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Reports Schweiz

Inside-Gespräch mit Accor-Chef Sébastien Bazin: Wie sieht die Zukunft der Hotellerie aus?

Mit einem Umsatzplus von 9,2 Prozent startet Accor, der grösste Hotelkonzern Europas und die grösste Hotelgruppe der Schweiz, erfolgreich ins Geschäftsjahr 2025. Besonders stark wächst der Bereich Luxury & Lifestyle. Rolf Westermann, Mitglied der Chefredaktion der ahgz, sprach mit Accor-CEO Sébastien Bazin über die globale Entwicklung des Hospitality-Marktes.

Accor Hotels in Bern (Messe).

Accor meldet für 2025 einen erfolgreichen Jahresauftakt. Im ersten Quartal erzielt das Unternehmen einen Umsatz von 1,349 Milliarden Euro – ein Plus von 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dieses Wachstum setzt sich aus einem Anstieg von 1,8 Prozent für den Bereich Premium, Midscale und Economy und einem Anstieg von 17,9 Prozent für den Bereich Luxury & Lifestyle zusammen.

Die positiven Ergebnisse spiegeln sich auch in der Expansion wider: Im ersten Quartal 2025 eröffnete Accor 45 Hotels mit insgesamt über 5900 Zimmern, was einem Nettozuwachs von 2,7 Prozent in den letzten zwölf Monaten entspricht. Das globale Netzwerk umfasst nun 5695 Hotels mit rund 847 290 Zimmern und eine Projektpipeline mit mehr als 235 000 Zimmern in 1388 geplanten Hotels.

Sébastien Bazin, CEO von Accor.     

Accor-CEO Sébastien Bazin betont die Widerstandsfähigkeit der Gruppe trotz geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten: „Unsere breit diversifizierte Marktpräsenz und das starke Markenportfolio tragen dazu bei, dass wir auch in einem herausfordernden Umfeld weiter wachsen können.“

Interview mit Sébastien Bazin

Sébastien Bazin, Sie sind seit 2013 Chairman & CEO von Accor. Damals waren die Zeiten anders. Es gab noch keinen Krieg gegen die Ukraine, keine Covid-Pandemie und keinen Konflikt zwischen den USA und Europa. Wie resilient ist die Hotelindustrie? 

Die Hotelindustrie hat drei Antriebe. Der erste ist das Bevölkerungswachstum. Zweitens, die Mittelschicht wird stärker, die Kaufkraft nimmt zu. Und die Infrastruktur wird ausgebaut, Flughäfen, Züge, Straßen. So lange diese drei Motoren laufen, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, dass es Probleme im Tourismus gibt. Die nächsten Fragen lauten, wo und wie will ich das Spiel machen. Wichtig sind die am schnellsten wachsenden Märkte wie China, Indien und vor zehn Jahren war das noch Brasilien. Und dann braucht man die richtigen Partner. Alles in allem: Die Hotelindustrie zeigt sich sehr resilient.

Fürchten Sie angesichts der Konflikte (Zölle, Kriege, mögliche Rezession in den USA usw.) Reiseeinschränkungen? 

Nein, im Gegenteil. Das Reisen wird immer leichter. So gibt es zum Beispiel immer mehr Budget-Fluggesellschaften. Aber in ungewissen Zeiten kommen Ängste hoch. Menschen suchen Sicherheit, legen Geld für den Notfall zurück. Das ist vielleicht das größte Hindernis.

Ibis Hotel Bulle, Freiburg.

Sie wurden kürzlich als Chairman of the Board für weitere drei Jahre bestätigt. Als Sie 2013 das Amt übernommen haben, erklärten Sie, die Transformation von Accor könnte vier Jahre dauern, was also bleibt noch zu tun? 

Ich habe niemals erwartet, so lange im Amt zu bleiben. Am Anfang lag ich falsch mit den vier Jahren. Es waren drei Jahre mehr als erwartet, dann kam die Covid-Pandemie und so wurde es eine lange und schwierige Reise der Transformation. Nun liegt die Transformation hinter uns und es gibt keine Notwendigkeit, Accor weiter zu transformieren. Wir haben eine gute Wirtschaftsbilanz, die richtigen Marken in wichtigen Regionen und die Talente. 
Nun geht es um die Belohnung. In den Jahren 2023 bis 2027 erwarten wir ein jährliches Umsatzwachstum von 5 bis 7 Prozent, das Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) wird sogar um 9 bis 12 Prozent steigen. Das geht die nächsten 5 Jahre so. Aber nun bereite ich die Jahre 2027 bis 2030 vor, nicht mehr für mich, sondern für die Person, die mir nachfolgt. Ich werde bis Mai 2028 bleiben, wenn es die Generalversammlung akzeptiert. Auf meiner Liste stehen noch fünf Dinge.

Welche sind das? 

Ich möchte eine bessere Gewinnmarge erzielen, auch um einen Puffer für geopolitische Herausforderungen aufzubauen. Accor-Invest soll verkauft werden, wir haben noch einen Anteil von 30 Prozent an dem Hotelimmobilienunternehmen. Ennismore ist ein so großer Erfolg, dort möchte ich das Wachstum beschleunigen. Dann geht es darum, unser Engagement in Indien zu überdenken. Heutzutage sind wir zu oft Zuschauer, aber wir wollen auch dort ein führendes Unternehmen werden. Und wir brauchen die richtigen Talente für die Nachfolge an der Unternehmensspitze. Wenn das getan ist, gehe ich joggen im Park.

Ibis Chur.

Wie ist der Stand bei Accor-Invest? Gibt es schon Interessenten für den Kauf?

Nein, wir müssen den Verkaufsprozess erst vorbereiten. Es geht immerhin um 700 Hotels. Das wird 12 bis 18 Monate dauern, sodass wir Ende 2026 zum Verkauf kommen können.

Das wird wieder Milliardeneinnahmen bringen. Was macht Accor damit? 

Das Portfolio hat einen Wert von rund 8 Mrd. Euro, das Eigenkapital liegt bei 4 Mrd. Euro, also bleibt beim Verkauf rund 1 Mrd. Euro für Accor übrig.

Was wird Accor damit machen? 

Die große Mehrheit wird zurück an die Shareholder fließen.

Ibis Bern Messe.

Während Ihrer Amtszeit ist die Zahl der Accor-Hotels um mehr als 2000 auf mehr als 5600 gestiegen. Die Zahl der Zimmer hat sich fast verdoppelt (von 450.000 auf 850.000 heute). Das Markenportfolio wuchs sogar noch stärker, von 14 auf mehr als 45. Haben Sie das übertrieben? 

Es ist noch nicht zu Ende. Ich habe das ja so im Detail nicht geplant. Während meiner Amtszeit habe ich drei Dinge getan: Die Asset-light-Strategie eingeführt und die Hotelimmobilien verkauft. Dann haben wir uns geografisch breiter aufgestellt und das Luxussegment verstärkt. Schließlich haben wir die Organisationsstruktur mit „Premium, Midscale & Economy“ und „Luxus & Lifestyle“ aufgestellt. 

Diese drei Kapitel waren mir klar, als ich begonnen habe. Aber dass wir dann in 110 Ländern tätig sein werden und mehr als 45 Marken haben, das war so im Detail nicht festgelegt. Es ist bizarr, aber ich habe kein viertes Kapitel im Kopf heutzutage. Eine Herausforderung ist, dass die Amerikaner sehr gut sind in den USA und die Chinesen in China. Accor ist gut außerhalb von China und den USA. Da gibt es also noch eine große Welt zu erobern.

Mövenpick Basel.

Das ALL-Treueprogramm hat kürzlich die Marke von 100 Millionen Mitgliedern erreicht. Wie können Sie zu den größeren Playern aufschließen – Bonvoy von Marriott etwa hat mehr als 220 Millionen Mitglieder? 

Wir sind sehr glücklich. Bei den anderen kommen 70 Prozent der Mitglieder aus den USA, die bei allen großen Marken eine Mitgliedschaft haben. Wir haben dort weniger als 5 Prozent der Mitglieder, das heißt, wir sind viel stärker diversifiziert. Die Größe ist wichtig, aber die Diversifizierung steht noch darüber. Natürlich wäre ich froh, wenn wir über 200 Mio. Mitglieder hätten, und die Programme der US-Ketten sind schon sehr gut.

Novotel Zürich.

Ist der Wandel zur Norm geworden? 

Sind ruhigere Zeiten eine Illusion? Ich glaube nicht, dass es ruhiger wird, aber es wird unterschiedlich sein. Wir haben bisher 80 Prozent unserer Energie in die Transformation gesteckt. Nun schauen wir wieder nach draußen statt nach innen. Dabei geht es etwa um Tourismus, Nachhaltigkeit, Foodwaste, Development.

Trotz aller guten Zahlen liegt die Zimmerauslastung bei 67 Prozent. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Drittel der Zimmer immer frei ist. Kann das deutlich reduziert werden? 

Wir liegen damit immer noch einen Prozentpunkt unter dem Wert von 2019. Wenn die drei am Anfang genannten Motoren gut laufen, steigt die Nachfrage, aber es ist ein langsamer Prozess. In den vergangenen zehn Jahren lagen wir immer zwischen 65 und 69 Prozent Belegung. Wir sind glücklicher mit zehn Prozent Preiserhöhung und derselben Belegung als mit steigender Belegung bei sinkenden Raten. Die GMs kümmern sich eher um gute Raten, das respektiere ich.

Accor hat noch Lücken in Nord- und Südamerika. Saudi-Arabien und der gesamte Nahe Osten sind starke Expansionsmärkte. Wie hat sich die Bedeutung der DACH-Region verändert? 

Es ist unverzichtbar, dass wir in den Ländern unserer Herkunft stark sind. So werden wir niemals in West- und Zentraleuropa nachlassen, denn hier haben wir den größten Marktanteil und unsere Wurzeln. Hier machen wir nicht die Türen für Wettbewerber auf. Das Wachstumstempo ist im Nahen Osten und in Asien dreimal so wichtig wie in Europa. So müssen wir beides tun: Weiter in Europa verankert bleiben und schnell in den neuen Märkten wachsen. Als ich begonnen habe, lag der Anteil von Europa bei 80 Prozent, heutzutage sind es noch 42 Prozent.

25hours Hotel Zürich-Langstrasse.

Warum haben Sie keine Mehrheitsbeteiligung an der Budgethotelkette Motel One erworben? 

Zu viele Mietverträge. Wir haben uns ja für Asset light entschieden. Das ist ein Bekenntnis gegen eigene Immobilien und Mietverträge. Motel One ist ein Asset-heavy-Lease-Modell. Dahin möchten wir nicht zurück.

Sie haben kürzlich in einem Interview über Ihre US-Pläne gesagt: „Die Prophezeiung war lange, lange Zeit, dass die Europäer, wenn sie nach Amerika gehen, mit der Concorde fliegen und mit dem Charterflugzeug zurückkommen.“ Haben Sie nun einen Weg gefunden, mit der Concorde oder zumindest mit dem A380 zurückzukommen? 

Mein A380 ist, dass man mit Lifestyle und Luxus in den USA einiges gewinnen kann. Das Markenversprechen von Raffles, Fairmont, Orient Express, Sofitel und aller Ennismore-Marken ist so sexy, dass viele Amerikaner das auch wollen. Damit können wir Erfolg haben, nicht mit Premium, Midscale und Economy.

Vor einem Jahr auf dem IHIF in Berlin haben Sie sich kritisch über den Zustand der Welt geäußert und die sozialen Medien für einen Großteil des Chaos verantwortlich gemacht. Stimmt es, dass Sie nicht auf Facebook, Instagram und LinkedIn sind? 

Null, gar nichts! Es ist noch schlimmer. Ich habe noch nie etwas bei Amazon gekauft oder einen Uber bestellt. Auf meinem Schreibtisch steht auch kein Computer, aber ich habe ein iPad, das ich alle zehn Tage öffne.

Wie gehen Sie damit in Ihrer Familie mit vier Kindern um?

Ehrlich gesagt spare ich zwei Stunden am Tag. Ich bin als Vertreter der Old School sehr glücklich darüber. Ich brauche es persönlich nicht und will es nicht. Beruflich ist es vielleicht weniger gut und manche könnten sagen, ich wäre ein besserer CEO, wenn ich das verstehen würde. Ich akzeptiere die Kritik, aber ich versuche, mein persönliches Leben zu schützen.

Swissôtel Kursaal Bern.

In Ihrer Amtszeit haben Sie auch das Luxus- und Lifestyle-Segment stark ausgebaut. Jetzt wird die Marke Orient Express gerade wiederbelebt – mit Hotels, Schiffen und Zügen. Wie ist der Stand der Dinge bei der geplanten 220 Meter langen, größten Segelyacht der Welt mit 54 Luxussuiten? 

Das Schiff soll im Jahr 2026 in die Karibik segeln. Es geht am 1. Mai 2026 beim Festival von Cannes los, dann kommt der Grand Prix von Monaco. Es sieht fabelhaft aus und es ist ein großes Abenteuer. Wir haben den Verlauf gerade eröffnet und die Nachfrage läuft sehr gut. Das Schiff ist noch nicht fertig, aber man kann mit einem Segelschiff mit 17 Knoten schneller unterwegs sein als mit einer Motoryacht. Das wurde vorher in der Größe noch nie gemacht.

Sie haben in Ihrem Leben mehrfach die Rollen gewechselt, als Finanzhai, Fußballpräsident und langjähriger Accor-Chef. Was kommt als Nächstes? 

Sehr wahrscheinlich eine Non-Profit-Organisation. Ich bin jetzt schon Vizepräsident der Stiftung des größten Krebskrankenhauses in Europa, Gustave Roussy, und ich engagiere mich gegen Kindesmissbrauch.

Sébastien Bazin, vielen Dank für das Gespräch!

Hinweis: Das hier publizierte Interview mit Sébastien Bazin wurde als Erstveröffentlichung auf dem deutschen Online-Portal ahgz veröffentlicht.

Quelle & Copyright: ahgz online, April 2025

Sébastien Bazin, CEO von Accor.     

Wer ist Sébastien Bazin?

Der 63-Jährige ist seit 2013 CEO und Chairman of the Board von Accor. In dieser Zeit hat Bazin das Unternehmen von einem Hotelkonzern zu einem globalen Lifestyle- und Luxus-Player sowie Erlebnisanbieter mit einer Asset Light-Strategie transformiert. Seine Karriere begann nach dem Studium in den USA und Großbritannien. Er war rund 30 Jahre lang in der Finanzbranche als eher kurzfristig orientierter Investor tätig und saß dabei unter anderem auch im Verwaltungsrat von Accor, bevor er dort operativer Chef wurde. Zu Bazins vielfältiger Karriere gehört auch, dass er der 14. Präsident des Fußballclubs Paris Saint-Germain war.

Bildlegende Hauptfoto: Sébastien Bazin, CEO von Accor.     

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