungsmerkmal. Ja, man muss sich „differenzieren“, abheben von den Mitbewerbern im Markt. Alles richtig! Aber alles Selbstverständlichkeiten. Jeder Marketingprofi hat solche Dinge schon längst kapiert.

Also, was ist das Erfolgsgeheimnis der Zukunft? Sicher, wir sollten dem Gast besondere Erlebnisse bieten, ihn entzücken, überraschen, verblüffen, mehr als begeistern. Emotionen sind „in“ (Zwischenfrage: Waren sie das vor fünfzig Jahren nicht?). Der „Wow-Effekt“ ist das Ziel aller Ziele in der Hotellerie. Four Seasons macht es vor. Und wie erreichen wir dieses „Wow!“ beim Gast?

Ich gebe Ihnen ein „banales“ Beispiel. Ich weilte (unerkannt) vier Tage in einem der besten Stadthotels der Welt, dem Four Seasons in Florenz. Sprechen wir nicht über die wundervolle Kulisse (historischer Palast aus dem 17. Jahrhundert, 4000 Quadratmeter grosser Park) – einzigartig! Und das «Personal»? Die überaus freundlichen, herzlichen und äusserst aufmerksamen Service-, Rezeptions- und Spa-Leute machen alles richtig. Sie fühlen sich in den Gast hinein und fragen sich laufend, wie sie den Gast noch überraschen könnten. Es dreht sich alles um den Gast und das, was man Gästeerlebnis nennt.

Nun, das ist bei Four Seasons Hotels & Resorts Standard, Hotelalltag, Normalität. Worin sich, zum Beispiel, das Four Seasons Hotel in Florenz von vielen andern Luxushäusern auf dieser Welt unterscheidet: Man beachtet hier die kleinen und kleinsten Details im direkten Umfeld des Gastes. Auch nach vier Tagen weiss der hinterste Frühstückskellner, dass ich morgens immer einen doppelten Espresso trinke (und zwar nach dem „Müesli“), dass ich Himbeeren liebe und ein Birchermüesli mit besonders vielen Rosinen – aber ohne Rahm! Dass mein Hund „Pippo“ heisst, hat spätestens zehn Minuten nach der Ankunft auch der zweite Gärtner, die dritte Pool-Dame und der Vize-Bar-Chef kapiert. Dass ich täglich – auch in Florenz – die Süddeutsche Zeitung und die NZZ lese – kein Problem. Die Zeitung liegt (unaufgefordert) auf meinem Frühstückstisch. Wie bei Freunden in München oder zu Hause.

Einige Jahre später im Four Seasons Hotel des Bergues in Genf. Eines der besten Stadthotels der Schweiz. Die Mitarbeitenden erkennen mich nicht, nur der General Manager ist über meine «geheime Mission» (Hoteltest) informiert. Am andern Morgen beim Frühstück: Der aufmerksame und stets lächelnde Kellner fragt: «Darf ich Ihnen nun den doppelten Espresso servieren – und später Ihr Müesli mit Himbeeren und Sultaninen, ohne Rahm?» Dass die Süddeutsche Zeitung und die NZZ auf dem Frühstückstisch liegen – eine Selbstverständlichkeit.

Man weiss, dass ich Zitronen-Cake liebe. Und siehe da: Auf dem Salontisch in der Suite entdecke ich «meinen» Zitronen-Cake – stilvoll und standesgemäss auf einer Silberplatte und unter einer Glasglocke serviert. Der Haus-Patissier des Hotels hat den Cake speziell für mich gebacken. Natürlich existiert auch bei Four Seasons im Hintergrund ein CRM, wo Gäste- oder Kundendaten im Detail ersichtlich und weltweit in allen Four Seasons Hotels abrufbar sind. Aber am Ende geht es darum, diese Gästedaten im Hotelalltag sinnvoll und als Grundlage für ein einzigartiges Gästeerlebnis zu nutzen. Den Gast verblüffen, überraschen, seine Erwartungen nicht bloss erfüllen, sondern übertreffen – um das geht es im «Gastgewerbe». Ja, es sind die vielen kleinen Details, die den grossen Unterschied ausmachen. Details, Erlebnisse, Geschichten, Emotionen. Das sind die neuen Schlüsselbegriffe in der Hotellerie, egal ob in Zürich oder Zermatt. Egal, ob im Dreisterne- oder Luxushotel. Four Seasons macht es vor!

Hans R. Amrein

Bildlegende Hauptfoto: Rainer Stampfer, President of Global Operations Four Seasons. Bild: Four Seasons Media

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