Nachhaltiges Konsumverhalten im Gastgewerbe, bzw. in der Hotellerie umfasst Massnahmen, die zum Schutz der Umwelt beitragen, so zum Beispiel umweltfreundliche Beschaffung, Recycling und die Schonung natürlicher Ressourcen. Der EHL- Forscher Prof. Dr. Matthias Fuchs wollte wissen: Wie reagieren Hotelgäste auf nachhaltige Massnahmen und Angebote? Erwarten Gäste, dass Hotels besonders nachhaltig sind? Würden sie für umweltfreundliche Angebote mehr bezahlen?
Im Tourismuskontext gehören zu einem nachhaltigen Konsumverhalten Aktionen wie der Kauf lokaler Produkte, Wassersparen, Wiederverwendung von Handtüchern, Energiesparen und Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Prof. Matthias Fuchs: «Diese Verhaltensweisen und ihre Motivationen können jedoch zwischen verschiedenen Konsumentengruppen erheblich variieren. Dies macht es für Akteure im Gastgewerbe sehr schwierig, nachhaltige Angebote zu schaffen – denn was «nachhaltig» bedeutet, ist von Tourist zu Tourist unterschiedlich, und ob sie dafür mehr bezahlen würden, ist eine weitere unzureichend erforschte Frage.»
Dr. Matthias Fuchs und seine EHL-Kollegin Dr. Valentina Clergue haben jetzt eine Studie zu diesem Thema verfasst. Es geht u.a. darum, Nachhaltigkeit für die richtige Zielgruppe zu definieren. Hotel Inside-Journalist Hans R. Amrein sprach mit Matthias Fuchs über die Hintergründe der Studie:
Wer ist Matthias Fuchs?
Dr. Matthias Fuchs ist Assistenz-Professor für Marketing an der EHL Hospitality Business School im Campus Lausanne. Er leitet dort das Institut für Customer Experience Management. Fuchs hat in Wirtschaftswissenschaften mit dem Spezialgebiet Marketing an der Universität St. Gallen (HSG) doktoriert. Er hat u.a. einen Master of Science in Management von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien).
Die EHL-Studie: Nachhaltigkeit für die richtige Zielgruppe definieren
Nach Angaben der Welttourismusorganisation ist nachhaltiger Tourismus «Tourismus, der zu einem Management aller Ressourcen führt, dass es ermöglicht, wirtschaftliche, soziale und ästhetische Bedürfnisse zu befriedigen und gleichzeitig die kulturelle Integrität, wesentliche ökologische Prozesse, die biologische Vielfalt und die lebenserhaltenden Systeme zu erhalten».
Touristen sollten daher ermutigt werden, «sich für umweltfreundliche Aktivitäten zu entscheiden, die ihren CO2-Fussabdruck reduzieren und gleichzeitig zum Erhalt der natürlichen Umwelt und des kulturellen Erbes beitragen». Dies spiegelt ein wachsendes Bedürfnis der Verbraucher wider, eine umweltfreundliche Gastronomie anzubieten. Schweiz Tourismus hat daher die Initiative «Swisstainable» ins Leben gerufen.
Um den nachhaltigen Tourismus wirksam zu fördern, ist es von entscheidender Bedeutung, die Wahrnehmung des Konzepts der Nachhaltigkeit durch die Touristen zu verstehen. Verschiedene Konsumentensegmente interpretieren und praktizieren nachhaltigen Konsum auf unterschiedliche Weise. Daher müssen Tourismus- und Gastgewerbeunternehmen zunächst verstehen, was Nachhaltigkeit für ihre Kunden bedeutet, um ihre Angebote entsprechend anzupassen und auf ihre Erwartungen abzustimmen. Zweitens müssen sie verstehen, wofür genau diese Segmente bereit sind, mehr zu bezahlen. Diese Abstimmung kann nachhaltiges Reiseverhalten fördern, aber auch die Gästezufriedenheit steigern.
Das Forschungsprojekt: Nachhaltiges Reiseverhalten in der Schweiz
Daher führten wir ein Forschungsprojekt in drei Phasen durch. Zuerst befragten wir Experten des Schweizer Gastgewerbes, um herauszufinden, was sie anbieten und was für Touristen in der Schweiz relevant sein könnte, die sich nachhaltiger verhalten wollen. Wir erstellten eine Liste mit nachhaltigen Verhaltensweisen von Touristen in der Schweiz. In einem zweiten Schritt führten wir eine repräsentative Studie mit Teilnehmenden aus der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, den USA, den Niederlanden und Frankreich durch, die im vergangenen Jahr in der Schweiz Urlaub gemacht hatten, und baten sie anzugeben, ob sie diese nachhaltigen Verhaltensweisen an den Tag legten. In einem dritten und letzten Schritt liessen wir einen maschinellen Lernalgorithmus die Anzahl der «grünen Touristen»-Segmente im Datensatz ermitteln. So entstanden sieben verschiedene «grüne Touristen»-Segmente, die wir anschliessend interpretierten und benannten.
Die 7 Segmente: Grünes Gästeverhalten in der Schweiz
1. Regionalitätsorientierte grüne Touristen
- Grösse: 23% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit bedeutet, in die lokale Kultur einzutauchen.»
- Durchschnittsalter: 36 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Regionalitätsorientierte grüne Touristen legen Wert darauf, lokale Gemeinschaften und Kulturen zu unterstützen und zu erhalten, und setzen sich dafür ein, dass Akteure im Gastgewerbe nachhaltige Optionen anbieten und einen Preisaufschlag verlangen. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für Akteure, die regional ausgerichtete Angebote vermarkten.
«Nachhaltigkeit im Reise- und Tourismussektor bedeutet für mich, die Gäste für die Umwelt sowie für die lokalen Kulturen und Traditionen zu sensibilisieren. […] Es bedeutet auch, die Einnahmen, die ausschliesslich auf dem Reise- und Tourismussektor basieren, gerecht zu verteilen und Angebote zu schaffen, die die lokale Bevölkerung unterstützen.» – CH, 34 Jahre alt.
2. Opportunistische nicht-grüne Touristen
- Grösse: 22% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit ist schön und gut, aber nicht so wichtig. Ich mache es nur, wenn es einfach, angenehm und erschwinglich ist.»
- Durchschnittsalter: 48 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: kommen eher aus Deutschland.
Diese Touristen sind nicht besonders begeistert oder von Nachhaltigkeit angetan, da sie sich nicht grossartig für das Thema interessieren. Wenn ein nachhaltiges Angebot jedoch sorgfältig präsentiert (nicht aufgedrängt), erschwinglich, nicht aggressiv und nicht invasiv ist, könnten sie sich dafür entscheiden. Dieses Segment zeigt nachhaltiges Verhalten, wenn es bequem und erschwinglich ist. Diese Touristen sind keine idealen Zielgruppen für Nachhaltigkeitsangebote.
«[Nachhaltigkeit ist] bei Einheimischen zu kaufen, Einheimischen etwas zurückzugeben, meine Bettwäsche oder Handtücher während meines gesamten Aufenthalts nicht zu wechseln, die Einrichtungen am Reiseziel nicht übermässig zu nutzen.» – UK, 38 Jahre alt.
3. Reisbewusste nicht-grüne Touristen
- Grösse: 15% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit ist teuer. Das kann ich mir nicht leisten.»
- Durchschnittsalter: 45 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: kommen eher aus Deutschland, seltener aus Frankreich.
Diese Touristen glauben, dass Nachhaltigkeit teuer ist, deshalb mögen sie das Thema nicht besonders und halten sich davon fern, da sie es damit assoziieren, zu viel für etwas zu bezahlen. Diese Touristen sind keine idealen Zielgruppen für Nachhaltigkeitsangebote.
4. Imageorientierte grüne Touristen
- Grösse: 13% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Ich bin bereits ein nachhaltiger Mensch und muss Nachhaltigkeit nicht ‚kaufen‘.»
- Durchschnittsalter: 36 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Diese Touristen sind der Meinung, dass sie bereits nachhaltig sind, da sie viel Zeit in der Natur verbringen, wandern, Gleitschirm fliegen und Yoga oder Pilates machen. Da sie sich selbst bereits als nachhaltig betrachten, geben sie kein zusätzliches Geld aus, um zusätzliche Nachhaltigkeit zu „kaufen“. Diese Touristen sind keine idealen Zielgruppen für Nachhaltigkeitsangebote.
«[Nachhaltigkeit bedeutet] umweltfreundlichere Flüge, um den CO2-Fussabdruck zu reduzieren usw.; mit geringen CO2-Emissionen» – UK, 31 Jahre alt.
5. Delegierende grüne Touristen
- Grösse: 11% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit bedeutet, meine bestehenden Reisegewohnheiten auf umweltfreundlichere Optionen umzustellen.»
- Durchschnittsalter: 40 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: kommen eher aus Deutschland und den USA. Seltener aus der Schweiz.
Diese Touristen rüsten ihre bestehenden Reisepraktiken auf, um sie nachhaltiger zu gestalten. Sie achten beispielsweise auf Nachhaltigkeitslabels und-zertifizierungen, kaufen CO2-Kompensationsmöglichkeiten usw., um ihr Reisen nachhaltiger zu gestalten. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für Akteure, die alle Arten von zertifizierbaren nachhaltigen Angeboten vermarkten.
«[Nachhaltigkeit] bedeutet, Produkte zu verwenden, die gut für die Umwelt sind. Es bedeutet, grün zu werden und den eigenen CO2-Fussabdruck zu verringern, während man die Welt bereist.» – USA, 54 Jahre alt.
6. Grüne Enthusiasten
- Grösse: 10% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit ist eine Lebenseinstellung.»
- Durchschnittsalter: 37 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: kommen eher aus Deutschland.
Diese Touristen sehen Nachhaltigkeit als ihren Leitstern, ihre Lebenseinstellung. Alles, was sie tun, ist nachhaltig. Nachhaltigkeit hat für sie ihren konventionellen Zweck, z. B. «den Klimawandel stoppen» oder «weniger Abfall produzieren», transzendiert. Nachhaltigkeit ist für sie zu einem eigenständigen Ziel geworden, das sie als ihren Lebensstil betrachten. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für alle Akteure, die alle Arten von nachhaltigen Angeboten vermarkten.
«Nachhaltigkeit … bedeutet für mich, dass Reise- und Tourismusaktivitäten so konzipiert sind, dass sie langfristig positive Auswirkungen auf die Umwelt, das soziale Umfeld und die wirtschaftliche Entwicklung haben.» – DE, 37 Jahre alt.
7. Nicht-grüne Skeptiker
- Grösse: 6% der Touristen in der Schweiz
- Interpretation von Nachhaltigkeit: «Nachhaltigkeit ist ein Schwindel.»
- Durchschnittsalter: 46 Jahre
- Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Diese Touristen mögen Nachhaltigkeit nicht. Sie glauben, dass es sich um einen Schwindel und ein Symptom dafür handelt, dass sich die Welt in die «falsche» Richtung bewegt. Diese Touristen werden von Akteuren im Gastgewerbe, die nachhaltige Optionen anbieten, abgeschreckt. Diese Touristen sind keine idealen Zielgruppen für Nachhaltigkeitsangebote.
Grüne Strategien für das Gastgewerbe: Wie geht es weiter?
Basierend auf unseren Erkenntnissen sollten sich Akteure im Gastgewerbe, die nachhaltige Angebote schaffen wollen, an regionalitätsorientierten grünen Touristen, delegierenden grünen Touristen und grünen Enthusiasten orientieren.
Während die regionalitätsorientierten grünen Touristen nachhaltige Angebote benötigen, die der lokalen Bevölkerung und Kultur zugutekommen, und die delegierenden grünen Touristen zertifizierbar nachhaltige Angebote benötigen, kaufen grüne Enthusiasten die nachhaltigsten Angebote. Alle diese Gruppen denken positiv über Nachhaltigkeit, sind bereit, mehr dafür zu bezahlen, und machen mehr als die Hälfte (55%) aller Touristen in der Schweiz aus.
Unsere Studie zeigt jedoch, dass die Angebote dennoch sorgfältig auf die Zielgruppe abgestimmt sein müssen. Eine zu breit angelegte Werbung würde dazu führen, dass nicht-grüne Skeptiker die Marke ablehnen oder preisbewusste nicht-grüne Touristen denken könnten, dass man teuer ist. Das Verständnis der unterschiedlichen Definitionen und Erwartungen an Nachhaltigkeit in den verschiedenen Touristensegmenten ist für Gastgewerbe-Unternehmen, die nachhaltiges Verhalten fördern wollen, unerlässlich.
Indem sie ihre Angebote und Kommunikationsstrategien auf die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Segmente abstimmen, können Akteure im Gastgewerbe die Gästezufriedenheit erhöhen, die Umwelt schonen und letztlich zu den übergeordneten Zielen des nachhaltigen Tourismus beitragen.
Die Erkenntnisse und Methoden dieser Untersuchung können als Blaupause für ähnliche Studien in anderen Regionen und Branchen dienen und die globale Agenda für eine nachhaltige Entwicklung im Tourismussektor voranbringen.
Die Autoren der Studie:
Dr. Matthias Fuchs, Assistant Professor an der EHL Hospitality Business School.
Dr. Valentina Clergue, Assistant-Professor an der EHL Hospitality Business School.
Originalbeitrag (EHL Insights):
The 7 segments of sustainable tourists in Switzerland
Bildlegende Hauptfoto: Grünes Hotel.
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