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Reports Schweiz

Hotelier Hans Zurbrügg: Heftiger Streit um Jazzhotel und Steuerschulden…

Das einzige Jazzhotel der Welt steht in Bern. Was der Hotelier und ehemalige Jazzfestival-Organisator Hans Zurbrügg (78) in der Bundesstadt vor etwa 30 Jahren geschaffen hat, ist einzigartig und gilt auch heute noch als Treffpunkt der internationalen Jazzszene. Laut der Berner Zeitung BZ vom vergangenen Samstag steckt Zurbrügg nun in akuten Schwierigkeiten. Es geht um Steuerschulden und die Nachfolge für das «Hotel Innere Enge». Faktisch sei das Hotel überschuldet und Konkurs, schreibt die BZ.

Kaum zu glauben: Hans Zurbrügg, Hotelier und früher Finanzchef der Gauer Hotels in Bern, ehemaliger Organisator des internationalen Jazzfestivals in Bern und selbst Jazzmusiker (Wolverines Jazzband), ein Mann mit besten Beziehungen in der weltweiten Jazzszene, einer, der fast alle grossen Namen der Jazzgeschichte in die Schweiz geholt hatte – dieser Hans Zurbrügg soll nun wirtschaftlich am Ende sein. Dies behauptet jedenfalls die Berner Zeitung BZ in der Samstagsausgabe (28. Januar).

Laut BZ war die Nachfolge für den 78-jährigen Zurbrügg im Jazz-Hotel bereits seit einigen Jahren geregelt. Einem Wechsel an der Spitze des Unternehmens stand nichts mehr im Wege. Der Unternehmer Marc Ledermann wollte das Hotel übernehmen und übernahm das Grundstück in der Inneren Enge in Bern 2018 im Baurecht. Ledermann übernahm auch die Hälfte der Betreibergesellschaft, welche das Hotel operativ führt. «Vertraglich geregelt war, dass Ledermann per Anfang 2022 die gesamte Firma übernehmen und das Ehepaar Zurbrügg-Gauer die Geschäftsführung abgeben werde», so die Berner Zeitung BZ.

Nun wolle Hans Zurbrügg die Geschäftsführung nicht mehr abgeben, er betrachte den Übernahmevertrag als ausgelaufen, so die BZ. Für den bald 79-jährigen Zurbrügg gehe es um sein Lebenswerk. In seinen Augen wurde vertraglich vereinbart, dass Ledermann die Innere Enge unverändert als «Unique Jazz Hotel» weiterführen wird. Für Ledermann hingegen sei klar, so die BZ, dass das Hotel eine sanfte Renovation benötigt. Zudem schwebe Ledermann vor, das Hotel stilistisch zu öffnen.

Nun sei Marc Ledermann blockiert. Er wolle die Übernahme der Firma nun gerichtlich durchsetzen, schreibt die BZ. Ledermann habe deshalb den Pachtvertrag aufgekündigt. Doch Zurbrügg habe diese Kündigung angefochten. Nun werde sich die Schlichtungsbehörde und später allenfalls ein Gericht mit dem Fall befassen, so die BZ.

Das Berner Jazz-Hotel gehörte bis 2015 Hans Zurbrügg und seiner Frau Marianne, geborene Gauer (Schweizerhof Bern).  Vor sieben Jahren verkaufte Zurbrügg das Hotel den beiden Berner Industriellen Walter Inäbnit und Christoph Haag. Laut Berner Zeitung kam es zwischen Zurbrügg und den beiden Industriellen zu «Reibereien». «Uns so waren alle froh, als 2018 ein neuer Investor bereit war, das Grundstück für 12 Millionen Franken zu übernehmen. Es handelte sich um Marc Ledermann, in Bern aufgewachsen und heute 51-jährige» (BZ). Ledermann habe mit dem Aufbau von zwei Hochschulunternehmen im Ausland ein Vermögen gemacht, schreibt die BZ weiter.

Ledermann gewährte dem Hotel und Hans Zurbrügg privat mehrere Darlehen, insgesamt ein höherer sechsstelliger Betrag. Und man einigte sich in einem Vertrag darauf, dass Ledermann per 1. Januar 2022 die gesamte Firma kaufen und das Ehepaar Zurbrügg-Gauer die Geschäftsführung abgeben werde.

Die Berner Zeitung schreibt: «Doch je näher dieser Stichtag rückte, desto grösser wurde der Graben zwischen Pächter und Verpächter. Der Übergabetermin wurde zweimal verschoben. Inzwischen betrachtet Zurbrügg den Übernahmevertrag als ausgelaufen…

Ein anderer Streitpunkt sei der Wert des Hotels. Laut einer externen Bewertung sei dieser «nahe null», so Ledermann zur BZ. Denn ein Blick ins Betreibungsregister zeige, dass die H. Zurbrügg & M. Gauer AG über 300 000 Franken Steuerschulden habe. Offenbar wurde jahrelang die Mehrwertsteuer nicht an den Bund abgeliefert, wofür Zurbrüggs Firma betrieben wurde. «Weil nichts zu holen war, musste sich die Steuerverwaltung mit Verlustscheinen begnügen», so die BZ.

Abgesehen von den Steuerschulden, sei die finanzielle Lage der Hotel-Betreiberfirma desolat, wie dem Revisorenbericht zur Jahresrechnung 2021 zu entnehmen sei. «Die Firma ist eigentlich überschuldet. Nur dank buchhalterischer Kunststücke wurde sie noch nicht in den Konkurs geschickt», schreibt die Berner Zeitung.

Und was sagt Marc Ledermann dazu? Er bereue es inzwischen, die Firma bei Vertragsabschluss mit Zurbrügg nicht genauer durchleuchtet zu haben, sagte er der BZ. «Leider habe ich Zurbrügg vertraut und seiner Selbstdarstellung als erfolgreicher Hotelier geglaubt.»

Interview mit Hans Zurbrügg aus dem Jahr 2018

Hotel Inside-Publizist Hans R. Amrein sprach im Jahr 2018 mit Hans Zurbrügg über sein Jazzhotel. Hier ein Auszug aus dem Interview:

Hans Zurbrügg, Sie besitzen und führen, zusammen mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn, das einzige Jazz-Hotel der Welt. Gibt es in New Orleans oder New York tatsächlich kein vergleichbares Haus?
Nach meinem Wissen nicht. Die Innere Enge ist das einzige richtige Jazz-Hotel weltweit.

Was sind Sie nun eigentlich: Hotelier, Unternehmer, Jazzmusiker, Festivalorganisator?
Ich bin vor allem Hotelunternehmer und Jazzliebhaber. Sprechen Sie bitte nicht von Jazzmusiker!

Hans Zurbrügg gilt als einer besten Kenner der internationalen Jazzszene. Sie unterhalten ein weltweites Jazz-Netzwerk wie kaum ein anderer. Und Sie haben vor über 40 Jahren das Jazzfestival Bern gegründet – eines der wichtigsten Festivals für swingenden Jazz überhaupt.
Ja, natürlich habe ich die besten Beziehungen in der Jazzszene. Ich kenne mich da inzwischen auch sehr gut aus. Aber wichtig ist, was die Leute, die Gäste und die Jazzfans sagen…

Und was sagen die?
Viele flippen in der Tat fast aus, wenn Sie sehen, wer hier im „Marians Jazzroom“ alles auftritt oder aufgetreten ist. Da spielen oder spielten die grössten Jazzmusiker der Welt. Musiker, welche die Jazzgeschichte massgeblich geprägt haben oder immer noch prägen. Namen wie Dizzy Gillespie, Louis Bellson, Clark Terry, Milt Hinton, Stan Getz, John Lewis und das Modern Jazz Quartet…Daneben spielen heutige Namen wie die japanische Super-Pianistin Hiromi eine wichtigte Rolle.

Sie alle und noch viele andere Jazzgrössen haben hier im Hotel gespielt und gewohnt.
Richtig. Musiker wie Oscar Peterson oder Lionel Hampton waren hier im Hotel Stammgäste. Deshalb tragen die Zimmer im Hotel auch die Namen der Musiker, die hier übernachtet und gewohnt haben. Wenn Sie heute im Oscar Peterson-Zimmer übernachten, können Sie davon ausgehen, dass der Pianist hier oft gewohnt hat.

In den Zimmern hängen Bilder, Gegenstände, Instrumente, Partituren und andere Dokumente von den erwähnten Jazzmusikern. Sind diese Dinge tatsächlich echt, also Originale?
Was glauben Sie denn! Natürlich! Alles ist authentisch. Viele Dokumente hat uns George Wein, Pianist und einer der grössten Jazzmanager der Welt – er hat 1954 das Newport Jazzfestival gegründet –, geschenkt. Die „Innere Enge“ ist heute für viele grosse Musiker so etwas wie eine „Heimat“. Deshalb haben Sie uns auch wertvolle Dokumente und sogar Instrumente anvertraut. Das Schlagzeug von Louis Bellson (einer der grössten Schlagzeuger der Jazzgeschichte, die Red.) steht hier im Hotel. Das Vibraphon von Jazzlegende Lionel Hampton können Sie im ersten Stock besichtigen.

Ihr Hotel ist ein Jazzmuseum.
Nein, ist es nicht. Es gibt verschiedene Jazzmuseen in Europa und Amerika. Die sind aber nicht vergleichbar. Unser Hotel lebt!

Sie haben die Liegenschaft 1992 erworben. War es schon damals ihr Ziel, aus dem Haus ein Jazz-Hotel zu machen?
Ich bin seit 1972 in der Hotellerie tätig. Als Hotelier war mir immer klar, dass man einem Hotel einen ganz persönlichen Stempel aufdrücken muss. Dass aus dem Haus dann ein Jazz-Hotel geworden ist, konnten wir so nicht sofort voraussehen, das hat sich so ergeben. Was wir 1992 wussten: Im Untergeschoss des Hotels sollte ein Jazz-Raum – kein Jazz-Club! – entstehen. So entstand „Marians Jazzroom.“

Heute einer der besten Jazzclubs der Welt…
…eben nicht Jazzclub, sondern Jazzroom! Ich darf sagen, dass wir hier unten eine phänomenale Akustik haben – und die Musiker fühlen sich unheimlich wohl. Dies ging 1993 so weit, dass John Lewis mit seinem weltberühmten Modern Jazz Quartet hier eine Woche lang spielen wollte.

Sie sind mit vielen Musikern eng befreundet, deshalb spielen die auch hier im Hotel.
Das stimmt. Die meisten Musiker sind oder waren unsere Freunde, zum Beispiel der grosse Bassist Milt Hinton. Ihm haben wir übrigens das erste Zimmer gewidmet. Mit Ausnahme von Louis Armstrong haben alle Musiker, denen wir ein Zimmer gewidmet haben, längere Zeit hier gewohnt. Diese Tatsache ist mir wichtig, denn: Alles im Hotel muss echt sein! Also keine Show, kein Disneyland, keine künstlichen Inszenierungen. Jeder Gegenstand hat eine Geschichte – einen authentischen Hintergrund.

Wer hat eigentlich die Jazz-Zimmer eingerichtet?
Meine Frau Marianne. Sie war eine erfolgreiche und international tätige Hotel-Designerin. Sie hat das ganze Haus von A bis Z konzipiert und gestaltet. Schauen Sie sich mal die Zimmer an! Die wurden vor 25 Jahren gestaltet – und sind grundsätzlich immer noch top.

14 der 26 Hotelzimmer sind derzeit Jazz-Zimmer.
Ja. Was wir hier in keinem Fall wollen: 08.15-Zimmer, wie man sie vielerorts findet. Deshalb hängen in den Nicht-Jazz-Zimmern heute auch keine Bilder.

Die Jazz-Zimmer und „Marians Jazzrooom“ sind das eine, das andere ist die Gastronomie. In der Brasserie bieten Sie sogenannte Jazz-Menus an…
…es sind die Lieblingsspeisen verschiedener Musiker. John Lewis hat hier immer Krabbenküchlein gegessen. Jetzt bieten wir die auf der Karte an. Milt Hinton liebte Hackbraten, Lionel Hampton glasierte Pouletwürfel mit Kartoffelpüree; oder Hazy Osterwalds Lieblingsessen waren gegrillte Kalbkoteletten mit Kartoffelgratin. Die Gerichte können Sie heute in der Brasserie neben der normalen Karte bestellen.

Bern, die etwas verschlafene, ruhige Beamtenstadt. Der ideale Standort für ein Jazz-Hotel?
Dazu zwei Dinge: Draussen in der Welt, in New York, London oder Berlin nimmt man unser Hotel sehr wohl wahr. Da schwärmt man von unserem Angebot.

Und in Bern?
Aufgrund der Besucherfrequenzen darf ich sagen, dass immer mehr Bernerinnen und Berner unser Angebot schätzen. Kommt hinzu, dass der Jazz in Bern eine lange Geschichte hat. Hier entstand vor vielen Jahren die erste Schweizer Jazzschule, hier haben nach dem Krieg viele berühmte Jazzmusiker aus Amerika in den Clubs gespielt. Dann kam das Jazzfestival Bern. Der Jazz ist in Bern ein Thema, natürlich nicht so wie der Sport, der in den Medien ein viel grösseres Echo auslöst.

Was, wenn Sie eines Tages ganz aufhören?
Ein normales Hotel einem Nachfolger übergeben – das ist kein Problem. Aber ein Jazz-Hotel? Zum Glück hat mein Sohn Benny eine starke Beziehung zum Jazz. Er organisiert ja auch das Jazzfestival. Ich habe damit überhaupt nichts mehr zu tun. Die operative Führung ist seit Frühjahr 2009 klar geregelt: ein Hoteldirektor führt den Hotelbetrieb, mein Sohn den Bereich „Jazz.“

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