Ufuk Seçgin, Mitgründer und Marketingchef von Halalbooking, erklärt im Interview mit Hotel Inside-Korrespondent Klaus Oegerli, wie aus einer persönlichen Reiseerfahrung eine Buchungsplattform für halalfreundliche Ferien entstand. Zudem zeigt er auf, wie Hotels – auch in der Schweiz – diese Zielgruppe ohne grosse Veränderungen erfolgreich ansprechen können.

Herr Seçgin, was hat Sie zur Gründung der Plattform Halalbooking inspiriert, und wie hat sich die Plattform seither entwickelt?
Halalbooking wurde vor etwas mehr als zehn Jahren von einer Gruppe muslimischer Freunde gegründet, die in Grossbritannien in namenhaften Blue-Chip-Unternehmen tätig waren. Sie stellten fest, dass sie bei ihren Reisen stets vor denselben Herausforderungen standen: Um ihre Ferien geniessen zu können, mussten sie viel Zeit in die Recherche investieren – etwa um herauszufinden, ob es Halal-Speisen gibt, ob ihre Ehefrauen und Töchter mit Burkinis den Hotelpool nutzen dürfen, oder ob die ganze Familie in einem Zimmer untergebracht werden kann. Mit ihrem technischen Know-how wollten sie dieses Problem lösen – und so entstand das Konzept von Halalbooking. In etwas mehr als einem Jahrzehnt hat sich Halalbooking von einer Nischenplattform mit rund 100 Hotels zu einem globalen Marktführer entwickelt – heute bietet die Buchungsplattform über 500 000 Hotels weltweit an. Im Jahr 2024 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 75 Millionen US-Dollar und zählt über 1,4 Millionen Mitglieder in seinem Treueprogramm.
In den vergangenen Jahren hat Halalbooking das Angebot für seine Kunden massiv erweitert: Während die Gäste 2019 in lediglich 732 verschiedenen Hotels in nur wenigen Ländern übernachteten, waren es 2024 bereits 13’176 Hotels in 98 Ländern. Heute ist Halalbooking sowohl als Website als auch als App verfügbar – jeweils in sechs Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Türkisch, Arabisch und Russisch.

Wie definieren Sie ein «halalfreundliches Hotel» – und welche Kriterien muss eine Unterkunft erfüllen, um gelistet zu werden?
Es liegt nicht an uns, zu definieren, was ein Hotel «halal-freundlich» macht – vielmehr entscheiden unsere Kundinnen und Kunden selbst, was ihnen bei einer Unterkunft wichtig ist. Halalbooking hat dafür einzigartige Halal-Filter entwickelt, mit denen jeder und jede gezielt nach den eigenen Halal-Bedürfnissen filtern kann. Zu den Optionen gehören unter anderem Halal-Speisen, alkoholfreie Bereiche, Wellness- oder Poolbereiche nur für Frauen oder die Möglichkeit, einen Burkini im Pool oder am Strand zu tragen. Für alle, die mit dem Begriff nicht vertraut sind: Ein Burkini besteht aus speziellem Badebekleidungsstoff und ähnelt Neoprenanzügen oder Rash Westen mit funktionellem UV-Schutz – bestehend aus einer langen Tunika, Leggings und gegebenenfalls einer Kopfbedeckung. Er ist mit den sogenannten «Sonnenschutzanzügen» vergleichbar, die viele Kinder am Strand tragen.
Hotels müssen sich also keine Gedanken um Hygiene machen. So haben unsere Kundinnen und Kunden volle Entscheidungsfreiheit – und ihre Wünsche können je nach Ferienart variieren. Bei einer Geschäftsreise oder einem Städtetrip ist vielleicht nur wichtig, dass Halal-Speisen angeboten werden. Für Badeferien hingegen ist es oft entscheidend, dass das Tragen von Burkinis im Hotel erlaubt ist.
Die Hotels auf unserer Website und in unserer App decken ein breites Spektrum an Halal-Freundlichkeit ab – von kleinen Anpassungen, wie der Entfernung von Alkohol aus der Minibar im Zimmer, bis hin zu umfassenden Angeboten, wie sie etwa die halal-freundlichen Resort-Hotels in der Türkei bieten. Diese sind vollständig alkoholfrei, servieren ausschliesslich Halal-Speisen und verfügen über geschlechtergetrennte Bereiche – mit eigenem Strand, Pool, Spa und Restaurant. Wir heissen jedes Hotel willkommen, das auf unserer Plattform gelistet werden möchte – wir setzen keine spezifischen Aufnahmekriterien voraus. Allerdings gilt: Je mehr halalfreundliche Dienstleistungen und Einrichtungen ein Hotel anbietet, desto höher wird es in den Suchergebnissen auf unserer Website angezeigt und desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von unseren Kunden gebucht wird. Manchmal ist es für unsere User genauso wichtig zu wissen, was nicht angeboten wird, um ihre Erwartungen realistisch einschätzen und entsprechend planen zu können.

Welche zentralen Trends treiben derzeit das Wachstum des Halal-Tourismus an?
Unsere wichtigsten Quellmärkte liegen in Europa: die Türkei, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich. In diesen Ländern wächst nicht nur die muslimische Bevölkerung, sie wird auch wohlhabender und ist zunehmend auf der Suche nach neuen Reisezielen und vielfältigeren Reisemöglichkeiten. Besonders die jüngere Generation reist lieber individuell und bucht ihre Unterkünfte online – über Plattformen wie unsere. Auch wohlhabende muslimische Reisende aus den Golfstaaten sowie aus zentralasiatischen Ländern wie Usbekistan und Kasachstan reisen zunehmend häufiger und weiter. Sie stellen höhere Ansprüche an Qualität und Service, was sich insgesamt positiv auf den Markt auswirkt. Viele Länder erkennen inzwischen, wie attraktiv es ist, muslimische Reisende als Zielgruppe zu gewinnen. Daher sind sie zunehmend bereit, in die nötige Infrastruktur und entsprechende Angebote zu investieren, um den Bedürfnissen dieses wachsenden Segments gerecht zu werden. So entsteht ein positiver Kreislauf: Immer mehr Musliminnen und Muslime reisen weiter und häufiger – und damit wächst auch das allgemeine Bewusstsein für ihre Bedürfnisse.
Wie unterscheidet sich das Buchungsverhalten halalbewusster Reisender von anderen Kundensegmenten?
Die Buchungstrends für Ferien in unserem Segment ähneln im Grossen und Ganzen denen des Mainstreams. Allerdings beobachten wir, dass unsere Kundinnen und Kunden in Zeiten der Unsicherheit – zum Beispiel direkt nach der Pandemie, als sich die Welt langsam wieder für Reisen öffnete – oft abenteuerlustiger sind als die breite Masse. Das ist einer der Gründe, warum sich unsere Umsätze so schnell erholt haben und bereits 2021 das Vor-Corona-Niveau übertrafen.
Ein Trend, der besonders erwähnenswert ist: Muslimische Familien sind im Durchschnitt oft grösser, und nicht selten reisen mehrere Familien gemeinsam – häufig auch in mehrgenerationellen Gruppen. Um diesen besonderen Anforderungen gerecht zu werden, hat Halalbooking neben den bewährten Halal-Filtern auch spezielle Funktionen entwickelt, die das Reisen für grössere Familien erleichtern. Unser Buchungssystem ist in der Lage, mehrere Familiengruppen gleichzeitig zu verwalten, berücksichtigt dabei das Alter der Kinder und schlägt automatisch geeignete Zimmerkategorien vor. Dabei können Nutzer gezielt filtern, ob sie ausschliesslich Familienzimmer sehen möchten, in denen alle gemeinsam untergebracht sind, oder ob auch nebeneinanderliegende oder verbundene Zimmer in Frage kommen.

Welche Hotel-Typen oder Destinationen schneiden auf Ihrer Plattform besonders gut ab – und warum?
Die Türkei ist unser beliebtestes Reiseziel – nicht zuletzt, weil sie weltweit als führend im Bereich Halalfreundlichkeit gilt. Besonders Kundinnen und Kunden, die alkoholfreie Hotels mit exklusiven Bereichen nur für Frauen – etwa Strände und Pools – suchen, fühlen sich hier bestens aufgehoben. Auch Saudi-Arabien ist ein gefragtes Reiseziel – insbesondere für Reisende, die die muslimische Pilgerreise, bekannt als Umrah, unternehmen möchten. Für diesen Markt hat Halalbooking ebenfalls Funktionen entwickelt, die es den Nutzerinnen und Nutzern erleichtern, das passende Hotel entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse auszuwählen.
Wie bereits erwähnt, haben unsere Kundinnen und Kunden im vergangenen Jahr in 98 verschiedenen Ländern übernachtet. Reiseziele im Golfraum wie Dubai und Katar sind besonders beliebt – ebenso wie klassische Stranddestinationen wie die Malediven, Thailand oder Ägypten. Besonders geschätzt werden Unterkünfte, die ein gewisses Mass an Privatsphäre bieten – etwa Villen mit privaten Pools, die vollständig uneinsehbar sind oder entsprechend gestaltet werden können. «Vollständig uneinsehbar» bedeutet, dass der Poolbereich von aussen nicht einsehbar ist. Das ist für viele muslimische Reisende von grosser Bedeutung, da weibliche Familienmitglieder dort ihren Hijab ablegen können, ohne gesehen zu werden. Auch europäische Reiseziele wie Berlin, London, Rom, Zürich oder Sarajevo sind sehr beliebt – insbesondere für Städtetrips oder kulturelle Entdeckungsreisen. Spanien gehört dabei stets zu den Favoriten, nicht zuletzt wegen seiner reichen islamischen Geschichte, insbesondere in Andalusien.

Was sind die grössten Missverständnisse, die Hoteliers über Halal-Reisen oder muslimische Gäste haben?
Das häufigste Missverständnis, dem wir begegnen, ist die Annahme vieler Hotels, dass Halal-Reisen etwas völlig anderes vom Mainstream-Tourismus sei. Immer wieder erhalten wir E-Mails von Hotels mit der Bitte, von Halalbooking entfernt zu werden, mit der Begründung: «Wir richten uns nicht an muslimische Gäste.» In solchen Fällen nimmt unser Supplier-Team Kontakt auf und erklärt das Konzept hinter Halalbooking: Selbst ohne besondere Anpassungen können Hotels von dieser wachsenden Zielgruppe profitieren – allein durch das Ausfüllen eines kurzen, benutzerfreundlichen Fragebogens zu ihren Einrichtungen und Dienstleistungen über unser Extranet. So werden ihre Angebote besser auffindbar für muslimische Reisende – und die Buchungen steigen. In den meisten Fällen entscheiden sich die Hotels anschliessend dafür, dauerhaft auf Halalbooking gelistet zu bleiben, um weiterhin weltweit von muslimischen Reisenden gefunden zu werden.
Wie kann ein traditionelles europäisches Hotel halalreisende Gäste ansprechen, ohne seine Kernidentität zu verändern?
Letztlich sind Musliminnen und Muslime Gäste wie alle anderen auch – sie haben lediglich einige spezifische Bedürfnisse im Hinblick auf halal-konformes Reisen. Es gibt jedoch einfache Massnahmen, die jedes Hotel ergreifen kann, um sein Angebot für diese Zielgruppe zu verbessern und den Aufenthalt muslimischer Gäste angenehmer zu gestalten.
Ein erster Schritt ist, auf Wunsch Alkohol aus der Minibar im Zimmer zu entfernen – sofern dieser überhaupt vorhanden ist. Ein weiterer Schritt ist die Verfügbarkeit von Halal-Speisen. Halal-Fleisch wird dabei besonders geschätzt, doch auch klar gekennzeichnete Fisch- oder vegetarische Gerichte sowie alkoholfreie Desserts erleichtern die Auswahl erheblich. Ein weiterer Schritt, der für viele Hotels relativ einfach umzusetzen ist, besteht darin, bestimmte Zeiten am Tag zu reservieren, in denen der Spa- oder Fitnessbereich ausschliesslich für Frauen geöffnet ist. Auch die Möglichkeit, Spa-Einrichtungen wie eine Sauna oder ein türkisches Bad privat zu mieten, ist für unsere Kundinnen und Kunden besonders interessant – etwa, um sie gemeinsam als Familie nutzen zu können.
Wie bereits erwähnt, verfügen viele Hotels bereits über Eigenschaften, die für unsere Gäste attraktiv sind – oftmals ohne es zu wissen. So führen zahlreiche Unterkünfte ohnehin keinen Alkohol in der Minibar, betreiben ein Café, in dem kein Alkohol ausgeschenkt wird, oder akzeptieren bedeckende Badebekleidung im Hotelpool. Wenn solche Details im Halalbooking-Extranet hinterlegt werden, wird das Hotel automatisch besser sichtbar für unsere Zielgruppe – und steigt in unserem Algorithmus entsprechend im Ranking. Das gilt insbesondere für Reiseziele, in denen Hotels bislang nur wenig auf die Bedürfnisse muslimischer Reisender eingehen. Eine der wichtigsten Entscheidungsgrundlagen für unsere Gäste bei der Wahl ihrer Unterkunft sind die verifizierten Bewertungen auf Halalbooking – denn sie wissen, dass andere Mitglieder unseres HB Loyalty Clubs ähnliche Erwartungen und Perspektiven haben wie sie selbst.

Wo sehen Sie den Markt für Halal-Reisen in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Wir gehen fest davon aus, dass der Markt weiterhin wachsen wird. Als Unternehmen haben wir ein rasantes, aber nachhaltiges Wachstum erlebt – von einem Umsatz von 23 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 auf 75 Millionen US-Dollar im vergangenen Jahr. Damit sind wir klar auf Kurs, unser Ziel zu erreichen, ein Unicorn zu werden. Auch der Gesamtmarkt entwickelt sich dynamisch: Laut dem Bericht «State of the Global Islamic Economy 2023/24» von Dinar Standard beliefen sich die Reiseausgaben muslimischer Konsumentinnen und Konsumenten im Jahr 2022 auf 133 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber 114 Milliarden im Jahr 2021.
Für 2027 wird ein Volumen von 174 Milliarden US-Dollar prognostiziert, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 5,5 Prozent zwischen 2022 und 2027. Diese Entwicklung zeigt sich bereits deutlich: Muslimische Reisende werden zunehmend auf das Angebot von Halalbooking aufmerksam, während unsere Hotelpartner ihre Dienstleistungen und Ausstattungen weiterentwickeln, um gezielt diese Zielgruppe anzusprechen. Parallel dazu rechnen wir mit einem wachsenden Verständnis im Mainstream-Tourismus für die Bedürfnisse muslimischer Gäste – und mit einer zunehmenden Erkenntnis, welches Potenzial dieser Markt birgt.
Wie gefragt ist die Schweiz auf Halalbooking? Was müssen Hotels tun, um dabei zu sein?
Die grössten Quellmärkte von Halalbooking liegen in Europa – der Grossteil unserer Kundinnen und Kunden kommt aus Ländern wie der Türkei, Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Daher ist es nur natürlich, dass viele von ihnen die Schweiz und ihre Nachbarländer besuchen – sei es für einen Städtetrip, zum Skifahren oder um die beeindruckende Natur zu erleben. Wir würden diese Zahl gerne weiter steigern. Wenn mehr Hotels in der Schweiz den benutzerfreundlichen Fragebogen ausfüllen und ihre halal-relevanten Informationen in unser Extranet eintragen, wird das Reiseziel für unsere Gäste noch attraktiver.
Der Einstieg für Hotels bei Halalbooking ist einfach und unkompliziert: Auf unserer Website ganz nach unten scrollen und «Unterkunft hinzufügen» anklicken. Ein kurzes Formular ausfüllen – alles Weitere wird vom Halalbooking-Team übernommen. Der Prozess ist transparent gestaltet, und Interessierte werden Schritt für Schritt professionell begleitet. Die Basiskommission beträgt 15 Prozent.
Schweiz Tourismus und HotellerieSuisse haben 2019 einen Leitfaden für den Umgang mit Gästen aus den Golfstaaten herausgegeben. Dieser Ratgeber ist im Grundsatz immer noch aktuell:
Leitfaden Gäste aus den Golfstaaten (PDF)
Bildlegende Hauptfoto: Ufuk Seçgin, Mitgründer und Marketingchef von Halalbooking.
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