Der Europäische Gerichtshof hat der Branche diese Woche den Rücken gestärkt und im Kartellrechtsstreit zwischen Booking.com und zahlreichen europäischen Hoteliers ein klares Urteil gefällt. Was bedeutet es für die laufenden Verfahren in Europa? Was sagt der Schweizer Branchenverband HotellerieSuisse dazu? Das deutsche Fachportal ahgz führte mit IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe ein Interview.
Markus Luthe, in Bezug auf die Bestpreisklauseln herrscht nun Rechtssicherheit für Hotels innerhalb der EU. Beim Bezirksgericht Amsterdam und beim Landgericht Berlin sind weitere Verfahren anhängig. Hier geht es um hohe Schadensersatzforderungen. Wie geht es hier jetzt weiter?
Das Verfahren vor dem Bezirksgericht Amsterdam ist das dem EuGH-Urteil zugrundeliegende Verfahren; das Verfahren vor dem Landgericht Berlin ist das Parallelverfahren in Deutschland. Das Amsterdamer Verfahren wird jetzt vor dem Bezirksgericht Amsterdam fortgeführt, das seine Fragen jetzt ja sehr eindeutig vom EuGH beantwortet bekommen hat und auf dieser Grundlage nun weiter verhandeln wird.
Mit welchen Summen hinsichtlich der Schadensersatzforderungen muss Booking.com jetzt rechnen?
Wie in meinem Blogpost berichtet, sieht sich Booking.com mit Schadensersatzforderungen deutscher Hotels in einer neunstelligen Höhe konfrontiert.
Im August hatten Sie zudem erneut das Kartellamt eingeschaltet, weil Booking.com die Ratenparität offenbar durch die Hintertüre wieder einführen will. So fordert Booking.com derzeit Hotels auf, einen Partnervertrag mit Booking.com zu bestätigen. Dabei wird in komplexen Regelungen die Verpflichtung der Unterkunft auf Einhaltung der Parität eingefordert. Wie ist denn inzwischen hier der Stand der Dinge?
Die Kartellwächter haben sich diesbezüglich noch nicht geäußert. Die Ratenparitätsklausel steht in den aktuellen Verträgen zwar noch drin und wird sogar per Fettdruck hervorgehoben, sie wird aber verklausuliert im „Hotelpartnervertrag“ selbst auch wieder entkräftet. Sie ist schlichtweg unbeachtlich und Booking.com wäre gut beraten, sie umgehend auch tatsächlich zu streichen.
Wie sollen Hotels am besten damit umgehen, wenn solche Vertragsforderungen auf sie zukommen?
Einfach ignorieren!
Was sagt HotellerieSuisse dazu?
Hotel Inside wollte vom Schweizer Branchenverband HotellerieSuisse wissen: Wie reagiert die Schweiz auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes? Hier die schriftliche Stellungnahme von Vinzenz van den Berg, Leiter Unternehmenskommunikation bei HotellerieSuisse:
«Der Sachverhalt mit Booking ist bei HotellerieSuisse ein Thema. Wir verfolgen die Entwicklungen in Deutschland und der EU mit und stehen mit den anderen Verbänden in Kontakt. Mit der Umsetzung der Lex Booking sind die Paritätsklauseln in der Schweiz gefallen. Auch hier stehen wir in Kontakt mit Booking und prüfen, wie die Umsetzung eingehalten wird. Sollten wir bei dieser Prüfung der Einhaltung der Paritätsklauseln einen Missbrauch feststellen, würden wir dies auch rechtlich prüfen lassen.“
Hintergründe zum Rechtsstreit
Seit Mitte 2020 führen die Betreiber von mehr als 300 deutschen Hotels und Booking.com einen Rechtsstreit vor dem Bezirksgericht Amsterdam. Ein paralleles Verfahren mit rund weiteren 1700 Hotels ist vor dem Landgericht Berlin anhängig.
Die Hotels fordern Schadensersatz von Booking.com, den sie aufgrund der Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts durch die Verwendung sogenannter weiter und enger Bestpreisklauseln erlitten haben.
Im Frühjahr 2023 setzte das Bezirksgericht Amsterdam das Verfahren aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Klärung vor. Erstens wollte das Bezirksgericht Amsterdam vom EuGH wissen, ob die fraglichen Bestpreisklauseln eine sogenannte „notwendige Nebenabrede“ zum Hotelportalvertrag darstellen, was die Kartellrechtswidrigkeit dieser Klauseln entfallen lassen würde.
Zum anderen hat das Bezirksgericht Amsterdam den EuGH um Klärung dahingehend ersucht, wie die relevanten Märkte in Bezug auf Hotelbuchungsportale abzugrenzen sind.